Autonomes Fahren: Schwarz-Rot will Standortdaten speichern und Verantwortung klären

Die große Koalition hat sich auf umfangreiche Änderungen am umstrittenen Regierungsentwurf geeinigt, der den Einsatz teil- oder hochautomatisierter Systeme in Fahrzeugen regeln soll. Sie sollen am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden.

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Automatisiertes Fahren: Schwarz-Rot will Standortdaten speichern und Verantwortung klären

(Bild: BMW)

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Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben den Gesetzentwurf der Bundesregierung an einigen Punkten überarbeitet, mit dem sie mehr Rechtssicherheit für das automatisierte Fahren schaffen will. Vor allem an den großen Streitpunkten des Haftungsregimes und der Überwachung des Fahrverhaltens hat die Koalition noch einmal geschraubt und dabei teils Empfehlungen von Experten aus der Anhörung vorige Woche übernommen. Befürchtungen, dass das Auto zur "Datenkrake" wird und Bewegungsprofile erstellt werden, kann Schwarz-Rot damit aber nicht ganz ausräumen.

Die Regierungsfraktionen haben in ihrem heise online vorliegenden Änderungsentwurf etwa versucht, die Klausel zum "bestimmungsgemäßen" Einsatz automatisierter Systeme im Auto mit Leben zu füllen. Diese gilt als "Dreh- und Angelpunkt" der Haftungsfrage. Kfz-Hersteller müssen demnach in der Systembeschreibung verbindlich erklären, dass es sich um ein Fahrzeug mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen gemäß der Gesetzesbeschreibung handelt und dieses entsprechend zu nutzen ist.

Vom vernetzten zum autonomen Auto

Fahrer sollen zudem nicht mehr "rechtzeitig" zur Übernahme der Lenkfunktionen aufgefordert werden, sondern "mit ausreichender Zeitreserve vor der Abgabe der Fahrzeugsteuerung an den Fahrzeugführer". Dabei müsse ein Warnhinweis akustisch "oder sonst wahrnehmbar" erfolgen.

Das automatisierte System soll selbst Situationen erkennen können, in denen es nötig ist, dass der Fahrer das Kfz eigenständig steuert. Die Koalition will damit sicherstellen, dass der Fahrzeugführer den Computer "nicht außerhalb des vorgegebenen Rahmens verwendet oder verwenden will", etwa wenn er den Sitz während der Fahrt im Automodus in die Liegeposition bringen oder den Fahrersitz verlassen will.

Was ein Fahrzeugführer tun darf, während der Automat lenkt, verdeutlicht Schwarz-Rot nun zumindest in der Begründung. Die Person hinterm Lenkrad kann sich demnach "vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugführung abwenden". Sie darf die Hände vom Lenkrad nehmen, den Blick von der Straße wenden und anderen Tätigkeiten nachgehen, etwa E-Mails im Infotainment-System bearbeiten. Der Fahrer muss aber so wahrnehmungsbereit bleiben, dass er gefährliche Sondersituationen erfassen und das Fahrzeug dann wieder steuern, also etwa auf ein akustisches Warnsignal reagieren kann.

Die außergewöhnlichen Umstände müssen "so offensichtlich sein, dass diese auch beim Abwenden von der Fahrzeugsteuerung und dem Verkehrsgeschehen erkennbar sind". Davon ist laut Begründung etwa auch auszugehen, wenn der Fahrer durch das Hupen anderer Fahrzeuge auf Fahrfehler und so auf technische Störungen des Systems aufmerksam gemacht wird oder wenn dieses "ohne äußeren Anlass eine Vollbremsung durchgeführt hat". In diesen Situationen muss der Fahrer auch dann wieder das Lenkrad übernehmen, wenn er nicht vom Computer dazu ausdrücklich aufgefordert wird.

Um Bedenken zu beschwichtigen, dass mit einer neuen Blackbox im Auto eine rechtswidrige massive Vorratsdatenspeicherung eingeführt wird, will die Koalition eine Löschfrist nach sechs Monaten verankern, solange das Auto nicht in einen Unfall verwickelt war. Aufbewahrt werden sollen aber künftig auch "von Satellitennavigationssystemen ermittelte Positions- und Zeitangaben", wenn die Steuerung wechselt, der Fahrzeugführer durch das System aufgefordert wird zu übernehmen oder eine technische Störung auftritt. Nicht gespeichert werde, welche Person gefahren sei. Weiter heißt es, dass Streckenprotokolle nicht erstellt würden.

Mit dem Datenspeicher soll nachweisbar werden, ob die Person am Lenker oder der Computer in einer bestimmten Situation die Fahraufgabe innehatte. Die erhobenen Daten dürfen zusätzlich "den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden", auch schon bei Ordnungswidrigkeiten. Der Fahrer soll sich so nicht darauf berufen können, im automatisierten Modus unterwegs gewesen zu sein, wenn er etwa geblitzt wird. Daten aus der Blackbox dürften zudem anonymisiert für die Unfallforschung genutzt werden.

Der Verkehrsausschuss des Bundestags hat die Änderungen mit der Koalitionsmehrheit am Mittwoch bereits befürwortet, nun soll die Initiative am Donnerstag im Plenum verabschiedet werden. Aus der Opposition kommt nach wie vor Kritik. Beim automatisierten Fahren "bedarf es einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den Fragen zur Speicherung und Weitergabe von Daten zu Forschungszwecken", erklärte der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz gegenüber heise online. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) werfe mit dem Vorhaben jedoch schon vorab "in falsch verstandener Wirtschaftsfreundlichkeit wieder einmal die Datenmühle an".

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(anw)