Traktionskontrolle

Erster Eindruck: BMW M5

Erstmals gibt es den BMW M5 mit Allradantrieb. Verwässert BMW damit nun auch einen Sportler? Eine erste Ausfahrt zeigt, dass der stärkste Fünfer damit kein Stück weniger sportlich geworden ist.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christian Lorenz
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Jetzt geht es aber endgültig los. Erst bauen sie bei BMW Vans mit Frontantrieb, dann kündigen sie an, den Einser mit dieser Plattform zu entmannen und dann schmeißen sie einen M5 mit Allradantrieb und Wandler-Automatik auf den Markt. Wird jetzt auch diese Ikone des Hinterradantriebs, so etwas wie der fahrbare Markenkern von BMW, endgültig zum X5 M für Hektiker verwässert. Schon der Turbomotor war ja eine herbe Kröte, die die BMW-Fans schlucken mussten. Allerdings zeigte er auch, dass der „Fortschritt“ nicht zwingend traurig machen muss, wenn sich die BMW-Ingenieure richtig ins Zeug legen. Ähnliches kündigt Franciscus vom Meel, der Chef der M-GmbH auch jetzt an: „Ein Allradantrieb von M muss sich anfühlen, wie ein Hinterradantrieb – nur mit mehr Traktion.“

Selbst wenn das so wäre, möchte man entgegnen: Was ist mit dem Mehrgewicht? Da haben die M-Menschen jetzt darauf gewartet und lassen dich mit zu großer Freude abtropfen, um arrogant zu wirken. Trotz Allradantrieb wiegt der neue M5 bis zu 100 kg weniger als sein hinterradgetriebener Vorgänger. Ja schon, aber die ZF-8-Gang-Wandlerautomatik statt eines Doppelkupplungsgetriebes? Die M-Steptronic mit Drivelogic schaffe noch kürzere Schaltzeiten bei deutlich höherem Komfort. Sie erreiche nach der M-Kur ein ganz anderes Niveau als die ohnehin schon hervorragende Standardautomatik, sagen die Leute von M. Und jetzt glaube ich doch, so etwas wie Überheblichkeit in der Antwort zu spüren.

Brüllen und Rotzen

Vielleicht darf ich mich nicht von meinen Vorurteilen leiten lassen. Die Wahrheit liegt auf der Strecke. Mit gemischten Gefühlen nähere ich mich dem trotz der typischen BMW-Psychedelic-Folie eindeutig als Fünfer erkennbaren Erlkönig und kann mir ein Grinsen nicht verbeißen, als der Achtzylinder mit einer furiosen Klangkulisse zum Leben erwacht. Dieses Brüllen und Rotzen spricht die niedersten Instinkte des Proleten in mir an. Ich weiß allerdings nicht, ob man damit wirklich jeden Tag seine schlafenden Kinder, Hunde und Nachbarn wecken muss. Spätestens dann, wenn man die Klappenauspuffsteuerung aufdreht, wird es einfach zu viel des Guten. Bei aller Liebe, das ist nicht mehr sozialverträglich! Diesen Lärmpegel würde ich sofort aus meinem persönlichen Setup rausschmeißen. Neben den vorkonfigurierten Fahrmodi kann sich der Fahrer zwei Fahrprogramme über das iDrive-System individuell zusammenstellen. Diese lassen sich über die Tasten M1 und M2 auf dem Multifunktionslenkrad aufrufen.

Zunächst gehe ich aber erst mal die fünf vorkonfigurierten Fahrmodi durch. Sie basieren auf den Eingriffsstufen der Fahrdynamikregelung, die bei BMW nicht ESP sondern DSC heißt. Je weniger Sicherheitseingriffe des DSC desto mehr Heckorientierung des Allradantriebs M xDrive ist wählbar. Nach dem Start ist immer der Fahrmodus „4WD“ mit der höchsten ESP-Stufe „DSC on“ aktiviert. Der noch heckbetontere Fahrmodus „4WD Sport“ ist mit der ESP-Stufe „M Dynamic Mode“ kombiniert, die leichte Drifts zulässt. Bei vollständig deaktiviertem DSC kann ich neben „4WD“ und „4WD Sport“ die ultimative Heckorientierung wählen.

Allradantrieb: abschaltbar

Man kann den Allradantrieb also abschalten und den M5 weiterhin mit reinem Standardantrieb fahren. Mercedes-AMG hat das mit dem E 63 S und seinem „Driftmode“ ja schon vorgemacht. Anders als bei den RS-Modellen von Audi wird der Allradantrieb nämlich in München und Affalterbach als zusätzliche Resource für Fahrdynamik eingesetzt. Man will Traktion und Querdynamik schaffen, die über einen Standardantrieb hinausgehen. Die Audi-Frontantriebsarchitektur zwingt hingegen zum Quattro, damit die bösen RS-Modelle überhaupt hohe Kurvengeschwindigkeiten zulassen. Mit ihrem ursprünglichen Frontantrieb würden sie entweder ihre Vorderreifen in übelriechenden Rauch und eine Kurve in eine krumme Gerade verwandeln oder ihre Fahrdynamikregelsysteme zwingen, jegliche Lust an der beschleunigten Kurve schon im Keim zu unterbinden. Ein M5 lässt sich dagegen mit Standardantrieb ohne jegliche ESP-Eingriffe fahren.

Überzeugend

Jetzt aber genug der Theorie. Ich will endlich wissen, wie der neue M5 Fahrfreude interpretiert. Schon im Normalprogramm „4WD“ mit „DSC on“ zeigt sich: Der Allradantrieb verwässert den M5 überhaupt nicht. Der 1,9 Tonnen schwere Business-Supersportler lenkt so genau ein, dass sich ein durchschnittlicher Fahrer wie ich ein bisschen wie Walter Röhrl vorkommen kann. Die Lenkung ist so exakt und kongenial. Die Vorderräder scheinen mit meinen Handgelenken verbunden zu sein. Bei Lastwechseln lässt schon der Sicherheits-DSC-Vollmodus das Heck unterhaltsam leicht werden. Wie beim schönsten Standardantrieb darf es ein wenig zucken, wenn man es übertreibt. Noch schöner ist der „M Dynamic Mode“ mit „4WD Sport“. Da kommt der Hintern tatsächlich, wenn du es willst. Dann kannst du mit ihm spielen, musst es aber nicht. Dieser M5 bringt seine knapp 600 PS perfekt auf die Straße. Hat sich hier irgendwer über den Allradantrieb beschwert? Ich muss Abbitte leisten und aus meinem Grinsen wird nun lautes Auflachen.