Tränen der Ergriffenheit im Nissan GT-R

Klartext: Praystation

Nissans GT-R trägt den Ruf eines "Playstation-Autos". Vielleicht liegt das an seiner Historie, vielleicht an der Hightech-Auslegung, auf jeden Fall gibt es nur wenige mechanischere Auto-Erlebnisse, kommentiert Clemens Gleich

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Von
  • Clemens Gleich
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Nissan GT-R. Der Ruf eines „Playstation-Autos“ eilt ihm voraus, aber schon beim ersten Start frage ich mich: Warum? Knöchern mahlend setzen sich überall um mich herum Zahnradkaskaden in Bewegung. Gang rein. Ruppig kuppelt das kalte DKG ein. Der V6 vorne gurgelt wie ein Schiffsdiesel, solange sich der GT-R im langsamen Rangiertempo bewegt, untermalt vom Zahnradkonzert aus dem Getriebe. Warmfahren. Die Turbolader klingen in der GT-R-Kabine so laut wie ein Airbus-Triebwerk in der A-320-Kabine. Das war auf meiner Playstation nie so.

Bei herrlichstem Herbstwetter stelle ich mich an der Zufahrt zur Nordschleife auf. Drahtlos 30 Euro opfern (es ist ein Samstag), Schranke auf, losrollen. Das Schiff dieselt durch die Hütchenpassage der Einfahrt. Dann bricht die Hölle los. Dem sonoren Schrei des V6 vorn folgt bei durchgetretenem Pedal ein Geräusch von hinten, das sich anhört und anfühlt wie ein Nachbrenner. Aufgrund der Form der Endtöpfe und der exorbitanten Spritrechnung am Abend bin ich mir tatsächlich nicht sicher, ob das am Ende doch mehr ist als eine Metapher: 54 Liter reichten für rund 130 Kilometer, 5 Nordschleifen-Runden und ein bisschen Landstraßen-Anfahrt. Straffer Tarif.

Buckelpiste Nordschleife. Die breiten Vorderräder wollen jeder Unebenheit folgen, der GT-R reißt am Lenkrad. Wie viel Masse du eben wie hoch beschleunigt hast, wird dir spätestens bewusst, wenn du dem Pedal vertrauen musst, dass es dich vor der Betonmauer unten vor der Zufahrt Breitscheid bewahrt. GT-R fahren artet ab einer gewissen Geschwindigkeit in echte Fahrarbeit aus, was wahrscheinlich die Faszination dieses Autos ausmacht. Irgendjemand gab dem GT-R einmal den Spitznamen „Godzilla“. Das deckt sich wesentlich besser mit meinen Erfahrungen als „Playstation“. Ich betete mehr als seit meiner Kindheit in Oberbayern.

Spielkonsolen aller Art

Vielleicht hatten die Präger des Begriffs vom „Playstation-Auto“ andere Playstations als ich, dampfbetrieben, mit Zähnen, riesengroß und fürchterlich. Meine war grau und harmlos. Ich betete höchstens, dass ein Importspiel funktioniert. Sie trachtete mir nie nach dem Leben. Im GT-R bin ich mir da nicht so sicher. „Das geht! Das geht!“, scheint das Auto zu rufen. „Das geht VOLL!!“ GT-R fahren ist so eine Mischung aus das Auto peitschen und gleichzeitig vom Auto zurück gepeitscht zu werden. Das schaukelt sich schnell auf zwischen fauchender, mahlender Geräuschkulisse und feinkörnigem Feedback. Kollege Sebastian hat recht: „Der GT-R ist eins der mechanischsten Auto-Erlebnisse, die ich kenne.“