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McLaren F1: Das Ende der Evolution

Fünfeinhalb Persönlichkeiten stecken hinter dem McLaren F1. Dem ehrlichsten Auto der Welt. Understatement sollten andere üben, es ging darum, das schnellste und teuerste Denkmal aller Zeiten zu bauen

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McLaren F1 5 Bilder
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Der McLaren F1 galt 1993 als Kunstwerk. Als teuerstes und schnellstes Auto der Welt. Weder Bescheidenheit noch Understatement standen im Lastenheft. Federführend bei diesem Projekt war Gordon Murray. Ideengeber war Aziz Ojjeh, ein saudischer Milliardär, dem verboten wurde, ein F5F-Kampfflugzeug zu kaufen. Finanzier dessen Bruder Mansour. Bei Ron Dennis rannten beide mit ihrem Kompensationswunsch offene Türen ein. Doch aller Anfang ist freilich Bruce McLaren.

Von wegen „wilder Hund“

Am 2. Juni 1970 geht plötzlich eine der Bomben hoch und Bruce McLaren ist tot. Es waren gefährliche Jahre für Rennfahrer. Die Fahrzeuge waren Highspeed-Bomben, die regelmäßig explodierten. Sicherheitstechnik und Aerodynamik steckten noch in den Kinderschuhen. Und bei McLaren kam es wieder zu einer Tragödie.

Bei Tempo 270 klappte die Heckverkleidung seines Can-Am-Wagens plötzlich hoch. Ein Geschoss mit 700 PS und 7,5 Litern Hubraum. Der Wagen war so konstruiert, dass die Heckverkleidung nach hinten aufklappte, wodurch kurz eine Art Segel entstand, das den Wagen zornig aus der Spur riss. Eine gewaltige Kraft. Ein Konstruktionsfehler, der schon Gerhard Mitter im Porsche Carrera 6 in Spa von der Strecke hob, weswegen Porsche diese Konstruktion schon früh zu den Akten legte.

Bruce McLaren wäre im August 33 Jahre alt geworden. Oftmals wird er als „wilder Hund“ bezeichnet - eine ebenso leere wie falsche Phrase. McLaren galt in der Szene als einer der sichersten Piloten überhaupt. Als einer, der kein Risiko einging. Er war ruhig und unscheinbar. Dass er vorneweg fuhr, war seinem Ausnahmetalent als Fahrer und Konstrukteur geschuldet.

Der Ausnahmefahrer

McLaren kam früh mit dem Sport in Kontakt. Schon sein Vater war Garagenbesitzer und Hobbyrennfahrer. Der hatte einen Austin Ulster gekauft, den er restaurieren und verkaufen wollte. Bruce konnte seinen Vater überzeugen, ihm die Einzelteile zu überlassen. Zwei Jahre schraubte der damals 13-Jährige an dem Haufen rum. Am Ende konnte er 1952 im Alter von 15 Jahren die 750-Kubikzentimeter-Klasse beim „Muriwai Beach Hill Climb“ in Neuseeland (seinem Heimatland) gewinnen.

Bereits 1959 schaffte er es zum Cooper-Werksfahrer. 1965 verließ er den Rennstall von Jack Brabham und schloss sich Ford an, die gerade am Projekt Le-Mans-Dominanz arbeiteten. 1966 holte McLaren den Sieg an der Sarthe. Es war auch das Jahr, in dem er seinen eigenen Formel-eins-Rennstall gründete. Als McLaren 1970 starb wurde dieses Unternehmen, das er mit dem Amerikaner Teddy Meyer unterhielt, weitergeführt. Auch und vor allem, weil es reichlich Verpflichtungen gegenüber Geschäftspartnern wie Goodyear, Reynolds und Gulf gab.

Ein Genie auf der Karriereleiter

Zur gleichen Zeit ging in der Formel eins der Stern des Gordon Murray auf. Der arbeitete ab 1970 bei Brabham und wurde dank seiner Genialität schnell Chefkonstrukteur. Helmut Zwickl von der Autorevue schrieb über Murray einmal: „Er ist eines von jenen Formel-eins-Gehirnen, die, unter Druck gesetzt, längst den Motor erfunden hätten, der mit Wasser läuft.“

Murray legte eine unglaubliche Taktung bei Innovationen vor. Pullrod-Radaufhängung, Glasfaser-Schürze am Heck (Heureka: Anpressdruck!), eine Scheibenbremse aus Kohlefaser und, quasi sein Sgt. Pepper: ein Sechsblatt-Propeller am Heck des Brabham. Wie ein Staubsauger hielt er den Wagen auf dem Boden. Niki Lauda schlenderte damit so bequem zum Sieg beim Grand Prix in Schweden, dass die Technik umgehend wieder verboten wurde.

1986 hatte Murray Titel und Erfolg als Ingenieur gesammelt wie andere Leute Briefmarken. Dann wechselte er zu McLaren und entwickelte den McLaren-Honda MP4/4. Der Wagen gewann in der Saison 1988 sagenhafte von 15 von 16 Rennen.

Der Wahnsinn und das Scheckheft

Doch all das musste natürlich auch mal auf die Straße. An dieser Stelle kommt Aziz Ojjeh ins Spiel. Der ist reich. So richtig. Dagobert-Duck-mäßig. Sein Vater war Akram Ojjeh, der im Sog der ersten Ölkrise 1973 ein Vermögen gemacht hatte. Das Geld, das Saudi-Arabien durch die gestiegenen Ölpreise verdiente, investierte das Land in Rüstungstechnologie. Ojjeh vermittelte die Geschäfte. Man kann also davon ausgehen, dass Sohnemann Aziz ein eher behütetes Leben hatte.