McLaren F1: Das Ende der Evolution

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Sein Bruder Mansour Ojjeh hat sein Geld unter anderem dafür genutzt, das Williams-Team zu sponsern und 1981 bei McLaren einzusteigen. Dort finanzierte er die Entwicklung des TAG-Turbo-Motors von Hans Mezger, übernahm 1984 die Mehrheit am Rennstall und kaufte sich 15 Prozent der McLaren-Group-Anteile. Doch ein Problem gab es, das die betuchten Brüder nicht lösen konnten. Aziz wünschte sich zum Geburtstag ein F5F-Kampfflugzeug. Allerdings stellte sich das Pentagon quer. Privatpersonen dürften keine einsatzfähigen Militärjets besitzen.

Also fing der Draht zwischen Ron Dennis und den Ojjeh-Brüdern an zu glühen. Die einen wollten irgendein Spielzeug, um diesen Verlust zu kompensieren. Ron Dennis war zu diesem Zeitpunkt der starke Mann bei der McLaren Group. Er hatte der Marke als Teamchef Motorsporterfolge am Fließband beschert. Noch heute beherbergt der Firmensitz in Woking die größte Sammlung an Originalpokalen der Welt (rund 700 Stück müssten es sein). Was auch daran liegt, dass die Fahrer stets nur Repliken mit nach Hause bekamen, während der echte Topf an das Team ging.

Doch Ron Dennis musste sich ein Denkmal bauen. Er wollte in eine Liga mit Ferrari und Lamborghini, Bugatti und Maserati, Porsche und Bentley aufsteigen. Und das ging eben nur mit einem Straßenauto der Superlative. Ein Wagen, der die 911er dieser Welt aussehen lassen würde wie Schwimmbojen. Und die Ojjehs, die sollten den Plan finanzieren.

Woher nehmen?

Murray, das Genie, machte sich also sofort ans Werk. Hatte aber das Problem, dass er einen Motor brauchte. Toyota, der Formel-eins-Partner des Teams, wollte für das Projekt keinen eigenen Zwölfzylinder entwickeln und bot einen turbogeladenen 3,5-Liter-Motor an. Den Murray, der einen Turbo grundsätzlich ablehnte, nicht haben wollte. Außerdem brauchte er mehr Leistung um die saudischen Wünsche und englischen Träume zu erfüllen.

Also: Anruf bei Paul Rosche – im Februar 1991. Rosche hatte zusammen mit Gordon bereits bei Brabham gearbeitet, tickte ähnlich und war zu diesem Zeitpunkt bei BMW angestellt. Vor allem aber hatte er die Pläne für den Motor schon in der Schublade. In dieser Branche träumen Menschen eben dieselben Träume und warten darauf, dass sie irgendwann Wirklichkeit werden können. Paul Rosche selbst gab in einem Interview einmal zu, der McLaren F1 sei „eine phantastische Spinnerei.“

So oder so: der Motor war schnell fertig. Bereits im November 1991 stand er auf dem Prüfstand. 6,1 Liter Hubraum, verstellbare Einlassnocken, kettengetriebene Nockenwelle, Steuergerät von TAG – ergibt in Summe 550 PS und 600 Nm – laut Pressemitteilung aus dem Jahr 1992. Bei Marktstart war die Leistung nach ersten Tests auf dem Prüfstand bereits auf 627 PS gestiegen, später folgte noch eine Variante mit 680 PS. Der Motor hätte ursprünglich im BMW M8 eingebaut werden sollen. Ein Auto, das aus Kostengründen nie umgesetzt wurde.

Belohnt für den Staubsauger

Um den Radstand zu verkürzen – erste Entwürfe zeigten, dass er so lang werden würde, dass er das Handling negativ beeinflusst – orientierte sich Murray an der Formel eins. Der Motor des Mittelmotor-Autos bekam deswegen eine Schwungscheibe von gerade einmal 200 Millimetern Durchmesser. Die Kupplung ist aus kohlefaserverstärktem Material.

Und mit einigen Jahrzehnten Verspätung wurde Murray für seinen Staubsauger belohnt. Zwei Elektroventilatoren arbeiten zusammen daran, dass das Druckzentrum unter dem Auto in allen Situationen gleich bleibt. Die Luft wird so unter dem Wagen durchgeleitet, dass einerseits die Stabilität garantiert wird und andererseits die Bremsen gekühlt werden. Murrays Steckenpferd war die Gewichtsverteilung. Fette Formel-eins-Renner gibt es nicht und so bringt auch der McLaren F1 lediglich 1018 Kilogramm Leergewicht auf die Waage. 42 Prozent davon auf der Vorder-, die restlichen 58 natürlich auf der Hinterachse. Bei einer Länge von 4,29 Metern und nur 1,15 Metern Höhe liegt auch der Schwerpunkt extrem niedrig.

Das alles reichte für eine Höchstgeschwindigkeit von 391 Stundenkilometern. Bis 2005 hielt der McLaren F1 so den Rekord für das schnellste Serienauto der Welt. Dann löste ihn der Bugatti Veyron mit 1001 PS ab. Um diese Leistung überblicken zu können wurde der Fahrersitz mittig positioniert. Rennwagen-Flair. Die Passagiere saßen links und rechts vom Fahrer leicht nach hinten versetzt.

Veyron? Die kenne ich nicht.

Gebracht hat es dann doch wenig. Die Liste der prominent verunfallten McLaren F1 ist lang. Wahrscheinlich auch, weil es an einem ABS fehlte. Ron Dennis, Bernd Pischetsrieder und Rowan Atkinson (gleich zwei Mal mit zwei verschiedenen) feuerten ihren F1 von der Straße. Zumindest Mr. Bean konnte es egal sein. Sein McLaren brachte 2015 trotz der Vorgeschichte einen Versteigerungserlös von acht Millionen Pfund. Erstaunlich: ernsthaft verletzt wurde bei all den Unfällen niemand.

Die Kosten für den McLaren F1 sind auf eine Kundschaft zugeschnitten, der das Geld völlig egal ist. Neu kostete das Fahrzeug damals 1,5 Millionen Mark – immerhin gab es einen Facom Werkstattwagen gratis dazu. Ursprüngliche Pläne sahen vor 300 Stück zu fertigen. Am Ende wurden es lediglich 106. Später folgten noch der McLaren F1 GTR und Sonderanfertigungen. Sie alle sollten das Unüberbietbare noch toppen und schafften es natürlich. What the fuck is a Veyron? (fpi)