Verschenkt

Fahrbericht Kawasaki ZX-10R SE

Die ZX-10R war bekannt für ihr gutes Fahrwerk und ihren schwachen Motor. Der Motor bleibt schwach, das Fahrwerk gibt es in der SE-Version der 10R als semiaktive Variante. Leider verschenkt die viele Chancen einer solchen Technik

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Kawasaki ZX-10R SE 16 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Flüssige, langgezogene Kurven auf der Rennstrecke Almeria. Die Kawasaki ZX-10R fährt den größten Teil der Strecke im zweiten Gang, manchmal müsstest du runter in den ersten, um vollen Schub zu kriegen. Dazu war ich zu faul, aber wir können dieses Motorrad nicht besprechen, ohne beim Elefanten im Raum anzufangen: Kawasaki hatte fürs Modelljahr 2016 die Nennleistung auf 200 PS erhöht, ohne die Feinheiten der Euro-4-Zulassung schön hinbekommen zu haben, sodass diese 200 PS in einem Tausender-Vierzylinder erreicht werden wie in einer besseren 600er. Wenig erstaunlich wollte das kaum jemand kaufen, denn Honda, BMW und Suzuki verkaufen dasselbe Rezept mit Bumms ab Standgas.

Makel Motor bleibt

Bei der Vorstellung im Januar 2016 erzählte der Projektleiter Matsuda einer Runde ungläubig guckender deutscher Journalisten, das luftpumpige Drehmoment unten-mitte sei Absicht, weil die Konkurrenz zu viel davon hätte. Er führte sich kurz darauf selbst ad absurdum, als er uns die Track-Version fahren ließ, die ein zur argen Nennleistung passendes Drehmoment abliefert. Man gehe todsicher davon aus, dass auch Kawasakis SBK-Siegerbikes mit Drehmoment aus den Ecken zogen. Die "Zehner" bleibt ein tolles Motorrad. Ihr Makel Motor bleibt, wie er ist: ein Grundsatzproblem. Dazu kommt: Kaum ein Händler stellt sich noch japanische Superbikes in den Laden, weil die Verkaufszahlen zu gering sind – wie von den 600er-Supersportmotorrädern bekannt ein massiv selbstverstärkender Prozess.

Wer die 200 PS noch im Kopf hat, könnte zum Gedanken verleitet werden, ein starker unterer Bereich wäre nicht so wichtig oder geringes Drehmoment gar tatsächlich der Fahrbarkeit wegen vorteilhaft – ebenso nachvollziehbar wie leicht widerlegt. Es reicht eine andere Auspuffanlage, und die Zehner zieht mit denselben Mappings auf einmal so stark an wie andere aktuelle Tausender. Sie beschleunigt damit fast überall frappant stärker. Es ist nicht möglich, diese Kawa mit Standardauspuff im Getriebe herumsteppend in einem sweet spot zu halten, dass derselbe Fahrer dieselben Beschleunigungen fahren könnte. Das gilt für Hobbyracer noch mehr als für Rennfahrer. Weniger schalten müssen war immer einer der Hauptgründe, Rennstreckenfahren auf der Tausender zu lernen.

Die große Stärke

Während der Motor enttäuschte, gab es über das Showa-Fahrwerk der Zehner nur Gutes zu berichten. Es dämpfte satt und mit Reserven. Wer ein anderes Verhalten brauchte, konnte die Shims in den hinter der Gabel abstehenden Zylindern in von Showa vorkonfektionierten Paketen austauschen. Das war alles schon nahe an dem, was der Rennfahrer braucht. Die neue SE-Version der 10R legt ausgerechnet an diesem stärksten Punkt nach und bringt das elektronisch einstellende Dämpfersystem des Fahrwerks-Zulieferers Showa in Serie.