So weit die Akkus tragen

Geladene vs getankte Kilowattstunden

In meinem 40-Liter-Benzintank gebiete ich über gut 360 kWh Energie – was also darf ich dann von einem 35-kWh-Akku im neuen e-Golf erwarten? An jeder Raststätte eine Stunde Kaffee trinken neben der Ladesäule? Vergleichende Betrachtungen zum Energieverbrauch von Benzin- und Elektroautos

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alternative Antriebe, Elektroautos 5 Bilder
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Detlef Grell
Inhaltsverzeichnis

In meinem 40-Liter-Benzintank gebiete ich über gut 388 kWh Energie, schließlich enthält ein Liter Superbenzin rund 9,7 kWh. Was also darf ich dann von einem 35,8-kWh-Akku im neuen e-Golf erwarten? An jeder Raststätte eine halbe Stunde Kaffee trinken neben der Ladesäule?

Der Fahrer eines Verbrenner-Autos hat es schwer, die tatsächliche Reichweite eines Elektromobils anhand ein paar technischer Daten einzuschätzen. Doch er kennt sich recht gut mit dem Verbrauch und damit der Reichweite seines Benzinmotors aus.

Seine Verwirrung ist daher durchaus gerechtfertigt: Sein modernes Fahrzeug verbraucht bei normaler Fahrweise rund 7 Liter Benzin. Mit einem 40-Liter-Tank kommt er gut 500 km weit – 5 Liter Reserve wird er sich sicherlich bewahren. Das heißt aber auch, dass er dabei 7*9,7 kWh, also fast 68 kWh auf gerade mal 100 km durch den Auspuff gejagt hat!

Vom Tank zum Rad

Wieso soll ein e-Golf mit 36-kWh-Batterie nach dieser Rechnung also weiter als 50 km kommen? Ganz maßgeblich bestimmen die unterschiedlichen Wirkungsgrade von E-Motor und Verbrenner die Realität. Aber auch die Fähigkeit, Bremsenergie statt in die Erwärmung der Bremsscheiben wieder zurück in Strom zu verwandeln, verschafft dem E-Mobil Vorteile; Rekuperation heißt diese Methode.

Stationäre Verbrennungsmotoren (also feste Drehzahl, optimiert auf einen Betriebspunkt) schaffen vielleicht 40 Prozent, Diesel etwas mehr. Weit mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht als Abwärme verloren. Mehr noch: Sie muss auch noch aufwändig über Kühlsysteme abgeführt werden.

Im Auto ist die Bilanz noch schlechter, denn hier gibt es fast kein Fahren im günstigsten Betriebspunkt, was den Wirkungsgrad weiter drastisch senkt. E-Motoren hingegen bieten einen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent, weit weniger abhängig von Belastung und Drehzahl.

Für die Reichweite ist die Effizienz „Tank/Akku to Wheel“ ausschlaggebend, also vom Energiespeicher bis ans Rad. Da liegen selbst gute Benziner bei nur rund 25 Prozent Wirkungsgrad, während man bei E-Autos – nicht zuletzt wegen der Rekuperation – weiterhin mit mehr als 90 Prozent rechnen darf. Anders gesagt: 75 Prozent der Energie des 40-Liter-Tanks kommen nicht auf der Straße an, sondern werden in Wärme umgesetzt. Mehr als 100 kWh nutzbare Energie bietet der 40-Liter-Tank also nicht.

Spillerig = effizient

Weitere Faktoren zehren am Vorsprung des Verbrenners: Weil Akkus mit jeder zusätzlichen Kilowattstunde schwerer und teurer werden, muss der Hersteller ein Optimum aus Preis, Gewicht und Reichweite finden, mit dem sich das Auto verkaufen lässt. Das gesamte Gebilde muss also an allen möglichen Stellen auf Effizienz optimiert werden, damit noch genug Nutzen rausspringt. Gute Aerodynamik (cW-Werte) und geringer Rollwiderstand (schmale Räder) haben hier erheblich höhere Priorität als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Für Verbrenner war das lange Zeit irrelevant, weil der NEFZ gute Aerodynamik nicht belohnte. Nicht zuletzt kommen E-Autos mit sehr einfachen Getrieben (oder gar ganz ohne) aus, was hier die Reibungsverluste weiter senkt.

Grün auch ohne grüne Welle

In der Stadt ist das E-Auto der King: Der Großteil der fürs Beschleunigen benötigten Energie kann an der nächsten roten Ampel gleich wieder durch Rekuperation in den Akku zurückgeholt werden. Der reine Verbrenner kann das nicht bieten. Die innerstädtischen NEFZ-Verbrauchswerte der Benziner sind bekanntlich die höchsten. Ähnliches gilt auch für das Fahren in den Bergen: Bergauf kostet Benzin, bergab reicht Leerlauf oder heute sogar Segeln. Der E-Mobilfahrer indes leert bergauf die Batterie, bergab wird sie per Rekuperation wieder befüllt. E-Rallye-Fahrer können aus der Praxis bestätigen, dass der Verbrauch kaum höher liegt als in der Ebene.