Autonome Autos: Unterwegs mit Continentals selbstfahrendem "Cruising Chauffeur"

Autozulieferer Continental will seinen Kunden bis 2025 ein vollautomatisiertes Fahrpaket anbieten. Am Rande der Hannover Messe konnten wir auf der Autobahn "erfahren", was das System mit heutiger Serien-Sensorik leisten kann.

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Unterwegs mit Continentals selbstfahrendem "Cruising Chauffeur"

(Bild: Continental)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sven Hansen
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Da steht er nun: Morgens früh um acht, zwischen zwei Regenschauern, nähere ich mich dem Testfahrzeug, mit dem Continental den derzeitigen Stand seines hochautomatisierten Cruising Chauffeurs zeigen will. Ein wenig mulmig ist mir schon, denn im Vergleich zu einer automatischen Fahrt bei 12 km/h in einem Roboshuttle erscheint mir meine letzte Autobahnfahrt in einem selbstfahrenden A7 eher wie ein Ritt auf der Kanonenkugel. Den "Cruising Chauffeur" will Continental interessierten Herstellern ab 2020 als teilautomatisierte Lösung anbieten, ab 2025 soll das System ein Fahrzeug vollautomatisiert durch den Verkehr führen.

Das heutige Testfahrzeug ist trotz überklebtem Logo unschwer als ein VW Passat zu erkennen, auf dem Fahrersitz nimmt Test-Ingenieur Dennis Scholl Platz, der an der Umfelderkennung des Conti Crusing Chauffeur mitentwickelt. "Wir nutzen für diesen Test ausschließlich Serien-Sensorik", erklärt Scholl vor Fahrtantritt. "Im Wesentlichen sind das nach vorne und hinten gerichtete Radarkeulen, die 360-Grad-Kameras und eine nach vorne gerichtete Mono-Kamera für die Fernsicht".

Die Ausstattung weicht insofern von der eines Serienfahrzeugs ab, als die nach hinten ausgerichteten Radars auch etwa 200 Meter in die Ferne schauen, um herannahende Fahrzeuge rechtzeitig zu bemerken. "Die Spurwechsel werden bei diesem Fahrzeug manuell eingeleitet", erklärt Scholl weiter. "Trotzdem überprüfen wir, ob die Fahrbahn für einen Spurwechsel frei ist." Der von hinten anrollende Verkehr ist ein besonderes Problemfeld auf deutschen Autobahnen. Da sich die hochautomatisierten Fahrzeuge an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h halten, kann der nachfolgende Verkehr durchaus mit 100 km/h von hinten anrauschen. Die Roboterfahrzeuge müssen also nicht nur "vorausschauend" unterwegs sein, sondern auch nach hinten blicken.

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Was dem Fahrzeug fehlt, ist der in diesem Automatisierungsgrad eigentlich obligatorische Laser-Scanner. Normalerweise sorgt erst das LiDAR für eine sichere Objekterkennung in der Ferne. "Mit diesem Testfahrzeug wollten wir an die Grenzen dessen gehen, was wir mit Serien-Sensorik erreichen können", erklärt Scholl. Und die Fahrt beginnt.

Vom Conti-Standort in Hannover-Stöcken hüpfen wir fast direkt auf die Autobahn. Zu meinen Füßen auf der Beifahrerseite liegt ein Tablet, auf dessen Display das Ergebnis der im Fahrzeug zusammengeführten Sensorinformationen dargestellt wird: Zusätzlich zum erkannten Fahrweg sind das vor allem die rund um den Testwagen erkannten Verkehrsteilnehmer.

Von der A2 geht es auf die A352, die Verbindung zur A7. Sobald der Cruising Chaffeur bereit ist, lässt er sich über einen Steuerhebel unterhalb der Automatikschaltung aktivieren. "Unsere Tests haben ergeben, dass die Nutzer das System eher akzeptieren, wenn es separate Eingabegeräte nutzt", so Scholl. So verwendet man den Steuerhebel auch, um durch seitliches Drücken einen Spurwechsel einzuleiten. Theoretisch ließe sich diese Funktion auch – wie bei Tesla – auf einen Blinkerhebel legen. "Das hängt von den Wünschen des jeweiligen Fahrzeugherstellers ab", erklärt Scholl.

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Vom vernetzten zum autonomen Auto

Beim Einfädeln auf die A352 verhaspelt sich das Fahrzeug und der Ingenieur muss eingreifen. Der Testwagen bezieht in sein Umfeldmodell momentan noch keine Kartendaten ein sondern verlässt sich ausschließlich auf seine Sensorik. Die Algorithmen sind für die Fahrt auf der Autobahn optimiert. Die verläuft über die nächsten 10 Minuten erstaunlich ruhig. Der Wagen hält genügend Abstand zum vorausfahrenden Verkehr und ist mit maximal 130 km/h unterwegs. Hängen wir hinter einem LKW, löst Scholl über den Steuerhebel den Spurwechsel aus und schert auch manuell wieder ein. Manchmal führt das System unvermittelt kleine Lenkbewegung aus. Alles in allem haben wir eine ruhige Fahrt.

Am Ende der A352 geht es auf die Landstraße, auf dem Display im Fußraum sind nun deutlich die Grenzen des derzeitigen Systems zu erkennen: Fahrzeuge purzeln scheinbar durcheinander und das System erkennt Spuren, die es gar nicht gibt. "Der Algorithmus ist auf Autobahnen ausgelegt", erklärt Scholl. Hohe Geschwindigkeiten, aber relativ gerade Fahrtwege und übersichtliche Spurführung.

Im nächsten Schritt sollen sich die Fahrzeuge auch auf der Landstraße bewegen und erst danach die Städte erobern. Ich bin bei der Ankunft in Hannover-Stöcken vollkommen entspannt, allerdings saß ich an diesem Tag auch nicht auf dem Fahrersitz. Als guter Beifahrer ist man es gewohnt, die Kontrolle abzugeben. Auf der Fahrerseite stellt sich die Situation vollkommen anders dar. Das Lenkrad vor der Nase zu haben und nicht einzugreifen, ist eine besondere Herausforderung. Beim Cruising Chauffeur würde ich sie annehmen. (dahe)