Organisierter Ärger

Interview mit Jürgen Resch, DUH

Wir sprachen mit DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch über die Deutsche Umwelthilfe, den deutschen Verbraucher, die Vertrauenskrise des Dieselmotors und die Zustände in der Auto-Politik Deutschlands und der USA

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(Bild: DUH / Lehmann)

Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wir sprachen mit DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch über die Deutsche Umwelthilfe, den deutschen Verbraucher, die Vertrauenskrise des Dieselmotors und die Zustände in der Auto-Politik.

HA:
Herr Resch, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für ein Gespräch. Es war mir wichtig, einmal direkt mit einem Vertreter der DUH zu sprechen, weil die Organisation sich für uns häufig so zwiespältig darstellt. Einerseits legen Sie bei den Großen den Finger in die Wunden, was ich wichtig finde. Andererseits wenden Sie sich dann gegen Kleinere, wie zum Beispiel Autohändler und Blogger, mit Abmahnungen wegen fehlender Energieeffizienzlabel-Ausweisungen. Wie kommt das zustande?

Jürgen Resch:
Wir setzen uns einfach dafür ein, dass Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze eingehalten werden. Konkret verfolgen wir stichprobenhaft Verstöße in 20 Produktgruppen, dabei geht es beispielsweise um stark erhöhte Quecksilberwerte in Lampen oder zu hohe Emissionen von Gartengeräten und die NOx- oder CO2-Emissionen von Pkw. Ausgerechnet die Autoindustrie läuft Sturm dagegen, dass wir sie kontrollieren. Korrekte Angaben des CO2-Ausstosses und der Energieeffizienz sind eine der vier rechtlichen offiziellen Säulen der EU-Klimaschutzpolitik. Sie sollen dem Verbraucher ermöglichen, sich beim Kauf für CO2-sparsamere Fahrzeuge zu entscheiden. Das gelingt nur, wenn die Angaben inhaltlich stimmen und korrekt dargestellt werden.

Ich bin immer wieder fassungslos, wie die Automobilbranche es geschafft hat, dass sie von den zuständigen Landes- wie Bundesbehörden faktisch nicht kontrolliert wird und nun fordert, dass wir oder andere Verbraucherverbände sie ebenfalls nicht kontrollieren sollen. Wohin dies führt, zeigt uns der Dieselabgasskandal.

Es stimmt übrigens nicht, dass wir gegen private Blogger vorgehen. Wenn allerdings Hersteller wie Peugeot-Citroen oder Autohändler in ihrem Firmenauftritt in den sozialen Medien Werbung für Fahrzeuge machen, dann muss selbstverständlich auch hier korrekt über CO2 und Energieeffizienz informiert werden. Im Februar dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof eine von der DUH herbeigeführte vorausgegangene nationale Entscheidung zur Kennzeichnungspflicht von Youtube-Werbefilmen bestätigt.

HA:
Können wir als ein anderes Beispiel über Ihre Untersuchung eines BMW 320d sprechen? Der Beitrag im ZDF wirkte tendenziös, mit viel zu hohen Drehzahlen, als ob mit Gewalt passende Messwerte provoziert werden sollten.

Jürgen Resch:
Gemeinsam mit dem ZDF, TÜV Nord und ICCT stehen wir zu den jeweils durchgeführten Messungen und den gefundenen Abschalteinrichtungen. Und zwischenzeitlich hat selbst das Kraftfahrtbundesamt aufgrund früherer DUH-Untersuchungen am 750d BMW des Betrugs überführt. Mit viel Theaterdonner hat BMW im Dezember 2017 versucht, davon abzulenken, dass wir ihren Vorstandschef der Lüge überführt haben. Der hatte nämlich auf der IAA im Frankfurt 2017 behauptet, dass BMW überhaupt keine Abschalteinrichtungen verwendet.

Weder das ZDF noch DUH haben auch nur ein Komma oder gar eine Zahl in den Pressetexten oder den über die Mediathek immer noch abrufbaren Film ändern müssen. Wir haben an diesem Fahrzeug gleich mehrere ‚defeat devices‘ dokumentiert. Nicht erst bei über 4000 – nein, bereits bei innerstädtischen Beschleunigungen und Motordrehzahlen von 2000 U/min steigen die NOx-Emissionen dramatisch an. BMW entfaltete zwar ein Entrüstungsfeuerwerk in den Medien, ging aber in keinem einzigen Punkt rechtlich gegen uns vor. Wenn wir fehlerhaft gemessen hätten, wäre das passiert. Wahrscheinlich wollte sich der bayerische Motorenbauer keine blutige Nase vor Gericht holen: Daimler und VW haben zum Beispiel versucht, DUH-Veröffentlichungen durch gerichtlich erwirkte einstweilige Verfügungen zu verhindern. Beide Rechtsstreitigkeiten haben wir gewonnen.

Zu den Messungen selbst: Bei gleichem Norm-Fahrzyklus NEFZ, einmal auf der Straße und einmal auf der Rolle gefahren, liegen die NOx-Emissionen exakt um den Faktor 7,2 auseinander. Wenn wir dann den NEFZ um 10 Prozent schneller fahren – starker Anstieg der Emissionen insgesamt – bleibt es interessanterweise beim nicht technisch zu erklärenden Faktor 7,2 zwischen Straße und Prüfrolle. Die Euro-6-Grenzwerte erreicht dieser BMW 320d offensichtlich nur nach einer sehr aufwendigen Vorkonditionierung und Prüfstandsvorbereitung. Das ist technisch nicht weiter verwunderlich: Mit einem NOx-Speicherkat ohne SCR-Kat werden die Euro-6-Grenzwerte auf der Straße im Realbetrieb häufig besonders stark überschritten, beispielsweise bei stärkeren Beschleunigungen oder längeren Leistungsabrufen (Messungen des ICCT).

Zwischenzeitlich ist BMW des Betrugs überführt, bei 11.700 Luxuslimousinen wie dem 750d. Nach unseren alarmierenden Messungen von vor einem Jahr übergaben wir unsere Messprotokolle dem Kraftfahrtbundesamt und forderten die Behörde auf, nachzumessen und gegen diesen besonders dreisten Verstoß vorzugehen. Es dauerte dann fast ein dreiviertel Jahr, bis ein BMW für den amtlichen Nachtest gefunden wurde. Interessanterweise meldete sich der Hersteller beim Amt und wollte vor dem Test eine Servicemaßnahme durchführen. Erst als das KBA diese verweigerte, gab BMW zu, seit sechs Jahren bei diesem und einem anderen Luxus-Diesel eine fehlerhafte Software einzusetzen. Und BMW wusste spätestens seit Herbst 2015 von der Betrugssoftware. Der Eigner des Fahrzeugs konfrontierte BMW mit den gemessenen, extremen NOx-Werten, die BMW unter Hinweis auf die amtliche Zulassung des Fahrzeugs ignorierte.

HA:
Wenn Sie in Ihren Messungen des 320d wirklich den NEFZ mit den üblichen Drehzahlen des Automatikgetriebes nachgefahren sind, ist der ZDF-Beitrag aber sehr irreführend geschnitten.

Jürgen Resch:
Wir haben gemessen, das ZDF hat eigenständig den Beitrag gestaltet. Der ZDF-Bericht ist aber inhaltlich korrekt. BMW hat sich für seine Kritik eine Abschaltung bei 4000 Motorumdrehungen herausgepickt, die angeblich in der Praxis kaum auftauche. Das ZDF hat in seinem Beitrag aber auch Überschreitungen bei normaler Fahrweise gezeigt. Hierzu schweigt BMW. Gehen Sie mal davon aus, dass wir bei BMW noch einiges zu diesem Fahrzeug hören werden. Mehr möchte ich hier nicht andeuten.