Rollende Provokation

Die Effizienz von Elektroantrieben sollte nicht dazu missbraucht werden, immer monströsere Autos zu bauen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Es passt wie die Faust aufs Auge: Auf „Konkret“ erschien ein brillanter Rant aufs SUVs, und nun stellt Daimler sein neues Elektroauto vor. Es ist – Überraschung! – ein SUV. Zweieinhalb Tonnen, die der Fahrer mit 300 Kilowatt in fünf Sekunden auf Tempo 100 prügeln kann.

Um auf eine angebliche Reichweite von „über 450 Kilometer“ (allerdings nach dem luschigen NEFZ-Prüfverfahren) zu kommen, ist eine 80-kWh-Batterie mit einem Gewicht von 650 Kilogramm verbaut. Einmal laden braucht mehr Strom als mein Haushalt den ganzen Monat. Welch ein Irrsinn.

Den Stromverbrauch beziffert Daimler auf 22,2 kWh/100 km nach NEFZ. (Das würde dann rechnerisch nur noch eine Reichweite von 360 Kilometern bedeuten, aber geschenkt.) Beim derzeitigen deutschen Strommix mit knapp 500 g CO2/kWh entspricht dies circa 110 Gramm CO2 pro Kilometer. Das klingt für einen solchen Panzer zwar nicht schlecht, wirft aber zwei Fragen auf. Erstens: Wie sieht's in der Praxis aus? Zweitens: Sollte nicht auch der Energieverbrauch von Elektroautos in irgendeiner Form gedeckelt oder auf den Flottenverbrauch angerechnet werden? Schließlich nutzt es niemandem, wenn die größere Effizienz von Elektroantrieben vor allem dazu missbraucht wird, immer monströsere Autos zu bauen.

Selbst wenn der Akku ausschließlich mit Ökostrom geladen wird: Jede Kilowattstunde kann nur einmal verbraucht werden, und die Frage ist, ob sie nicht anderswo im System besser untergebracht wäre – etwa, um Kohlestrom zu ersetzen. Wir sollten uns abgewöhnen, so zu tun, als sei Energie aus erneuerbaren Quellen gewissermaßen geschenkt und könne unbeschwert verbraten werden, nur weil sie CO2-frei hergestellt wurde. Sie kostet ebenfalls Ressourcen in Form von Platz, Rohstoffen und so weiter. Vom Ressourcenverbrauch für die Batterie ganz zu schweigen.

Ich weiß, für all diese spaßbefreiten Ökorechnereien interessieren sich typische SUV-Kunden ungefähr so brennend wie Rechtsradikale für die Menschenrechte. Durch den „Kauf der buckeligen Blechberge“ haben sie ohnehin bereits einen „eklatanten Mangel an Urteilskraft“ manifestiert, wie Johannes Vincent Knecht in „Konkret“ schreibt.

Der Rest der Menschheit braucht sich trotzdem nicht mit diesen rollenden Provokationen abzufinden. Vielleicht würde es helfen, jedem Zulassungsantrag noch einen separat zu unterschreibenden Passus einzufügen, der in etwa lautet: „Ich gebe hiermit klar und deutlich zu Protokoll: Meine Umwelt ist mir vollkommen schnuppe.“

(grh)