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Autonomes Fahren: Neue Wege in der Lidar-Technik

Kaum ein Selbstfahrer-Prototyp fährt ohne Lidar-System. Doch die Entfernungsmessgeräte haben ihre Schwächen, vor allem in der Fernsicht. Luminar geht dieses Problem an: Mit mehr Laserleistung und einer flexibleren Laserführung

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Autonomes Fahren 4 Bilder

(Bild: Luminar)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Kein auf vollautomatisches Fahren ausgelegter Prototyp kommt ohne Lidar-System aus, das punktweise Entfernungen misst. Bei entsprechend umsichtiger Montage des Sensors klappt das rundum 360 Grad. Die Technik existiert seit vielen Jahren. Die Hersteller arbeiten derzeit hauptsächlich daran, die Geräte so klein und billig zu konstruieren, dass sie für den Serienbau taugen. Die Erkennungsqualität wird dadurch eher sinken als steigen. In der Objekterkennung gibt es jedoch ein grundsätzliches Problem: Lidar-Scanner sind eher kurzsichtig. Die Firma Luminar will hier Abhilfe schaffen mit einem System, das auf deutlich größere Entfernungen Objekte erkennt.

Aktueller Stand

Der Stand der Lidar-Technik schaut grob so aus: Derzeit meistens 64 Laser schicken Licht aus. 64 dazugehörige Sensoren messen Abstände zwischen dem Sensor und dem reflektierenden Punkt. Die Abstände errechnen sich aus der Phasenverschiebung des reflektierten Lichts, aus der die Steuereinheit in Kombination mit der konstanten Lichtgeschwindigkeit die Lichtlaufzeit errechnet. Die Konstruktion dreht sich, sodass sie beliebig große Sichtwinkel bis 360 Grad erfasst. Aus den 64 Laser-Sensor-Einheiten ergeben sich damit 64 Zeilen vertikale Auflösung. Die horizontale Auflösung ergibt sich aus der Sende-Empfangs-Frequenz der Entfernungsmesser. Ein Velodyne HDL-64E schafft beispielsweise bis gut 34.000 Punkte pro Sekunde für jeden der 64 Kanäle.

64 Zeilen reichen im Nahbereich gut aus, um selbst grobe Gesten eines Menschen noch zu erkennen. Mit zunehmender Entfernung steigen jedoch die Abstände zwischen den Zeilen derart an, dass der Sensor schnell nicht mehr zwischen einem Menschen und einer Mülltonne unterscheiden kann. Velodynes derzeitiger Top-Sensor VLS-128 arbeitet daher zum Beispiel mit 128 Lasern, deren Strahlen sich in der Mitte des Sichtfelds konzentrieren, um dort eine bessere vertikale Auflösung zu erreichen.

Zur Auflösungsschwäche kommt, dass dunkle Objekte mit der für augensicheren Betrieb begrenzten Laserleistung nur schwer auf relevante Entfernungen erkannt werden. Und schließlich werden Interferenzen zunehmen. Derzeit kann sich ein Lidar recht sicher sein, dass Licht auf der ausgesendeten Wellenlänge selbst ausgesendet wurde. Das wird sich aber ändern, sobald sich ein halbes Dutzend Autonomobile an einer Kreuzung gegenseitig anglitzern. Auch direktes Sonnenlicht kann die Sensoren blenden.

Ziel: Fernsicht verbessern

Luminar hat sich das Ziel gesetzt, die Fernsicht zu verbessern. Das bedeutet: mehr Messpunkte in der Ferne. Schlicht die Auflösung zu erhöhen, würde sehr teuer werden. Stattdessen verwendet Luminar einen einzelnen Laser für alle Messpunkte. Dieser Laser wird nicht nur horizontal, sondern auch vertikal abgelenkt. Er fährt ein Sichtfeld von 120 Grad in Schlangenlinien ab. Die Steuerung kann Auflösung damit selektiv auf interessante Bereiche konzentrieren, in denen sie also mehr Messpunkte erzeugt. Hauptsächlich betrifft das den Blick in die Ferne; es funktioniert aber genauso für besonders interessante Vorgänge im näheren Umfeld. Luminar gibt eine maximale Auflösung von 250 Punkten pro Quadratgrad für die Mitte des Messbereichs an, also den Blickbereich gen Horizont.

Dazu kommt eine versprochene zehnfach höhere Reichweite. Luminar verwendet eine Wellenlänge von 1550 Nanometern statt der üblichen 905, damit sie die 40-fache Leistung der Leistung anderer Lidar-Systeme augensicher betreiben können (Laser Klasse 1). Luminars höhere Leistung hilft außer mit Entfernung und Erkennung schlecht reflektierender Objekte auch bei schlechten Sichtverhältnissen wie Schnee oder Nebel zu besserer Sicht.

Teurer

Dadurch, dass es nur einen Laser gibt statt 32, 64 oder 128, sinkt die Rate potenzieller Interferenzen fremder Sensoren. Direktes Sonnenlicht kann Luminar auf der verwendeten Arbeitsfrequenz besser herausfiltern. Die Kehrseite: Die hochsensible Empfänger-Fotodiode aus Indiumgalliumarsenid kostet deutlich mehr als die sonst verwendeten Sensoren. Hier hilft es, dass es nur einen Sensor pro Einheit gibt, mit einer Halbleiterfläche von etwa einem Erdbeersamen.

Luminar ist sich sicher, dass der Auflösungssprung dringend nötig ist, um die Technik autonomer Fahrzeuge überhaupt zuverlässig an den Markt zu bringen. Vier große Autohersteller testen bereits intensiv, darunter Volvo und Toyota. Der Preis muss am Ende dennoch passen. Luminar fertigt gerade die zweite Generation für den Serieneinsatz. Der Blickwinkel von 120 Grad bedingt, dass für einen Rundumblick 3 Stück kombiniert werden müssten. Die Kunden seien dennoch „recht zufrieden“ mit dem Preis.

Rohdaten des Luminar-Lidar, betrachtet mit einer virtuellen Kamera, um die Fernsicht besser zu demonstrieren:

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