Elektroautos: Eine Ladekarte für alle Ladestationen

Ein hessisches Unternehmen lockt mit einer beispiellos günstigen Karte für das Aufladen von Elektroautos scharenweise Kunden an und macht damit Verlust. Wie lange wird es das Angebot noch geben?

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"Unser Beitrag für den Markt"

(Bild: Maingau Energie)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Wer ein Elektroauto fährt, das nicht vom Marktführer Tesla stammt, hat ein Problem: Er kann zum Aufladen unterwegs nicht das schnelle Supercharger-Netzwerk nutzen, das der Elektro-Pionier aufgebaut hat. Zwar gibt es einen bunten Strauß kleiner und großer Anbieter von alternativen Ladestationen, und seit 2016 ist vorgeschrieben, dass sie gegen einfache Bezahlung jeden an ihre Säulen lassen müssen. Aber ohne präzise Vorbereitung kann man wegen des Anbieter-Wildwuchses kaum wissen, wie hoch der Preis pro Kilowattstunde ausfallen wird – bisweilen ist er zehnmal so hoch wie zuhause oder an günstigeren Stationen.

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Derlei Durcheinander ist auf neu entstehenden Märkten keine Seltenheit – ebenso wenig wie die Tatsache, dass dann Unternehmen kommen, die Lösungen dagegen entwickeln. Im Fall von öffentlichen E-Ladestationen ist einer der interessantesten Anbieter in diesem Bereich Maingau Energie aus Hessen: Er bietet eine Ladekarte, deren Nutzer an 60 eigenen und rund 7000 Partner-Säulen bundesweit immer zum selben Preis laden können – 5 Cent pro Minute. An einer schnellen 100-kW-Säule kostet die Kilowattstunde also nur etwa 3 Cent.

Wenn es dieses Angebot nicht gäbe, wäre Maingau wahrscheinlich nur einer von vielen ehemals lokalen Energie-Versorgern in Deutschland, die sich heute im bundesweiten Wettbewerb bewähren müssen. Das Unternehmen ist hervorgegangen aus dem 1907 gegründeten Gasversorgungsverband Obertshausen, 2002 wurde es zur heutigen Maingau Energie GmbH, die seit 2007 neben Gas auch Strom anbietet. Gesellschafter sind mehrere Stadtwerke und zu knapp 50 Prozent die zwei innogy-Mehrheitsbeteiligungen Rhenag und Süwag.

Dass Maingau heute die „einfach Strom laden“-Karte anbietet und dass auf dem Hof des Unternehmens mehrere blau-gelbe Ladestationen und viele ebenfalls blau-gelbe Elektroautos für den Mitarbeiter-Pool stehen, ist laut Vertriebsleiter Dominik Habig nicht zuletzt auf die „Begeisterung unseres Geschäftsführers für Elektromobilität“ zurückzuführen. Vor etwa zwei Jahren begannen die Planungen für die Lade-Karte, mit der Absicht, „unsere Stärken bei Massen-Prozessen zu nutzen und mit einfachen Preisen allgemeinen Zugang zu Ladesäulen zu ermöglichen“.

Weil Maingau nur in seiner angestammten Region eigene Stationen aufbaut, bedeutete das, Verträge mit vielen anderen Anbietern von Lademöglichkeiten zu schließen – die Endkunden bezahlen also jeweils an Maingau, im Hintergrund aber wird mit dem jeweiligen Betreiber abgerechnet. Leider, so Habig, ist aber nicht jeder davon bereit, Fremdkunden an seine Infrastruktur zu lassen. Insbesondere manche Stadtwerke würden „immer noch in Grenzen denken“. Eine gesetzliche Pflicht zur Öffnung für Drittanbieter besteht, anders als für das Stromnetz allgemein, noch nicht.

Trotzdem kommt Maingau laut Habig inzwischen auf 23.000 Partner-Stationen in Deutschland, den Niederlanden und Österreich. Die einheitliche Karte dafür gibt es seit Anfang dieses Jahres, und angesichts der günstigen Konditionen (Haushaltsstrom- und Gas-Kunden von Maingau zahlen sogar nur 2 Cent pro Minute) ist nicht verwunderlich, dass sie bestens ankommt: Ganz ohne Werbung, berichtet Habig, habe man bis Oktober eine fünfstellige Zahl an Ladekarten-Kunden gewonnen. Ihn selbst habe das „schon überrascht“. Angepeilt seien zunächst nur 1500 Kunden bis Jahresende gewesen.

Aber wie lange wird sich dieses Wachstum fortsetzen, und vor allem: Wie lange kann Maingau den niedrigen Preis noch anbieten? Immerhin muss das Unternehmen in vielen Fällen dem jeweiligen Säulen-Partner ein Vielfaches von dem bezahlen, was es seinen Kunden in Rechnung stellt; kostendeckend dürfte das Angebot außer an den eigenen Ladesäulen fast nirgendwo sein.

„Es steckt gar keine riesige Kalkulation hinter den Preisen“, räumt Vertriebsleiter Habig freimütig sein. „Wir wollten einfach das Thema fördern und einen Anreiz für die Anschaffung von Elektroautos bieten; außerdem wollten wir andere Anbieter dazu bringen, vernünftigere Preise zu nehmen. Bislang machen wir Verlust damit. Das ist sozusagen unser Beitrag für den Markt.“

Andere würden diesen „Beitrag für den Markt“ vielleicht eher als geschickt eingesetztes Marketing-Budget verstehen, aber die Kunden dürfte eher interessieren, wie lange sie davon noch profitieren können. Allzu lang dürfte das nicht mehr möglich sein, wie Habig durchblicken lässt: „Es gibt derzeit bei uns Diskussionen, wie wir ein gutes Preissystem für alle Kundengruppen gestalten können. Ich gehe davon aus, dass wir 2019 die Preise anpassen werden.“ Etwa 30 Cent pro Kilowattstunde bezeichnet er dabei als „Untergrenze“ für Endkunden, wenn es keine staatlichen Förderungen gibt.

Mit den Niedrigpreisen bei Maingau könnte es also schon im Januar vorbei sein. Trotzdem, kündigt Habig an, wolle man weiter der „attraktivste“ Anbieter bleiben. Und tatsächlich wäre wohl schon eine Karte, die ohne preisliche Überraschungen genügend Lade-Möglichkeiten in ganz Europa erschließt, eine Verbesserung gegenüber der heutigen Situation. Es sei denn natürlich, man fährt einen Tesla.

(sma)