Drei Jahre Scherben kehren

Kalendertürchen: Joachim Milberg

Joachim Milberg wollte angeblich nie BMW-Chef werden. Doch außer ihm gab es niemanden, damals 1999, und so fegte er halt die Scherben zusammen, der unterschätzte Herr Professor

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BMW, Rover 4 Bilder
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn

Vorausgeschickt werden sollte die allergrößte Hochachtung. Denn Joachim Milberg hat, noch bevor er 1993 zu BMW wechselte, einen bemerkenswerten Lebenslauf hingelegt. Von der Realschule ging es in eine Lehre zum Maschinenschlosser, von da zum Studium der Fertigungstechnik in Bielefeld. Es folgte ein Studium als Stipendiat in Berlin und eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent. 1971 wurde er zum Doktor-Ingenieur.

Moment. Es ist noch nicht vorbei. Er wechselte zur Firma Gildemeister AG – dort hatte er einst (von 1959 bis 1962) seine Ausbildung gemacht. Jetzt fing er dort als Leiter des Geschäftsbereichs „Automatische Drehmaschinen“ an. 1981 wurde er Hochschullehrer für Werkzeugmaschinen und Betriebswirtschaft an der TU München. Und damit war er der Herr Professor. Und hatte es eigentlich geschafft.

Ganz uneigentlich aber wechselte er 1993 zu BMW und bekleidete den Posten des Produktionschefs. Schon dieser Karriereschritt kam damals etwas überraschend. Doch Milberg war stets einer, der die Herausforderung suchte. Geradlinig und solide, ja, aber immer mit Drang nach vorne.

Kein Mann der großen Töne

Den konnte er bei BMW ausleben. Er steigerte die Qualität und Flexibilität der Werke massiv und zog das erste Produktionswerk im Ausland hoch – in Spartanburg/USA. Milberg fiel nie besonders auf und das darf durchaus positiv verstanden werden. Emotional wurde er nie. Milberg ist ein Techniker, präzise und fleißig. Kein Mann der großen Töne.

Doch dann griff Bernd Pischetsrieder 1994 historisch tief ins Klo. Der damalige BMW-Chef übernahm Rover. Ein Unternehmen, das zwar auch die Marken Mini und Land Rover im Portfolio hatte, das ansonsten aber zu nichts mehr zu gebrauchen war. 1999 keimte diese Erkenntnis auch in Pischetsrieder. Er musste gehen. Als Nachfolger hatte sich schon der eher extrovertierte Entwicklungschef Wolfgang Reitzle in Stellung gebracht. Der hatte sich jedoch zu viele Feinde im Aufsichtsrat gemacht und trat zurück.

Joachim Milberg blieb übrig. Er, der Schlosser, der Herr Professor, der Techniker, sollte jetzt einen Weltkonzern leiten und das Rover-Debakel managen. Das ging erst einmal schief. Er schätzte die Situation völlig falsch ein und glaubte, Rover sanieren zu können, was er auch gleich öffentlich versprach. In Summe wurden 4 Milliarden Euro investiert, geholfen hat es nichts. Nach nur wenigen Monaten in Amt und Würden schien es, als müsste Milberg schon wieder seinen Hut nehmen – Rover wurde für symbolische zehn Pfund an Phoenix-Venture-Group verkauft, Mini blieb bei BMW, Land Rover ging an Ford.

Mit Qualität zum Rekordgewinn

Doch Milberg hielt sich an der Spitze. Auch, weil er drei Vorstandsmitglieder rauswarf, die in Opposition zu seinem Kurs gehen wollten. Er zeigte Stärke. Von da an war der Weg des Joachim Milberg bei BMW eine einzige Parade. Die neuen Modelle hatten Pischetsrieder und Reitzle schon angeschoben. Genauso wie das Formel-1-Engagement.

Aus einem Jahresverlust von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 1999 machte Milberg einen (damals noch) Rekordgewinn von 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2001. Milberg hatte das erreicht, indem er auf Qualität statt Quantität setzte. BMW fokussierte sich wieder darauf, Mercedes in der Premiumklasse Konkurrenz zu machen. Als er auf der Jahreshauptversammlung 2002 das Ergebnis präsentierte und seinen Rückzug ankündigte, hatte er – auch wegen des Jubelsturms – Tränen in den Augen. Derart emotional hatte die Öffentlichkeit Milberg noch nie erlebt.

(chlo)