Wer Visionen hat, soll zum Arzt

Mary Barra: Die drei großen Krisen

Die erste große Krise brachte Mary Barra an die Spitze von General Motors. Die zweite festigte diese Position. Jetzt steht vielleicht bald die dritte an

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Mary Barra 3 Bilder
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn

Es war ein ruppiger Start, den Mary Barra an der Spitze von General Motors hinlegte. Kaum war sie im Januar 2014 CEO von General Motors, schon musste sie das Zündschlossdebakel managen. Weil sich die Fahrzeuge einfach abschalteten (inklusive Servolenkung, Airbag und Bremskraftverstärker) kam es zu 80 tödlichen und 148 nicht tödlichen Unfällen. Vor Schadensersatzklagen war GM allerdings aufgrund des Konkurses von 2009 größtenteils sicher. Dass Barra aus der Angelegenheit unbeschädigt rauskam grenzt an ein Wunder. Schließlich war sie zuvor Leiterin der Produktentwicklung.

Barra arbeitete schon als Teenager bei GM und lernte Elektroingenieurin. Sie fiel dem Management auf – viele Frauen gab es in den Autofabriken ja auch nicht – und kam in ein High-Potential-Programm. In den darauffolgenden fast 30 Jahren konnte sie sich in dem Konzern nach oben arbeiten, bis sie die große Krise der Firma 2009 inklusive Pleite und staatlicher Rettung an die Spitze der Personalabteilung spülte.

Dress appropriately

Sie hatte sich den Ruf erarbeitet unkompliziert und geradeaus zu sein. Die am häufigsten erzählte Geschichte, die es über Barra gibt, ist die vom Dresscode. Als sie in der Personalabteilung anfing, umfasste der zehn Seiten. Als sie ihn überarbeitet hatte nur noch zwei Worte: „Dress appropriately.“ (Kleiden Sie sich passend).

2011 kam die Beförderung zur Vice President of Global Product Development. Sie war für die Entwicklung des Chevrolet Impala und des Cadillac CTS verantwortlich. Zwei Fahrzeuge, die überzeugen konnten – sowohl die Kritiker als auch die Kunden. Als Dan Akerson seinen Rücktritt bekannt gab, erhielt Barra den Posten als CEO und wurde damit zur ersten Frau an der Spitze eines großen Autokonzerns. Eine Position die sie behaupten konnte, obwohl im Rahmen der Zündschloss-Problematik alsbald 30 Millionen Fahrzeuge zurückgerufen werden mussten und obwohl ihre Ernennung für viele eine Provokation war.

Denn es war Akerson, der sie an die Spitze holte. Und Akerson war der Mann, der von der US-Regierung beauftragt worden war, den Pleite-Laden auf Vordermann zu bringen. Er war in der Szene verhasst, aber er machte seinen Job gut. Seine Gegenspieler hätten lieber Mark Reuss als CEO gesehen – der macht jetzt als Chef der Produktentwicklung den Karriere-Sprungbrett-Job von Barra.

Hart durchgegriffen bei Opel

Der Unterschied, so sehen es Experten, ist der, dass Reuss ein Visionär und Träumer sei. Barra eine bodenständige Macherin. Die Abläufe müssen effizient sein, die Autos funktionieren. Und wenn nicht, dann wird hart durchgegriffen. Wie bei Opel. Über die deutsche Marke sagte sie in ihrem ersten Jahr: „Opel ist eindeutig ein lebenswichtiger Teil unseres Unternehmens.“

2017 verkaufte sie dann Opel, eine Marke, die seit 1929 zu General Motors gehörte, an PSA. Kein Wunder. Zuletzt hatte Opel 1999 einen positiven Einfluss auf das Konzernergebnis. Den Turnaround schaffte die Marke auch nicht, nachdem 2013 Chevrolet aus Deutschland zurückgezogen wurde.

Das Jahr 2018 ist bisher eines, das von Stellenstreichungen und Kostensenkungsprogrammen geprägt ist. Vielleicht ist das nach 2009 und 2014 die dritte große Krise in der Karriere der Mary Barra. (fpi)