E mobilisiert

Batterie, Hybrid oder beides: Die Elektrischen in Genf 2019

E-Autos waren lange Zeit eine Möglichkeit, seine Innovationskraft in Studien zu demonstrieren. In Serie gingen nur wenige. 2019 bekennen sich auf der Automesse in Genf auch Großserienhersteller mit neuen Modellen zur E-Mobilität. Den größten Skaleneffekt über alle Marken erzielt Volkswagens E-Baukasten

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 23 Kommentare lesen
Genf unter Spannung: Die Elektrischen 19 Bilder
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Pillau

Elektroautos waren lange Zeit eine Möglichkeit, seine Innovationskraft in Studien zu demonstrieren. In Serie gingen nur wenige davon – einfaches Geld war auf dieser Basis nicht zu verdienen. Das ändert sich offenbar gerade: 2019 bekennen sich auf der Automesse in Genf auch Großserienhersteller mit neuen Modellen zur E-Mobilität. Der größte Skaleneffekt über alle Marken geht dabei – wenig überraschend – von Volkswagens E-Baukasten (MEB) aus.

Derart große Hersteller sehen allerdings erst seit einigen Jahren keine Alternative zu einem Engagement in der E-Mobilität mehr. Größter Treiber sind laut VDA-Präsident Bernhard Mattes die CO2-Ziele für 2030. Fast ruckartige Investitionen der Autoindustrie über die vergangenen Jahre führen dazu, dass heute plötzlich viel mehr Serienfahrzeuge mit E-Antrieb am Start sind. Über Jahre waren es Renault Zoe, Nissan mit dem Leaf und später Kia und Hyundai mit ihren elektrischen Modellen, die eine Art Fundament für die Batterieelektrischen bildeten.

Mehr als 300 weitere Modelle bis 2020

Den Weg zum Hybridantrieb ebnete Toyota schon vor mehr als 20 Jahren mit dem Prius. Europäische Hybridmodelle kamen erst in größerer Zahl, als sie zur Entlastung des Flottenverbrauchs gebraucht wurden. Die Gesetzgebung kam den Herstellern bei den Plug-In-Hybriden weit entgegen. Brachten die Hersteller 2018 mehr als 90 batteriebetriebene Autos und Plug-In-Hybride heraus, sollen bis 2020 mehr als 300 weitere Modelle dazukommen.

Insgesamt werden alternative Antriebsformen stärker, auch Gasfahrzeuge zählen zu den Hoffnungsträgern in der Branche. Am stärksten präsent auf der Genfer Messe ist 2019 allerdings eindeutig die E-Mobilität, größter internationaler Treiber ist China, dessen Regierung den Trend zum E-Auto einfach dekretiert. Aufgrund bindender E-Auto-Quoten ist es nicht verwunderlich, dass dort der Markt für E-Mobile im vergangenen Jahr um rund 85 Prozent wuchs. In Europa waren es – bei geringeren Anreizen wie den staatlichen Elektroauto-Prämien oder einer geänderten Abschreibung für Firmenwagen – immer noch beachtliche 38 Prozent.

Deutschland hält Platz vier

Der McKinsey Electric Vehicle Index (EVI) weist zudem aus, dass von den zwei Millionen verkauften E-Fahrzeugen 56 Prozent in China angemeldet wurden. Deutschland kommt auf Platz vier. Hier wurden 2018 knapp über 70.000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen, entsprechend einem Marktanteil von 1,9 Prozent. Platz eins hält China mit 1,1 Millionen E-Autos oder 3,9 Prozent, gefolgt von den USA mit 360.000 oder 2,1 Prozent. Den dritten Rang erreicht dank massiver staatlicher Förderung das kleine Norwegen, wo immerhin 74.000 E-Autos verkauft wurden. Rekord im Anteil: 39,3 Prozent.

Der Anteil Deutschlands der weltweiten E-Auto-Produktion wird laut EVI von heute 14 Prozent auf rund ein Viertel im Jahr 2024 ansteigen. VDA-Präsident Bernhard Mattes verkündete vor dem Genfer Salon, man werde „über 40 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren, weitere 18 Milliarden Euro werden in die Digitalisierung und das vernetzte und automatisierte Fahren investiert“. Volkswagen will bis Mitte 2025 jährlich drei Millionen E-Autos fertigen, etwa ein Viertel der gesamten Produktion.

Um derweil den MEB mit seinen Milliardeninvestitionen schneller profitabel zu machen, soll er für andere Hersteller geöffnet werden, Volkswagen verhandelt aktuell mit Ford. Als erster Plattform-Partner wird die Ego Mobile AG aus Aachen auf Basis des MEB produzieren. Die Studie zu einem elektrisch angetriebenen Buggy auf MEB-Basis darf als Einladung an weitere potenzielle Abnehmer (oder Lizenznehmer) verstanden werden, mit dem MEB ganz eigene Ideen zu verwirklichen. Auch Peugeot, ein weiterer europäischer Großserienhersteller, mit seinen Marken Citroën, Opel und DS plant eine Elektro-Offensive: Ab Herbst 2019 sollen alle Modelle entweder als batterieelektrische oder Plug-In-Hybrid-Variante angeboten werden.

Nischenhersteller im Aufwind

Mit im Aufwind befinden sich allerdings auch ganz kleine Nischenhersteller. Ihre Chance besteht darin, dass alle Teile für ein E-Auto kaufbar sind und keine teure Eigenproduktion von Antriebstechnik aufgebaut werden muss. Das erinnert an die erste Blüte der Auto- und Motorradproduktion vor rund 100 Jahren, als es unzählig viele Marken gab, die ein unüberschaubares Angebot ermöglichten, doch letztlich oft mit weitgehend standardisierter Technik unter der Karosserie.

Der heute wieder einmal niederschwellige Einstieg sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine spätere Marktbereinigung wohl Druck bei den jetzt neu entstehenden E-Mobil-Marken auslösen wird. Wie vor Jahrzehnten dürften nur die kräftigsten übrig bleiben. Das Gute an diesem Prozess ist allerdings, dass vieles hinterfragt und neu gedacht wird, auch das Auto an sich. Während Sono bei seinem Sion Solarzellen in die Karosserie baut, versucht sich e.Go an einer Minimierung der Verkehrsfläche. Auch große Marken beteiligen sich daran, Neues zu denken, wie Citroëns Vorschlag eines zweisitzigen Leichtkraftwagens, der Ami One, zeigt. Wäre doch auch zu langweilig, wenn es bei den E-Mobilen bald nur wieder um Prestige, Status, modische Präsenz, Überhol-Power und generell Leistung ginge. Nicht nur langweilig wäre das: Damit würde eine große Chance der E-Mobilität, eine neue intelligente Leichtigkeit (in der Nutzung, leider nicht des Gewichts), einfach verpasst. (fpi)