KI für die Logistik: Start-up will Leerfahrten reduzieren

Millionen Lkws sind in Europa unterwegs. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz ließe sich ihre Zahl um ein Viertel senken – wenn die Politik mitspielt.

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Mehr Fracht, weniger Verkehr

Rolf-Dieter Lafrenz will Lkw besser auslasten - und dadurch den Verkehr reduzieren.

(Bild: Cargonexx)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Daniel Hautmann

Nach einer EU-Studie von 2014 fährt jeder fünfte Lkw leer oder nur teilbeladen, im Inlandsverkehr sogar jeder Vierte. Von den jährlich 33 Milliarden Lkw-Kilometern auf deutschen Fernstraßen sind also ein paar Milliarden ziemlich sinnlos. Bei einer Branche, die für rund 30 Prozent der verkehrsbedingten CO2-Emissionen verantwortlich ist, ist das auch ein Klimaproblem.

TR 5/2019

Technology Review Mai 2019

(Bild: 

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Um daran etwas zu ändern, gründete Rolf-Dieter Lafrenz das Start-up Cargonexx. Er will, dass jede Ladung ihren Lkw findet – und umgekehrt, berichtet er in der neuen Mai-Ausgabe von Technology Review. Entsprechende Frachtenbörsen gibt es zwar längst, doch die sind ausgesprochen unübersichtlich. Disponenten müssten Hunderttausende Fahrten, Ladungen und Routen im Blick behalten, um wirklich die beste Möglichkeit zu finden. Der Grund ist vor allem die Kleinteiligkeit der Branche: Rund 700.000 Speditionen gibt es in Europa, mit im Schnitt je fünf bis sieben Lkws. Selbst Marktführer DB Schenker hat nur drei Prozent Marktanteil. Fax und Telefon seien noch immer die Kommunikationsmittel der Wahl.

Bei Cargonexx übernimmt das Disponieren eine künstliche Intelligenz. Trainiert wird sie mit Daten der Spediteure, die auf der Vermittlungsplattform ihre Dienste anbieten. Daraus sagen Algorithmen vorher, wann welche Fracht wo zu welchem Preis unterwegs sein wird. In Bruchteilen von Sekunden können sie einen Platz in einem Lkw zu einem festen Preis garantieren, ohne ihn in diesem Moment tatsächlich gebucht zu haben. "Wir schauen in die Zukunft und arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, die sich aus Erfahrungswerten der Vergangenheit speisen", sagt Lafrenz. Fuhr etwa ein Laster in den vergangenen Monaten von München regelmäßig teilbeladen nach Heidelberg, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er das auch in Zukunft tun wird. Lafrenz kann den Laster beim nächsten Mal vollpacken.

Derzeit hat Cargonexx rund 200 Kunden sowie ein Netzwerk aus über 6.000 Spediteuren mit mehr als 80.000 Lkws. 155.000 Tonnen Ladung haben sie 2018 bewegt. Im Laufe des Jahres sollen 100 neue Leute eingestellt, die gefahrenen Kilometer der verbundenen Flotte verdreifacht werden. "Je mehr Routen wir bedienen, desto eher können wir Aufträge verknüpfen und Leerfahrten vermeiden", sagt Lafrenz. "Unser Ziel ist es, 100.000 Tonnen CO2 pro Jahr zu vermeiden."

Die Branche selbst schätzt das Potenzial jedoch kleiner ein. Viele Leerfahrten ließen sich nicht vermeiden, weil Ladungen oft nur in eine Richtung unterwegs seien, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. Tanklastzüge für Milch oder andere Lebensmittel lassen sich auf der Rückfahrt nicht mit Chemikalien beladen. Ähnliches gilt für Speziallaster, die beispielsweise Windkraftflügel transportieren. "Bei null Prozent Leerkilometeranteil wird keiner landen", meint Bulheller.

Auch EU-Regularien stehen dem entgegen. Die sogenannte Kabotage etwa ist ein Gesetz, das die Erbringung von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ausländische Unternehmen regelt. Erlaubt sind im Anschluss an eine Lastfahrt in ein Zielland maximal drei Fahrten in sieben Tagen. Eine ausländische Spedition muss ihre Routen also so legen, dass der Fahrer nach spätestens drei Touren eine Grenze passiert. Gelingt dies nicht, kann es sein, dass er leer nach Hause fährt. "Protektionismus ist ein Riesenthema. Logistisch und umweltschutztechnisch gesehen ist das ziemlicher Unfug", sagt Bernhard van Bonn vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik.

Mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Technology Review (ab sofort im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich). (jle)