Ostprodukt

Harley-Davidson made in China

Harley plant, in Kooperation mit dem chinesischen Partner Quianjiang Motorcycle Co (QJ) ein Modell für den asiatischen Markt zu bauen. Das erste von Harley-Davidson veröffentlichte, am Computer retuschierte Bild des Prototyps zeigt eine modifizierte Benelli BN 302

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Harley-Davidson wird in China Motorräder bauen. Nachdem die amerikanische Marke seit Jahren mit deutlich fallenden Verkaufszahlen kämpft und kaum noch Gewinn abwirft, hofft CEO Matt Levitch mit der Kampagne „More roads to Harley-Davidson“ wieder in die Erfolgsspur zu kommen. Seine neueste Idee ist, in Kooperation mit dem chinesischen Partner Quianjiang Motorcycle Co (QJ) ein Modell mit 338 cm3 für den asiatischen Markt zu bauen. Das erste von Harley-Davidson veröffentlichte, am Computer retuschierte Bild des Prototyps zeigt aber eine modifizierte Benelli BN 302. Die italienische Marke Benelli gehört seit 14 Jahren zum QJ-Konzern, wie auch diverse andere chinesische Motorradmarken.

QJ baut 1,5 Millionen Motorräder pro Jahr

Harley-Davidson will auf dem expandierenden asiatischen Markt Fuß fassen, weil der Heimatmarkt rapide wegbröckelt und die verkauften Stückzahlen in Europa sind zu klein, als dass sie die Marke wieder anschieben könnten. Zwar betreibt Harley-Davidson bereits seit 2011 eine Fabrik in Indien, wo sie diverse V2-Modelle für die asiatischen und europäischen Märkte produzieren und hat gerade erst eine weitere Fabrik in Thailand gebaut, ist aber nun überraschend einen Deal mit einem chinesischen Hersteller eingegangen. QJ baute alleine letztes Jahr über 1,5 Millionen Motorräder im chinesischen Wenling und verfügt über reichlich Erfahrung in der Motorradproduktion.

Sinkende Verkaufszahlen

Harley-Davidson hat über Jahrzehnte ausschließlich Chopper und Cruiser gebaut. Diese eingleisige Strategie rächt sich jetzt, denn die junge Generation an Motorradfahrern kann kaum noch etwas mit den schweren und teuren Modellen aus Milwaukee anfangen. Im Jahr 2007 produzierte Harley-Davidson 370.000 Motorräder und machte 252 Millionen US-Dollar Gewinn, bis 2018 sank der Verkauf auf nur noch 228.051 Motorräder und der Gewinn brach auf 422.363 US-Dollar ein – praktisch eine schwarze Null. Die Verkaufsprognose von Matthew Levatich für das Geschäftsjahr 2019 lautete: 217.000 bis 222.000 Motorräder. Man brauchte in Milwaukee dringend neue Ideen, deshalb ersann Levatich die Strategie „More roads to Harley-Davidson“, die eine Auffächerung der Produktpalette vorsieht. Darunter sind ein Adventure Bike, ein Streetfighter und sogar ein schweres Elektromotorrad namens LiveWire, die für 32.950 Euro angeboten wird. Auch will Harley-Davidson zukünftig kleine Elektrobikes für die urbane Mobilität konstruieren.

Harley-Davidson setzt auf Asien

Doch das sind alles Modelle in neuen Sektoren, bei denen man nicht weiß, ob sie von den Kunden in Amerika und Europa akzeptiert werden, schließlich ist die bereits etablierte Konkurrenz groß. Kurzfristigen Gewinn verspricht dagegen der riesige asiatische Markt, wo Motorräder mit kleinen Hubräumen millionenfach verkauft werden. Der größte Motorradmarkt der Welt ist Indien, wo 2017 über 17 Millionen motorisierte Zweiräder verkauft wurden. China ist der zweitgrößte Motorradmarkt, allerdings inzwischen rückläufig, weil viele Chinesen sich mittlerweile Autos leisten können. Er lag letztes Jahr bei etwa 15 Millionen produzierten Motorrädern, von denen ein nicht unerheblicher Teil ins Ausland exportiert wurde. Das größte Wachstum haben in China in letzter Zeit aber die Elektro-Roller erfahren, weil die Regierung in Peking Verbrennungsmotoren wegen der starken Luftverschmutzung aus den Ballungszentren heraushalten will.

Unter Zeitdruck

Es hätte zwar für Harley-Davidson nahe gelegen, sich einen indischen Partner zu suchen, wie es z. B. Honda, KTM, BMW, Triumph und Ducati bereits erfolgreich vorexerziert haben, doch dann hätte man das neue Modell in Milwaukee erst entwickeln müssen. Offensichtlich muss die neue, kleine Harley-Davidson aber schnell kommen, die Präsentation soll angeblich schon Ende 2020 stattfinden, da bleibt keine Zeit für eine eigene Entwicklung, die Jahre in Anspruch nehmen würde. Außerdem hat Harley-Davidson keinerlei Erfahrung mit Modellen außerhalb des Cruiser-Segments oder etwas anderem als V2-Motoren. Man hat in Milwaukee noch nie einen Alu- oder Gitterrohrrahmen, geschweige denn einen Reihenmotor konstruiert, bei QJ konnte man sich an einem bereits existierenden Motorrad bedienen.