Ewig gestrige Zukunft

Fahrbericht Moto Guzzi V85 TT

Mit der V85 TT beweist Moto Guzzi, dass auch auf Basis sehr konservativer Technik ein völlig neues Niveau von Kraftentfaltung und Laufkultur möglich ist. Das werden ernsthaft Fernreisende gern hören. Im Fahrtest erweist sich die TT als voll offroadtauglich und dürfte auch den Nostalgie-Fans gefallen

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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Mit der V85 TT beweist Moto Guzzi, dass auch auf Basis sehr konservativer Technik ein völlig neues Niveau von Kraftentfaltung und Laufkultur möglich ist. Das werden ernsthaft Fernreisende gern hören. Im Fahrtest erweist sich die TT tatsächlich als voll offroadtauglich und dürfte darüber hinaus auch den Nostalgie-Fans gefallen.

Moto Guzzi eilt der Ruf voraus, sehr konservativ zu sein. Innovationen beschränken sich, abgesehen von der Wandlerautomatik in der V1000 Convert (1975) und der ersten Großserien-Integralbremse in der 750 S3 ab 1976 meist auf Pflichten wie ABS oder Katalysator. Der Antrieb jedoch blieb seit 1967 im Prinzip kaum verändert. Das erste Modell mit dem heutigen Markenzeichen „längs eingebauter V2-Motor und Kardan“ war 1967 die nach einer Ausschreibung für einen Staatsauftrag entwickelte V7. Zunächst gab es die V7 nur als Behördenkrad, war aber auch als „zivile“ Variante bis 1976 erhältlich.

Nostalgischer Antrieb mit ungeahntem Potenzial

Weder technisch noch optisch groß verändert wurde die V7 im Zuge der Retrowelle 2009 neu aufgelegt und findet genau deshalb ihre Käufer, obwohl sie wegen der antiquierten Luftkühlung, und ihrer Steuerung mit Stoßstangen und Kipphebeln mit einem Leistungsmanko im Vergleich zu modernen Bikes leben muss. Oft hieß es, dass das der Preis für die Nostalgie sei. Doch Guzzis neue Reiseenduro erreicht trotz der geschmähten Uralttechnik immerhin knapp die 100 PS/Liter-Grenze, ohne an Problemen bei Kühlung oder den Lärmvorschriften zu scheitern.

Die V85 TT ist im Design der V65 TT aus den 1980er Jahren angelehnt: auffällig lackierter Rohrrahmen, großer Tank und – was uns besonders gut gefällt – ein hochgesetzter Kotflügel. Kein Entenschnabel oder eine zusätzliche Abdeckung über dem Vorderreifen, sondern ein authentischer Fender, wie er früher üblich war. Natürlich trägt auch die V85 TT den längs eingebauten, luftgekühlten 90-Grad-V2 mit einer untenliegenden Nockenwelle. Alles andere käme nicht in Frage, sonst würden die erbosten Guzzisti vermutlich das Werk in Mandello del Lario niederbrennen.

Man braucht allerdings kein Guzzisti zu sein, um dieses Krad als Fernreisemaschine interessant zu finden. Motor und Antrieb sind mechanisch so einfach aufgebaut, dass nicht viel kaputtgehen kann, und – falls doch – vieles ohne exotisches Spezialwerkzeug reparierbar ist. Die einzeln stehenden Zylinder gewähren einfachen Zugang zu Köpfen, Zylindern und Kolben ganz einfach ohne Demontage von Tank, Luftfilter oder gar Motor. Dank Kardan ist die zumal auf langen Reisen zerstörerische Wirkung von Sand und Schlamm auch kein Thema wie bei Motorrädern mit Ketten-Endantrieb.