Der Überlegene

Test: Audi e-tron 55 quattro

Der Audi e-tron 55 quattro ist das erste batterieelektrische Serienauto aus Ingolstadt. Er überzeugt bei Ladegeschwindigkeit, Fahrautomatisierung, Geräuschdämmung, Fahrwerksabstimmung und Detailqualität. Nur bei der Schnelllade-Infrastruktur ist Tesla besser

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Fahrbericht Audi e-tron 55 quattro 21 Bilder

(Bild: Schwarzer)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Ruhe, bitte! Die Dämmung der Geräusche von Wind und Fahrwerk im Audi e-tron 55 quattro ist hochwirksam. In Kombination mit dem vibrationsfreien Lauf der beiden Elektromotoren wird der Verkehrsalltag ausnehmend gelassen, kraftvoll und leise. Wie man hochwertig wirkende Autos baut, wissen die Audianer. In zwei Aspekten ist es ihnen außerdem gelungen, Überlegenheit zu dokumentieren: Bei der Ladegeschwindigkeit und der Fahrautomatisierung.

Rückblende: Als Audi 2013 mehrere Prototypen des R8 e-tron zur Ausfahrt auf dem Tempelhofer Flugfeld in Berlin bereitstellte, war der Ruf längst ruiniert. Vorsprung durch Technik? Das waren der Ur-Quattro, der Audi 100 TDI und der A2. Und vielleicht hätte der R8 e-tron eine Neuinterpretation des alten Anspruchs werden können, wenn der damalige Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer nicht sämtlichen Elektro-Ehrgeiz gestoppt hätte.

Jetzt also gibt es ein Serienprodukt. Endlich. Quattro modern ab 80.900 Euro. Der e-tron wird sofort als Audi erkannt. Er verbirgt die Außendimensionen von 4,90 Länge und 1,94 Breite gekonnt. Erst im direkten Vergleich mit daneben parkenden Autos fällt auf, wie groß der e-tron ist.

Trotzdem lässt sich der Audi e-tron spielerisch und leicht fahren, weil die Lenkung äußerst präzise ist. Die Mischung aus butterweichem Grundgefühl und Zielgenauigkeit ist ganz weit vorne. Und auch sonst fährt sich der e-tron entspannt. Beim ersten Losfahren muss man sich daran gewöhnen, dass es wie im BMW i3 (Test) keine Kriechfunktion gibt; das Auto bewegt sich also nicht, wenn der Fahrer das Bremspedal loslässt, sondern erst, wenn das Strompedal betätigt wird. Dann geht es druckvoll nach vorne – aber nicht überfallartig. Im Boost-Modus vergehen 5,7 Sekunden bis 100 km/h.

Vorsicht: Wegen des niedrigen Geräuschpegels ist man jederzeit in der Gefahr, die eigene Geschwindigkeit zu unterschätzen. Dazu kommt, dass der Tachometer sehr genau geht und bei per GPS gemessenen 130 nur 132 km/h anzeigt. Ein Blick auf die digitalen Instrumente oder das vorbildlich ablesbare Head-up Display hilft bei der Selbstregulierung.

Unaufdringliche Assistenzsysteme

Oder man lässt den e-tron einfach machen: Der Audi übernimmt die Geschwindigkeit aus der kamerabasierten Verkehrszeichenerkennung und greift zusätzlich auf die Daten aus der Kartennavigation zu. Das funktioniert verlässlich, reproduzierbar und fließend-natürlich statt abgehackt-maschinengesteuert: Der e-tron bremst vor einem Ortsschild rechtzeitig ab, nimmt Geschwindigkeit zurück, wenn hinter der langen Bundesstraßenkurve eine Reduzierung auf 70 km/h kommt, und er hält sich strikt an 30-Zonen. Auch ein „bei Nässe“-Schild erkennt die Kamera, gleicht die Daten mit dem Regensensor ab und reagiert entsprechend. So soll es sein – unauffällig und ohne den Drang zu wecken, das Assistenzsystem überstimmen zu müssen.

Ein weiteres repräsentatives und positives Beispiel der Fahrassistenten ist die automatische prediktive Rekuperation. Die Bremswirkung der Elektromotoren lässt sich per Hand an Lenkradwippen einstellen. Noch besser ist es auch hier, wenn man die Wahl der Rekuperationsstärke dem Auto überlässt. Ist die Straße frei, rollt der Audi mit Null dahin – das ist, als wäre bei einem Auto mit Verbrennungsmotor der Leerlauf eingelegt. Wenn aber zum Beispiel auf der Autobahn ein Fahrzeug einschert, bremst der e-tron deutlich stärker über den Elektromotor.