Messestau

Meinung: Wie hat die IAA noch eine Zukunft?

Zahlreiche Absagen von Herstellern und rückläufige Besucherzahlen machen der IAA nicht erst ist diesem Jahr zu schaffen. Nun sollen es neue Standorte und ein stark verändertes Messekonzepte richten. Hat das Aussicht auf Erfolg?

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IAA 2019, Klartext 18 Bilder
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Lorenz

Die IAA ist ins Gerede gekommen. In den vergangenen Jahren kamen ständig weniger Automobilhersteller zu dieser Messe, die einstmals zu den wichtigsten Veranstaltungen der Automobilbranche gehörte. Deshalb stellen die Automobilhersteller die IAA infrage, wie die dpa anlässlich der 68. IAA-Eröffnung vermeldet. Es ist ein guter Zeitpunkt, zu fragen, welche Gründe der Niedergang der ehemaligen Leitmesse hat und was man dagegen tun kann.

Das Automobil war vielleicht noch in jüngerer Vergangenheit sexier als es das heute ist. Es ist vor allem bei jüngeren, gut ausgebildeten Städtern eine Tendenz erkennbar, auf das eigene Auto zu verzichten. Trotzdem gehört das Auto mit dem heutigen Stand immer noch zu den Konsumgütern, für die in der westlichen Welt – nach dem Thema Wohnen – das meiste Geld ausgegeben wird. Im Moment steigen die Durchschnittspreise, die eine Privatperson für einen Neuwagen ausgibt noch und die Zulassungszahlen knicken nicht signifikant ein. Also das generelle Publikumsinteresse am Auto ist wohl nicht verebbt.

Konkurrenz CES

Zunehmend machen Elektronik-Messen wie die CES in Las Vegas oder der Mobile World Congress in Barcelona der IAA Konkurrenz, da die jungen Hipster das Auto oftmals ohnehin wie ein Smartphone auf Rädern betrachten. Inhaltlich sind Leitthemen wie Vernetzung und autonomes Fahren beim Consumer-Electronic-Messen gut aufgehoben. Außerdem findet man dort das zahlungskräftige Yuppie-Publikum, das sich ein vollvernetztes Auto leisten kann. Die Zusammenführung der Themenfelder Automobil, Zulieferer, Vernetzung etc. hat die IAA in den vergangenen Jahren allerdings auch immer versucht. Wobei man da sicher besser werden kann und sollte.

Kostenfaktor

Auch für die Automobilhersteller ist der Auftritt auf der IAA zunehmend zu einem erheblichen Kostenfaktor geworden. Volvo beispielsweise hat sich für einen Messeauftritt auf dem Genfer Automobilsalon entschieden. Genf und IAA rentiere sich jedoch nicht. In diesem Zusammenhang darf man dann aber auch fragen, ob die Frankfurter Messe nicht die Standgebühren nach unten korrigieren könnte. Es spricht viel dafür, dass man in den fetten Jahren ein wenig übertrieben hat.

Das gilt aber auch für die Automobilhersteller selbst. Muss man eine ganze Halle umbauen, eine Standlandschaft mit Rundstrecke konzipieren? Auch hier hat Volvo eine neue Lösung mit einer mobilen, wiederverwendbaren Standarchitektur mit wenig Modulen geschaffen. Für den Messebesucher kann es auch ein Vorteil sein, wenn man nicht allein für Mercedes eine Riesenhalle durchlaufen muss. Unter uns Journalisten ist gerade der Genfer Salon sehr beliebt, weil alles auf engem Raum stattfindet. Auf der IAA kommt man an einem Messetag dagegen oft gar nicht dazu, alles zu sehen.

Option Standortwechsel

Vielleicht muss man tatsächlich über eine andere Location als Frankfurt nachdenken, die nicht auf mehrere Hallen verteilt ist und publikumsfreundlicher zu begehen ist. Es kursiert der Vorschlag wechselnder Standorte, wie z.B. Berlin und Köln. Klar, dass da ein Sprecher der Frankfurter Messe entgegnet, „wir sehen einen Standortwechsel nicht als die richtige Antwort auf inhaltliche Veränderungswünsche.“ Nichtsdestotrotz muss sich Frankfurt bewegen, wenn die IAA dort eine Zukunft haben soll – nicht nur umgekehrt.

Inhaltlich kann man über Vieles nachdenken. Wenn Opel-Chef Michael Lohscheller, die Möglichkeit haben will, Autos direkt auf der Messe zu verkaufen, schadet das bestimmt nichts. Ob der Verzicht auf den Umweg über einen Händlerbetrieb, mehr Publikum auf die IAA bringen würde, ist meiner Meinung nach aber zweifelhaft.

Automesse der Zukunft

Gar nichts halte ich davon, eine Mobilitätsmesse aus der IAA zu machen. Ich bin überzeugt davon, dass die Automobilität auch in Zukunft einen großen Fächer an interessanten und attraktiven Themen bereitstellt. Allerdings kann man über eine Erweiterung auf Nutzfahrzeuge und/oder Caravans auch nachdenken. Ich möchte aber auf einer Automesse der Zukunft nichts über Züge oder E-Scooter hören.

Ich habe auch keine Lösung dafür, wie es mit der IAA am besten weitergehen soll. Aber ich bin nach wie vor an einer Autoleitmesse in Deutschland interessiert. Und der VDA sollte das auch sein. Es wäre sonst ein Armutszeugnis für die nach wie vor wichtigste Automobilindustrie, die die deutsche immer noch zu sein scheint. Gerne in Frankfurt, gerne auch woanders, gerne auch mit wechselnden Standorten. Vielleicht tut eine Rückbesinnung auf weniger Bling-bling und mehr Inhalt diesbezüglich auch gut. Oder man macht eine kombinierte Auto-Cebit. Jedenfalls ist es Zeit, dass die IAA wieder ins Gerede kommt – positiv.

In unserer Bilderstrecke haben wir Flops und Tops der IAA 2019 zusammengestellt - ganz subjektiv. (chlo)