VW optimiert Bus-Routen mit Quanten-Annealern

Auf dem Web Summit in Lissabon steuern Busse erstmals mit einer Verkehrsnavigation, die auf Quanten-Annealern berechnet wird. Wir sind eine Tour mitgefahren.

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VW optimiert Bus-Routen mit Quanten Annealern
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Volkswagen will den Verkehrsfluss in Städten optimieren. Zur Berechnung der optimalen Routen in Echtzeit arbeitet der Autohersteller mit D-Wave zusammen. Der kanadische Entwickler von Servern und Cloud-Dienstleistungen ist einer der ersten kommerziellen Anbieter von Quanten-Annealern. Diese sind darauf ausgerichtet, Optimierungsprobleme besonders schnell zu lösen.

Nachdem VW die Routen von 418 Taxis in Bejing in einer nachträglichen Simulation optimiert hatte, läuft in Lissabon anlässlich des Web Summit der erste Realtime-Test. Neun Busse pendeln auf drei Linien zwischen dem Stadtzentrum und dem Konferenzgelände. Für den etwa halbstündigen Trip nutzen sie ein Navigationssystem, dessen Routen auf einem Quanten-Annealer von D-Wave in Vancouver berechnet werden.

Im Cockpit der mittels VWs Quantum-Annealer-Projekt navigierenden Busse

(Bild: heise online / Hartmut Gieselmann)

Quanten-Annealer können als Vorbote des Quantencomputers betrachtet werden. Um die optimalen Routen zu berechnen, nutzt VW Verkehrsdaten von Here Maps. Die Busfahrer bekommen über ihr Navigationssystem auf einem Tablet alle zwei Minuten eine optimierte Route angezeigt.

Im Unterschied zu Google Maps berechnet das System den Einfluss, den jedes umgeleitete Fahrzeug auf den restlichen Verkehr haben wird. Bei einem Stau oder Verkehrsunfall werden etwa nicht alle Fahrzeuge auf dieselbe Ausweichroute umgeleitet, sondern auf die übrigen Straßen optimal verteilt, sodass ihre Fahrzeit möglichst kurz ausfällt.

In Vorabsimulationen hat VW berechnet, dass eine solche Optimierung die Fahrzeit aller navigierten Fahrzeuge um bis zu 20 bis 30 Prozent verkürzen kann. In der Realität hängt viel von der allgemeinen Verkehrssituation ab. Sind alle Straßen verstopft, hilft auch keine Routen-Optimierung per Quanten-Annealer.

Auf der Fahrt zum Web Summit verglichen wir die Route des Busses mit Berechnungen von Google Maps. Im Wesentlichen waren die Vorschläge identisch. Der VW-Algorithmus wählte jedoch an zwei Stellen Routen, die Google als "gleichschnelle Alternativen" markiert hatte.

Akternativrouten bei Google Maps

(Bild: heise online / Hartmut Gieselmann)

Dieser erste Feldtest soll zunächst beweisen, dass der auf Quanten-Annealer optimierte Algorithmus tatsächlich in Echtzeit funktioniert. Verbesserungen an die allgemeine Verkehrssituation sind durch ein solches System erst zu erwarten, wenn deutlich mehr Fahrzeuge durch die optimierte Wegfindung umgeleitet werden.

Laut VW steht man mit Städten im Gespräch, die ihre Busflotten mit den Navigations-Geräten ausrüsten könnten. Als einer der ersten Kandidaten könnte München im kommenden Jahr seine Stadtbusse mit dem Navigationssystem von VW steuern. 2020 will D-Wave bereits seine nächste Generation von Quanten-Annealern fertig haben. Als Standort für einen ersten solchen Annealer in Europa nannte der Hersteller Jülich.

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(emw)