Umwelt-Index: Ein DAX für den CO2-Ausstoß

Nur grün anmalen reicht nicht mehr: 2020 müssen Unternehmen Farbe bekennen, wie viel sie gegen den Klimawandel tun, meint ein Analyst.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 54 Kommentare lesen
DAX für den CO2-Ausstoß

(Bild: Liv Oeian / shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Mitte Dezember ging der Klimagipfel in Madrid ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Doch hinter den Kulissen steigt der Druck auf Unternehmen massiv, ihren Treibhausgase-Ausstoß zu begrenzen. Denn die europäischen Finanzaufsichtsbehörden machen Druck. Sie erarbeiten derzeit gemeinsam strengere Richtlinien, wie Unternehmen in ihren Finanzberichten auf ökologische Risiken hinweisen müssen – und was sie tun, um sich davor zu wappnen. Die Firmen müssen Farbe bekennen, statt sich nur grün anzumalen, schreibt Technology Review in seiner Januar-Ausgabe, die aktuell am Kiosk liegt oder online bestellt werden kann.

Im Dezember haben EU-Ministerrat und EU-Parlament Kriterien festgezurrt, wie ökologisch nachhaltige Investitionen bestimmt werden. Ende 2019 wird auch die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin verbindliche Vorgaben veröffentlichen. Damit erhalten Investoren die Möglichkeit, klimafreundliche Firmen zu erkennen und gezielt in sie zu investieren. Wer sich dann falsch informiert fühlt, kann rechtliche Konsequenzen fordern. Auch Christine ­Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank EZB, spricht sich dafür aus, das Thema Umwelt zu einem wesentlichen Bestandteil der internationalen Geldpolitik zu machen.

Künftig könnte also eine Art DAX für Treibhausgase-Emissionen entstehen, der anzeigt, wie zukunftssicher die Unternehmen wirtschaften. Wie die Bewertungen heute aussehen würden, zeigen Klimarisiko-Analysen der Firma Right. Right wurde 2016 in Frankfurt gegründete und hat die Klimakennzahl X-Degree Compatibility (XDC) entwickelt. Die XDC misst den Beitrag eines Unternehmens zur Erderwärmung. Verwendung findet ein Klimamodell, mit dem auch die Forscher und Institute rechnen, deren Berichte an den Weltklimarat gehen.

"Der Beitrag eines Unternehmens zum Klimawandel als Grad-Celsius-Zahl ist schön konkret und hat damit viel größere Aussagekraft und Wirkung als ein ­abstrakter Score", erklärt Hannah Helmke, die Gründerin von right. Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdam Instituts für ­Klimafolgenforschung, sieht darin "einen interessanten Ansatz zum Brückenschlag zwischen Klimawissenschaft und Wirtschaft". Auch Timo Busch, der an der Universität Hamburg zu Nachhaltigkeit in Industrieunternehmen forscht, hält die XDC-Kennzahl für "einen sehr vielversprechenden Ansatz".

Eines der Ergebnisse: Würden alle Firmen so wirtschaften wie der Durchschnitt der Unternehmen im DAX 30, würde die Welt jenseits der Grenze von vier Grad landen. Für Technology Review hat Right zudem Werte einzelner Unternehmen in vier Branchen ermittelt (siehe Tabelle).

Berücksichtigt sind Emissionen der Firmen selbst sowie der vor- und nachgelagerten Lieferkette. Zumindest in der EU tätige Firmen sind verpflichtet, ihre nicht-finanziellen Kernzahlen zu veröffentlichen. Dazu gehören auch die Treibhausgasemissionen. "Die setzen wir in Zusammenhang mit dem Wirtschaften", erklärt Hannah Helmke von right. Der Kohlendioxidausstoß steht also in Bezug zur Wirtschaftskraft des Unternehmens. Liegt die XDC-Kennzahl über sechs Grad, nennt right den genauen Wert nicht, da die Unsicherheiten in den Klimamodellen zu hoch sind.

Alle Gradzahlen basieren auf der konservativen Annahme, dass sich Emissionen nicht von der Wertschöpfung der Unternehmen entkoppeln und die Wertschöpfung parallel mit dem globalen Wirtschaftswachstum steigt. Die Zuordnung der Firmen zu den jeweiligen Branchen erfolgt nach dem NACE-Code, einer standardisierten Klassifikation. Alle Zahlen beziehen sich auf die Basisjahre 2017/18.

Der Branchenschnitt liegt auf einem 4,9-Grad-Kurs. Die chinesischen Autobauer bewegen sich zwischen 5 Grad und 10 Grad, was vor allem am hohen Kohle­anteil im chinesischen Strommix liegen dürfte. Irritierend sind die 6 Grad für den E-Autobauer Tesla.

Die Zahlen für die Emissionswerte stammen von dem britischen Unternehmen Engaged Tracking. Es hat die bei der Herstellung entstehenden Emis­sionen abgeschätzt und den Stromverbrauch der Fahrzeuge berücksichtigt. Engaged Tracking bezieht seine Daten nicht nur aus den Nachhaltigkeitsberichten, sondern prüft auch, wie plausibel die Angaben sind.

Bei den IT- und Chipherstellern sieht es etwas schlechter aus: Die IT-Hersteller befinden sich auf einem 2,7-Grad-Kurs. Interessant sind vor allem die Unterschiede bei direkten Konkurrenten: Während Apple bei 1,6 Grad landet, erzielt HTC 6 Grad.

Gleiches beim Chiphersteller Intel und seinem Konkurrenten AMD. Am Vergleich zwischen Apple und HTC wird allerdings ein Nachteil des wirtschaftlich fokussierten Ansatzes deutlich: Der US-Konzern landet bei 1,6 Grad Celsius, sein Konkurrent aus China bei über 6 Grad Celsius – obwohl beide nahezu gleiche Produkte herstellen.

Ein Grund ist leicht nachvollziehbar: Die Energieversorgung hat in China immer noch eine deutlich schlech­tere CO2-Bilanz als in den USA – trotz massivem Ausbau von Wind und Solarenergie. Problematisch ist jedoch der zweite Grund: Das XDC-Modell setzt den CO2-Ausstoß eines Unternehmens in Beziehung zu seiner Bruttowertschöpfung. Die Annahme dahinter ist, dass Unter­nehmen mit einem hohen Umsatz tendenziell auch mehr Kohlendioxid ausstoßen.

Allgemein ergibt die Methode Sinn, in besonderen Fällen aber kann sie einen falschen Eindruck erzeugen. Eine Firma mit einer höheren Marge steht immer besser da – obwohl sie vielleicht sogar mehr Kohlen­dioxid pro Kilogramm Ware ausstößt. Nur weil Apple mehr Geld für seine Smartphones verlangen kann als HTC, erscheint es umweltfreundlicher.

Die Medizinbranche scheint sich in Sachen Klimaschutz langsam zu berappeln. Im Schnitt wirtschaften die Unternehmen auf einem 1,6-Grad-Kurs.

Ein negativer Ausreißer ist die dänische Novozymes-Gruppe mit einem Wert über 6 Grad, was vermutlich dem Engagement der Gruppe in China mit mehreren großen Tochterunternehmen geschuldet ist.

Die Internetwelt gibt sich gern virtuell, doch auch sie zeigt mit ihren Emissionswerten eine allzu physische Seite: Die Telekommunikationsunternehmen bewegen sich im Schnitt auf einem 1,6-­Grad-Kurs.

Am schlechtesten schneidet CK Hutchison Holdings aus Hongkong ab. Auch bei dieser Bewertung dürfte der national verfügbare Strommix die entscheidende Rolle spielen.

Siehe dazu auch:

(bsc)