Heinrich-Hertz-Institut: Europäische Corona-Tracking-App in Entwicklung

Ein europäisches System soll eine anonyme, länderübergreifende Ermittlung von Infektionsrisiken per Smartphone ermöglichen. Gesundheitsdienste sollen helfen.

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Heinrich-Hertz-Institut: Europäische Corona-Tracking-App in Entwicklung

(Bild: ra2studio/creativeneko/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus und Covid-19 entwickelt das Heinrich-Hertz-Institut gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut eine Tracking-Lösung im Rahmen der "Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing"-Initiative (PEPP-PT). Deren internationales Team besteht aus mehr als 130 Mitgliedern, die in mehr als sieben europäischen Ländern arbeiten. Dazu gehören Wissenschaftler, Techniker sowie Experten aus nicht näher benannten Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Seit rund fünf Wochen arbeitet ein Team rund um das Heinrich-Hertz-Institut an der Technik, wobei die Vorstellung von Arbeitsergebnissen bereits zweimal verschoben wurde. Seit Wochen wird in der Öffentlichkeit der freiwillige oder möglicherweise auch verpflichtende Einsatz einer Tracking-App diskutiert, wobei es um die Verwendung von Mobilfunkstandorten, GPS- und WLAN-Daten oder auch Bluetooth-Daten ging. Dies wurde nicht nur von Datenschützern stark kritisiert, sondern auch von Politikern der SPD nicht unterstützt. So stoppte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) eine gesetzliche Regelung, die den Zugriff auf Mobilfunkdaten erlaubt hätte.

Am heutigen Mittwoch nun teilte das Heinrich-Hertz-Institut erste technische Details des entwickelten Programms mit. So soll es sich bei dem System um einen "anonymen und die Privatsphäre schützenden" digitalen Ansatz zur Kontaktverfolgung handeln. Er soll sich "in voller Übereinstimmung mit der DSGVO" befinden. Voraussetzung dafür ist beispielsweise die freiwillige Einwilligung der Nutzer.

Auch bei Reisen zwischen Ländern soll ein anonymer, länderübergreifender Austauschmechanismus verwendet werden. "Dabei werden keine persönlichen Daten, kein Standort, keine MAC-Adresse der Nutzerin oder des Nutzers gespeichert oder übertragen", betont das Heinrich-Hertz-Institut in einer ersten Stellungnahme. Entsprechend werden keine Funkzellen-, GPS- oder WLAN-Daten erfasst.

Offenbar wird jedem Nutzer eine Identifikationsnummer zugewiesen, die per Bluetooth an andere Smartphones übermittelt werden soll, auf denen die App installiert ist. Während GPS-Daten keine exakte Bestimmung der Nähe von Personen zulassen, die sich in einem Hochhaus in unterschiedlichen Stockwerken aufhalten, erfasst eine Bluetooth-Lösung nur Personen, die sich in der unmittelbaren Umgebung aufhalten. Allerdings setzt sie voraus, dass die Bluetooth-Funktion im Gerät aktiviert ist.

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Die Identifikationsnummer soll keiner Person zugeordnet werden können. RKI-Präsident Lothar Wieler hatte am Dienstag erklärt, dass keine "Ort-Zeit-Messung" möglich sein soll. Das PEPP-PT-System kann als Kontaktverfolgungsfunktion in nationale Corona-Handy-Apps eingebunden werden. Außerdem ermöglicht es die Integration in die Prozesse der nationalen Gesundheitsdienste. Beispielsweise könnte ein Arzt die Weitergabe der App-Daten an das Robert-Koch-Institut freischalten.

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Die App nimmt Anleihen an einer Anti-Corona-App aus Singapur. Dort entwickelte das Gesundheitsministerium zusammen mit einer IT-Behörde eine App namens TraceTogether. Die App ermittelt über Bluetooth Personen, die sich mindestens 30 Minuten in einem 2-Meter-Abstand von Corona-Patienten aufgehalten haben, wobei die Distanz anhand der Stärke des Bluetooth-Signals gemessen wird.

Diese Daten werden verschlüsselt auf dem Smartphone 21 Tage lang gespeichert. Nutzer verwenden ihre Mobilfunknummer zur Registrierung, erlauben die Bluetooth-Aktivierung sowie die Speicherung der Daten. Außerdem willigen sie ein, dass Gesundheitsbehörden sie informieren, wenn ihr Infektionsrisiko hoch ist, weil ihr Smartphone lang genug in der Nähe eines Geräts war, das einem später als infiziert erkannten Nutzers gehört. Bei positiven Virustests müssen die Daten deshalb an das Gesundheitsministerium verschickt werden. Die Software steht inzwischen unter einer Open-Source-Lizenz.

Das PEPP-PT-Entwicklungsteam bietet an, die Technik offen mit jedem Land zu teilen. Angestrebt wird eine Interoperabilität der nationalen Lösungen, damit der anonyme Mehrländer-Austauschmechanismus funktionsfähig bleibt.

Das Team kündigte an, dass die Arbeitsergebnisse einer gemeinnützigen Organisation gehören werden, damit die in Europa entwickelte Technologie und die Standards für alle weltweit zugänglich sind. Priorität sei das Wohlergehen aller sowie die Entwicklung von Instrumenten nach europäischen Normen, die zur Begrenzung der Auswirkungen künftiger Pandemien genutzt werden können. (mho)