E-Motorrad Damon Motorcycles Hypersport: Blitzgescheit

Damon Motorcycles will ein extrem starkes und gleichzeitig sicheres E-Motorrad bauen. Dafür nutzt die Hypersport HS als erstes Motorrad künstliche Intelligenz.

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E-Motorrad Damon Motorcycles Hypersport: Blitzgescheit
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Das vielleicht fortschrittlichste Motorrad der Welt kommt nicht aus Japan, USA oder Deutschland, sondern aus Kanada. Das Design der Hypersport HS erinnert an das der Ducati Panigale, doch unter der attraktiven Schale arbeitet ein Elektromotor mit 160 kW. Die geschwungenen Linien der Tankattrappe und die Vollverkleidung verstecken die Batterie geschickt, sodass der Betrachter erst auf den zweiten Blick bemerkt, dass es sich nicht um ein Motorrad mit Verbrennungsmotor handelt. Die spitz zulaufende Verkleidungsnase mit den beiden hakenförmigen LED-Lichtern verleihen der Hypersport HS einen aggressiven Look. Die obere Abdeckung geht fließend in das knappe Heck über, für einen Sozius ist kein Platz vorgesehen.

In ihrem Werbetext wollen Damon Motorcycles gleich dreimal mit der Zahl 200 beeindrucken: 200 HP (obwohl 160 kW eigentlich 215 Horse Powers entsprechen), 200 Meilen pro Stunde Höchstgeschwindigkeit und über 200 Meilen Reichweite (320 km). Angeblich sollen es auch 200 Nm Drehmoment sein. Das wäre wahrlich beeindruckend und würde selbst aktuelle Superbikes blass aussehen lassen. Dabei haben die Marketing-Texter das Gewicht vergessen zu erwähnen, denn die Hypersport HS soll laut Hersteller unter 200 Kilogramm wiegen.

Ob sich das Versprechen mit einer 21,5-kWh-Batterie halten lässt, wird sich noch herausstellen. Auch die angegebene Reichweite dürfte beim gelegentlichen Ausnutzen der brachialen Kraft sehr schnell schrumpfen. Die Fahrleistungen des Elektrobikes werden aber zweifellos eindrucksvoll ausfallen. Den Sprint von null auf 60 Meilen pro Stunde (96,56 km/h) soll es in unter drei Sekunden schaffen und auch die Durchzugswerte werden bei dem Drehmoment rasant sein, ähnlich wie die Energica Evo (Test) oder die Lightning Strike.

Trotzdem ist die Hypersport HS sogar für ein Elektromotorrad außergewöhnlich, denn Damon Motorcycles will die Sicherheit ihres Bikes auf ein neues Level heben. Dafür lässt die Firma einen Computer permanent die Umgebung scannen. Das System arbeitet mit „CoPilot 360“ und besteht aus einem 360-Grad-Kollisionswarnsystem mit einer rückwärtigen Kamera und einer Radarerfassung des umgebenden Verkehrs. Bis zu 64 Objekte können simultan erfasst werden.

Damon Motorcycles Hypersport (15 Bilder)

Damon Motorcycles ist neu auf dem Markt. Wer mag, kann sich eine  Hypersport reservieren - Geduld und eine gewisse Neigung zum Risiko vorausgesetzt.

Entsteht eine brenzlige Situation durch ein anderes Fahrzeug, egal von welcher Richtung es sich nähert, wird der Fahrer gewarnt durch Vibrationen in den Handgriffen und blinkende LED im Windschild. Im Cockpit wird auf dem großen TFT-Display als Hintergrund das Livebild der Kamera angezeigt, während andere wichtige Informationen wie die Geschwindigkeit und Restreichweite weiterhin abgelesen werden können. Wie zuverlässig das Zusammenspiel der Systeme funktioniert, muss ein Test zeigen.

Der Fahrer kann auf Knopfdruck die Höhe der beiden Lenkerstummel, die Sitzhöhe und die Höhe der Fußrasten sowie die Neigung des Windschilds verändern. Wie der Name Hypersport bereits verrät, ist sie ein Sportmotorrad und entsprechend nichts für Tourenfahrer. Wer es etwas entspannter haben will, kann während der Fahrt die Gabelbrücke mit den Lenkerstummeln ein paar Zentimeter nach oben und den Sitz sowie die Fußrasten ein paar Zentimeter nach unten wandern lassen. Die beiden Einstellungen nennen sich „Sport-Mode“ und „Commute-Mode“. Damon Motorcycles verspricht, dass die 21,5 kWh-Batterie an einer Typ-2-Ladesäule in weniger als drei Stunden vollständig geladen werden kann, wie lange es an einer 230-Volt-Steckdose dauert, wurde noch nicht kommuniziert.

Die Hypersport HS verfügt als erstes Motorrad über eine künstliche Intelligenz und soll mit der Zeit von ihrem Fahrer lernen. Um was es sich dabei genau handelt, verrät der Hersteller allerdings nicht, wahrscheinlich geht es dabei um Präferenzen des Fahrers, was seinen Fahrstil und die Nutzung der gebotenen Kraft angeht. Das High-Tech-Bike verfügt über eine Internet-Verbindung. So werden die Daten des Motorrads permanent in eine Cloud gesendet, damit sie auch anderen Verkehrsteilnehmern, die gerade unterwegs sind, zur Verfügung stehen. Ähnlich wie Google Maps will CoPilot die Daten für den fließenden Verkehr und Routenplanung nutzen. Voraussetzung dafür wäre aber eine große Anzahl an Fahrzeugen, die Daten in diese Cloud senden. Wer sonst noch die Cloud benutzen soll, verrät Damon Motorcycles bislang nicht.

Abgesehen von der Basisversion Hypersport HS für 24.995 US-Dollar, die auf der CES 2020 in Las Vegas den Preis für „Best Innovation“ gewonnen hat, hatte Damon Motorcycles bereits im vergangenen Jahr eine noch edlere Variante angeboten. Die auf 25 Stück limitierte Hypersport Founder Edition für 39.995 US-Dollar war jedoch bereits nach vier Tagen ausverkauft.

Das hat die Marke veranlasst, das Topmodell als Hypersport Premier in zwei Varianten neu aufzulegen – zu einem unveränderten Preis. Die Versionen „Arctic Sun“ und „Midnight Sun“ unterscheiden sich nur in den Lackierungen. Sie bieten im Vergleich zur Basisversion eine Einarmschwinge, Öhlins-Federelemente und Brembo-Bremskomponenten. Warum die Hypersport Premier deshalb gleich 15.000 US-Dollar teurer ist, erschließt sich nicht so recht.

Wer eines der exklusiven und sehr kräftigen Elektro-Bikes sein eigen nennen will, kann es jetzt auf der Homepage des Herstellers ordern. Dafür muss er für die Hypersport HS 100, für die Hypersport Premier 1000 US-Dollar anzahlen. Bedacht werden sollte, dass die Produktion frühestens im Sommer 2021 beginnen soll und die Damon Motorcycles Hypersport in der EU noch keine Zulassung besitzt, von Vertrieb und Service ganz zu schweigen. Die andere unbekannte Variable ist die finanzielle Aufstellung der Firma. Zwar gibt Damon Motorcylces eine Reihe von Investoren an, aber in den aktuell unsicheren Zeiten der Corona-Pandemie besteht die berechtigte Frage nach den Zukunftsaussichten eines Start-ups in der Motorradbranche.

(mfz)