UMTS: Ein noch nicht eingelöster Wechsel auf die Zukunft

Am 17. August 2000 fiel bei der Auktion der begehrten UMTS-Mobilfunklizenzen nach 173 Runden der Hammer.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Am 17. August 2000 schrieb Klaus-Dieter Scheurle Geschichte: Als bei der deutschen Auktion um die begehrten Mobilfunklizenzen der Zukunft nach 173 Runden der Hammer fiel, hatte der damalige Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) den Bund um knapp 100 Milliarden Mark reicher gemacht – ein denkwürdiger Tag. Doch die Euphorie in der Branche über das goldene Zeitalter von UMTS währte nicht lange. Die sündhaft teuren Lizenzen schickten die Aktienkurse in den Keller, Katerstimmung folgte.

"Wir sind zum Erfolg verdammt", fasst Stefan Zuber, Pressechef der Münchner Viag Interkom, ein Jahr später die Stimmung in der Branche zusammen. Die deutsche Tochter der British Telecom (BT) hatte sich neben T-Mobil (D1), Mannesmann (D2/Vodafone), E-Plus sowie den beiden Neulingen MobilCom und Group 3G (Sonera/Telefonic) eine der begehrten Lizenzen ergattert – Milliarden-Summen für "einen Sack voller Luft", spöttelten Kritiker.

Matthias Plica, Geschäftsführer des Mobilfunk-Informationsdienstes Xonio, gehört nicht zu den notorischen Nörglern: "Es droht kein Milliardengrab." Was sich in der Branche derzeit abspielt, sei Jammern auf hohem Niveau, sagt er. Auch Scheurle, heute Chefberater der Investmentbank Credit Swiss First Boston in Frankfurt, gibt sich trotz der weit verbreiteten Skepsis zuversichtlich. Optimismus sei weiterhin angebracht. In ihrer Mobilfunk-Studie "Nach dem Goldrausch" kommt die WestLB Panmure indes zu einem harten Urteil: "Viele Netzbetreiber sind durch den Einstieg in das neue Geschäftsfeld schwer belastet, wobei sich manche von ihnen davon nicht mehr erholen werden." Sechs UMTS- Anbieter, urteilen Experten, würden sich langfristig auf dem deutschen Markt nicht halten können.

Doch wer als erster das Handtuch wirft, ist nicht absehbar. "Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug", meint Peter Wirtz von der WestLB Panmure. Zudem investieren die Unternehmen gegenwärtig kräftig in den Netzausbau. Group 3G, in der Branche immer wieder als Wackelkandidat genannt, hat inzwischen mit E-Plus eine Vereinbarung über die Nutzung des GSM-Netzes geschlossen und will Ende 2001 als fünfter Betreiber GSM- und GPRS-Produkte für den schnellen Internetzugang über das Handy anbieten.

Unterdessen gehen die Ansichten über das Potenzial von UMTS weit auseinander. Umfragen zufolge soll nur ein Drittel der Bevölkerung an einem mobilen Surfen im Internet interessiert sein. Doch neue Produkte machen neugierig, hoffen die Betreiber. Sprache, Unterhaltung und M-Commerce hält Thomas Löwenthal, Geschäftsführer der Beratungsfirma Accelerator aus Münster, für die Produkte mit den größten Erfolgsaussichten.

Wollen die Betreiber rechtzeitig starten, müssen sie sich sputen. Bis Ende 2003, so die Vorgaben der Regulierungsbehörde, sollten 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS erreichbar sein. Doch ein Jahr nach der Lizenzvergabe befindet sich der Netzaufbau am Anfang. Nur T-Mobil und D2/Vodafone haben die ersten Antennen stehen und in Sprachtests ihre Netze erprobt. Zu klären ist derzeit vor allem die Frage, wer mit wem und ob überhaupt Infrastruktur geteilt wird. So wollen die Betreiber durch Kooperationen Milliarden-Beträge sparen.

Einen Strich durch ihre UMTS-Pläne könnten die Gerätehersteller den Betreibern machen. Doch besorgt sind sie nicht: Verzögerungen wegen Handy-Knappheit habe es auch schon beim Start des digitalen Mobilfunks vor gut zehn Jahren gegeben. Auch die neue Technik GPRS, ein wichtiger Zwischenschritt zu UMTS, ist bislang nicht in Schwung gekommen, weil eine ausreichende Zahl von Mobiltelefonen fehlt.

In diesen Tagen werden weitere Handys ausgeliefert. Mit dem kommenden Weihnachtsgeschäft soll das mobile Internet via GPRS dann richtig abheben und damit WAP, die abgespeckte mobile Internet- Version, zu neuem Leben erwecken. Verzögerungen bei UMTS halten Experten der Delbrück Asset Management nicht für problematisch: "Viel wichtiger ist es, GPRS zum Erfolg zu verhelfen". Floppt diese Mobilfunktechnik, dann bekommt auch UMTS ein Problem. (Peter Lessmann, dpa) / (jk)