Das kleine Abenteuer: Test KTM 390 Adventure

KTMs kleinstes Adventure-Motorrad tritt mit einer Ausstattung an, die manch doppelt so teure Maschine erblassen lässt. Der Tourenfahrer hibbelt in Erwartung.

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Das kleine Abenteuer: Test KTM 390 Adventure
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich wollten wir KTMs kleinste Adventure in einem unserer seriellen Vergleiche gegen die klassische Enfield Himalayan und die nüchterne BMW G 310 GS stellen. Leider stürzte ein Testfahrer und Enfield verstand meine Bitte "bitte nicht umplanen, wir wollen die Himalayan trotzdem" so, dass sie den Termin umplanten. Deshalb wird Kollege Ingo die sehr interessante Enfield demnächst testen und ich stelle hier die Eigenheiten der 390 Adventure vor dem Hintergrund der BMW G 310 vor.

"Hintergrund?", höre ich den BMW-Freund empört raunen, dem ich gleich erklären will: Die G 310 GS in ihrer aktuellen Euro-4-Abstimmung hatten wir schon einmal als Einzeltest. Sie kann 2021 nicht mehr neu zugelassen werden, denn ihr fehlt die Abgas-Homologation nach Euro 5. BMW verspricht, dass die bis zum Stichtag fertig ist, die Modelle also im Programm bleiben und nach Euro 5 homologiert werden. Das Motorrad ist also ein Ausläufer, und genau das macht sie für Endkunden so interessant.

"Du, die sind eigentlich beide ganz gut."

(Bild: Tom Wess)

Für den Motorradkäufer sind Produktionsenden günstig, denn dort warten die Schnäppchen beim Händler. Deshalb setzen wir die technisch überraschend aufwendige neue KTM in Bezug zu einer Alternative: Vielleicht tut es eine leicht gebrauchte BMW G 310 GS genauso oder gar besser.

Eine kleine Gruppe von Reisekennern hat lange auf die 390 Adventure gewartet, darunter auch ich. Wir dachten, das Motorrad werde in die Richtung der 390 Duke gehen: ja, einige Technik, gute Ausstattung, aber eben auf dem Niveau kleiner Motorräder. KTM dampfte jedoch unerwartet konsequent die Ausstattungsschiene entlang: Die 390 Adventure hat alles, was eine große Reiseenduro hat.

KTM 390 Adventure (10 Bilder)

Groß gewachsene Maschine mit kleinem Motor: KTM 390 Adventure.
(Bild: Tom Wess)

Der Tacho lässt die Drehzahl (KTM-unüblich) hervorragend ablesen. Er ist vollfarbig als TFT gebaut, mit Benzinuhr, Tourencomputer und allem. Die Benzinuhr sollte man (KTM-üblich) nicht so ernst nehmen, doch vom Rest können sich viele Überliter-Reisemaschinen drei Scheiben abschneiden. Die 390 hat Kurven-ABS und schräglagenabhängige Traktionskontrolle und dazu den nötigen Sensorcluster (Inertial Measurement Unit, IMU). Sie rollt auf sehr gut funktionierenden Continental TKC 70. Per Handrädchen einstellbares Fahrwerk. Optional Quickshifter mit Autoblipper zum Herunterschalten. Kräftig beißende Bremsanlage. Es gibt auch ein Werks-Softkoffersystem. Das gefiel mir recht gut, es fehlt jedoch ein Schloss. Da ist dann das Zubehör gefragt.

Wer das neue Motorrad kauft, erhält also wirklich viel, viel mehr, denn die BMW kommt eher einfach daher: Gepäckträger, LCD-Segmenttacho, fertig. Das einzige Zugeständnis an den Markt Europa sind die sehr schön harmonierenden Reifen Metzeler Tourance. Im Konfigurator von BMW gibt es außer Lackfarbe keine Optionen. In der Praxis geht natürlich mehr. So kam die Testmaschine mit BMWs Navihalter und dem BMW "Motorrad Navigator" (ein etwas angestaubtes Garmin-System). Je nach Gegend gibt es die 310 GS ab etwa 4000 Euro mit recht wenigen Kilometern auf dem Tacho. Wer also ob des ganzen neumodischen Geraffels der KTM den Kopf schüttelt: Die BMW fährt auch ohne sehr schön, und jetzt muss der olle Endurospruch kommen: Was nicht dran ist, geht auch nicht kaputt.

Das E-Gas-Mapping Gasgriff-Drosselklappe könnte mir linearer sein, doch der Vorteil des Mappings: Man würgt die Maschine beim Anfahren nicht ab, was bei der BMW schon gelegentlich passieren kann. In Fahrt fühlt sich der Einzylinder jenseits der 7000/min am wohlsten, und der Fahrer auch, denn dort kommt fühlbar Leistung. Die Ergonomie fällt so aus, dass die Adventure am liebsten gedrückt werden will, Supermoto-Style. Dazu passt auch die Fahrwerksabstimmung des Werks. Erst bei einiger Beladung lohnt es sich, an den Einstellrädchen zu drehen, denn beladen fängt die KTM sonst bei höheren Geschwindigkeiten das Schwimmen an.