Mit der "E-Vespa" zur urbanen Elektromobilität: E-Scooter im Test

Die 45er-E-Scooter sind so beliebt, dass sie sich nun auch außerhalb ihrer saisonalen Nutzung als sommerfrische Spaßbringer etablieren. Wir fuhren Probe.

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Elektrische Motorroller bis 45 km/h für Autoführerschein-Besitzer

Praktisch und wirtschaftlich im Stadtverkehr: E-Scooter

(Bild: Niu)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Motorroller, im Volksmund unabhängig vom Markenhersteller gerne auch mal "Vespa" nach dem ersten und berühmtesten Hersteller genannt, sind nicht nur in Italien recht beliebt. Für den besonderen Erfolg der batterieelektrischen Versionen der Roller gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe von Gründen. Autofahrer dürfen sie bis zu bauartbedingten 45 km/h ohne weitere Fahrqualifikation nutzen, aber auch als Einstieg ins motorisierte Fahren ab 16 (neuerdings in einigen Ländern auch schon ab 15 Jahren) mit dem Führerschein AM eignen sie sich. Manche Städte fördern den Kauf batterieelektrischer Roller mit einem lokalen Umweltbonus.

Die E-Scooter sind darüber hinaus praktisch und machen Spaß: Sie gleiten fast lautlos durch den Verkehr und bieten aufgrund des hohen Anfahrdrehmoments auch eine Beschleunigung, mit dem man einige Verbrenner an der Ampel locker stehen lässt. Wie sinnvoll ihr 45-km/h-Limit angesichts des meist auf 50 km/h begrenzten Stadtverkehrs im Sinne der Sicherheit ist, bleibt weiterhin die Frage.

Dank Reichweiten, die inzwischen locker für die üblichen Stadtfahrten genügen, bieten sie zudem eine individuelle Nahverkehrsalternative. Im Gegensatz zu den noch immer großen Unterschieden bei Autos erreichen sie mittlerweile fast die ihrer benzingetriebenen Pendants.

Trotz ihrer Batteriekapazitäten ist die Ladegeschwindigkeit immer hoch genug für Ladephasen über Nacht. Die Wirtschaftlichkeit ist trotz des teuren Stroms besser als die der kleinen Verbrenner mit ihrer meist ausgesprochen schlechten Effizienz. Ein wartungsintensiver, bisweilen zickender Verbrennungsmotor mit teuren Reparaturen, Öltropfen, Benzin- und Zweitakt-Abgasfahne gehört ebenso der Vergangenheit an wie Schalten und Kuppeln.

Zuerst haben wir uns mit einem Peugeot e-Ludix in den Verkehr gewagt. Er ist die elektrifizierte Variante des als Benziners schon länger erfolgreichen Ludix. Beim Fahren verhält sich der Roller aus Indien problemlos, Straßenbahnschienen sind aufgrund der schmaleren vorderen Reifendimension mit noch größerer Vorsicht zu befahren als ohnehin mit einem Zweirad, der e-Ludix fährt auf einer Mischbereifung in 80/80-14 vorn und 100/70-14 hinten.

Vom fest aufgehängten Motor und einem Riementrieb zum Hinterrad anstelle eines Radnabenmotors profitieren Straßenhaftung und Fahrkomfort gleichermaßen. Die Karosserie ist schmal und die Rückspiegel sollten etwas weiter abstehen, um so einen besseren Blick nach hinten zu gewährleisten. Wirklich gefehlt hat uns ein Fach unter der Sitzbank für den Helm. Dass der Roller nur vorn eine Scheibenbremse hat, lässt sich verschmerzen, die Bremsleistung ist auch mit der hinteren Trommelbremse ausreichend.

Am meisten Spaß macht der "Boost"-Modus, der die 2,5 kW (und 35 Nm Drehmoment) des Bosch-Motors voll nutzt. So ist man auch bergauf sehr flott unterwegs, allerdings kostet das bei voller Batterie rund neun Kilometer Reichweite. Die Maximalreichweite gibt Peugeot mit bis zu 50 Kilometern an, in den technischen Daten nur 42, von denen wir im Go/Normal-Modus immerhin 37 Kilometer erreichten. Im Cruise-Fahrprogramm dürfte sogar noch ein bisschen mehr drin sein. Anzumerken ist, dass die Fahrten bei rund 25 Grad Celsius stattgefunden haben, ein Temperaturbereich, in dem sich Batterien bekanntermaßen besonders wohlfühlen.

Nach drei Stunden an der heimischen Steckdose soll die 1,6 kWh fassende 48-V-Batterie wieder zu 80 Prozent gefüllt sein, in vier zu 100 Prozent. Ausbau und Laden des 11 kg wiegenden Energiespeichers sind problemlos.

Der schmale Peugeot e-Ludix mal außerhalb seines urbanen Habitats.

(Bild: Peugeot)

Wie die meisten Elektroroller mit Bosch-Antrieb und Lithium-Batterien beherrscht auch der von Peugeot die Rekuperation und schont damit die Bremsen. Es gibt auch noch solche mit günstigen Blei-Säure (Gel)-Batterie, wie den blu:s: XT 2000 in der ganz unten folgenden Liste, in dem Rekuperation mangels Aufnahmekapazität des Akkus nicht funktioniert. Ein "Crawl"-Modus (vorwärts / rückwärts) hilft beim Schieben, was gerade bei einer Rampe eine klasse Idee, aber bei nur 88 kg Leergewicht inklusive Akku nicht unbedingt nötig ist.

Auf Wunsch (wir könnten uns als Anwendungsfall einen 24/7-Pizzadienst vorstellen) kann ein zweiter Akku für 1440 Euro dazugekauft werden, das ist immerhin fast die Hälfte des Fahrzeugpreises von 3410 Euro. Gleichzeitig nutzbar sind die Batterien allerdings nicht. Leicht getrübt wurde der insgesamt positive Eindruck des e-Ludix von der Verarbeitungsqualität – jedenfalls im Direktvergleich mit der Piaggio Vespa Elettrica.

Der Italo-Klassiker ist auch als Stromer der lässigste und ansehnlichste Roller. Er liegt mit den Pirelli Angel Scooter in einer Mischbereifung in 110/70-12 vorn, 120/70-11 hinten satt auf der Straße, nicht zuletzt wegen seiner massiven 130 kg Eigengewicht, bremst mit einer Kombi aus vorderer Scheiben- und hinterer Trommelbremse vertrauenerweckend und bietet hohen Komfort inklusive Helmfach.

Dazu kommen Fahrmodi ähnlich denen des Peugeot e-Ludix – ebenfalls mit Rückwärtsgang. Allerdings hat dieser Scooter aus traditionsreichem Haus mit mindestens 6220 Euro auch einen fürstlichen Preis. Dafür gibt es einen Motor mit 3,5 beziehungsweise 4 kW Spitzenleistung. Die Reichweite mit dem 4,2 kWh-Lithium-Ionen-Akku gibt Piaggio mit maximal 100 Kilometern an, realistisch sind knapp über 70 drin. Angenehm kurz ist die Ladezeit der Vespa von nur vier Stunden.

Die teure Vespa Elettrica macht den solidesten Eindruck, benötigt aber einen anfahrbaren Ladeanschluss.

(Bild: Piaggio)

Die Batterie kann allerdings nicht ausgebaut werden, um sie etwa in der Wohnung zu laden. Man benötigt also eine anfahrbare Steckdose, an die man die Vespa anschließen kann. Öffentliche Ladestationen verfügen oft nicht über 3-polige Schukosteckdosen, dort hilft nur das Adapterkabel aus dem Zubehörprogramm. Ein Kabel vom Balkon auf die Straße kann das Problem lösen, aber auch Ärger mit Nachbarn, Vermieter oder der Stadt auslösen.