Abgasbetrug vor Gericht: "Wir wollten nicht bescheißen"

Der Abgas-Skandal wird nun auch in Deutschland aufgearbeitet. Audi-Motorenentwickler Giovanni P. verteidigt sich vor Gericht: "Diese Leute haben uns betrogen"

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Abgasbetrug vor Gericht: "Wir wollten nicht bescheißen"

Mit dem Logo TDI ließ sich einst trefflich werben. Das ist vorbei.

(Bild: Florian Pillau)

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Die juristische Aufarbeitung des Abgasbetrugs geht weiter. Am dritten Tag des Prozesses hat der Motorenentwickler Giovanni P. von Audi die Tricksereien im Bereich der Abgasnachbehandlung mit dem immensen Druck des Konzerns erklärt, 2009 in den USA neue Autos mit Dieselmotor auf den Markt zu bringen. Die Entwicklungszeit sei viel zu kurz gewesen, Kompromisse seien abgelehnt, seine Abteilung mit Vorwürfen bombardiert worden. Dem Vertrieb sei der Platz für ein Sound-System im Auto wichtiger gewesen als ein ausreichend großer Tank für die Abgasnachbehandlung. „Diese Leute haben uns betrogen. Sie haben uns nicht genug Zeit gegeben“, sagte der Angeklagte am Mittwoch (7. Oktober 2020).

Im ersten deutschen Strafprozess um den Abgasbetrug bei Dieselmotoren stehen seit einer Woche der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler, der frühere Porsche-Technikvorstand Wolfgang Hatz und die Motorenentwickler Giovanni P. und Henning L. vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen Betrug vor.

Als erster Angeklagter im Prozess sagte Giovanni P. aus. Weil Daimler und BMW seinerzeit beim Diesel in den USA weiter gewesen seien, sei entschieden worden, dass Audi im November 2008 mit der Produktion der neuen US-Dieselmotoren starten müsse. Nach Fahrtests habe seine Abteilung immer wieder größere Harnstoff-Tanks oder mehr Zeit gefordert, aber vergebens. „Wir waren unter Druck ohne Ende“ sagte Giovanni P. „Wir wollten nicht bescheißen. Aber wir brauchten mehr Harnstoff.“

Das Problem sei durch Präsentationen und „Blaue Meldungen“ auch dem damaligen Audi-Technikvorstand bekannt gewesen. Aber Beschleunigung, Verbrauch und Kosten seien wichtiger gewesen als Abgaswerte: „Abgasnachbehandlung ist nicht sexy“, sagte der Angeklagte. Der Betrug hat den Volkswagen-Konzern global bislang mehrere Milliarden Euro gekostet.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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(mfz)