Neustart: 30 Jahre Triumph

Nach dem Neustart der englischen Marke vor 30 Jahren gehört Triumph wieder zu den etablierten Herstellern und baut jährlich 65.000 Bikes – als Familienbetrieb.

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Neustart: 30 Jahre Triumph
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Vor 30 Jahren gab es auf der IFMA (heute Intermot) in Köln eine unerwartete Sensation: Triumph war zurück! Gleich sechs neue Modelle der bereits totgesagten Marke standen dort auf der Messe am Rhein und versetzten die Fans in Verzückung. Manche Fachleute prophezeiten dem Neustart der englischen Marke keine große Zukunft, doch Triumph-Boss John Bloor belehrten sie eines besseren. Drei Jahrzehnte später gehört Triumph wieder zu den etablierten Herstellern und baut rund 65.000 Motorräder pro Jahr.

Bevor die IFMA 1990 ihre Tore öffnete, war der legendäre Motorradhersteller Triumph seit sieben Jahren für tot erklärt worden, das letzte Modell, die TR 65, hatten die Engländer 1981 vorgestellt, als die Firma schon lange dahinsiechte. Missmanagement und mangelnde Qualität hatten in den 1970er Jahren zum Niedergang geführt. Als das Triumph-Werk in Meriden 1973 geschlossen werden sollte, übernahm eine Arbeiter-Kooperative die Firma, im Oktober 1983 folgte die endgültige Insolvenz. Aber bereits im November 1983 erwarb der Baulöwe John Bloor, heute 77, die Rechte am Markennamen.

Entgegen des weitverbreiteten Gerüchts, er hätte eigentlich nur das Werksgelände kaufen wollen, um dort Häuser zu errichten, wollte er die berühmte Marke besitzen, um Motorräder zu bauen. John Bloor stammte aus einfachen Verhältnissen, sein Vater hatte im Kohlebergbau unter Tage geschuftet. Mit 15 die verließ er Schule, lernte Stuckateur und gründete mit 17 seine eigene Baufirma Bloor Homes. Anfang der 1980er Jahre hatte er es zum größten privaten Bauträger in Großbritannien gebracht und war längst Multimillionär. In seiner Jugend war er zwar Motorrad gefahren, hatte dieser Leidenschaft jedoch nicht lange frönen können.

Auch wenn er im Baugeschäft tätig war, hatte John Bloor aufmerksam die rasant wachsende japanische Auto- und Motorradindustrie verfolgt. Ihr Erfolg war schließlich in den 1970er Jahren einer der Hauptgründe für das Ende etlicher englischer Auto- und Motorradmarken gewesen, inklusive Triumph. "In den frühen 1980er Jahren habe ich beobachtet, wie die Japaner im Vereinigten Königreich Autowerke bauten, um die Vorteile des Wechselkurses zu nutzen", erinnerte sich Bloor in einem Interview.

1983 baute Nissan gerade die größte Autofabrik Großbritanniens im nordenglischen Sunderland auf und Honda ein Werk in Swindon. "Ich dachte, das Spielfeld könnte sich in Großbritannien für Hersteller wieder gebessert haben." Claudio Castiglioni, Gründer und Besitzer von Cagiva, und sogar Harley-Davidson waren sehr an der Übernahme von Triumph interessiert, doch den Zuschlag erhielt der in Sachen Motorradherstellung völlig unerfahrene John Bloor. Der 40jährige kaufte im Oktober 1983 den Markennamen und die Rechte an der Produktion für 150.000 Britische Pfund.

Die folgenden sieben Jahre wartete die Fachwelt auf ein Lebenszeichen von Triumph, aber es schien nichts zu passieren. Doch John Bloor war schon immer öffentlichkeitsscheu und arbeitete lieber im Stillen, dafür umso effektiver. Er engagierte frühere Triumph-Mitarbeiter und engagierte einige Fahrzeugingenieure, die frisch von der Uni kamen, um neue Modelle zu entwickeln. Einer der jungen Ingenieure war der Waliser Stuart Wood, der heute Chief Engineer bei Triumph ist.

30 Jahre Triumph Teil 1 (9 Bilder)

Der erste Motor in der neuen Triumph-Ära war ein 1200er-Reihenvierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Er kam 1991 im Tourensportler Trophy 1200 zum Einsatz und leistete 141 PS.

Bloor war sich bewusst, dass die Entwicklung neuer Modelle, die am schwer umkämpften Motorradmarkt bestehen könnten, Jahre dauern würde. Doch bereits unmittelbar nach dem Kauf erwies er Weitblick und vergab im November 1983 an den Triumph-Händler Les Harris im südenglischen Devon eine Lizenz zum Weiterbau der T140 Bonneville. Harris durfte sich am Teilelager bedienen, um die Motorräder aufzubauen und in den nächsten fünf Jahren entstanden immerhin 1255 Exemplare. So konnte Triumph von sich behaupten, seit 1902 ununterbrochen Motorräder zu bauen.

Als sehr gründlicher Mensch, der viel von Organisation und Marktanalyse versteht, besichtigte Bloor mit seinem neuen Team diverse Motorradfabriken in Japan und Europa. Er sah sich genau an, wie dort fabriziert wurde und kaufte dann die entsprechenden Werkzeuge und Maschinen für Triumph. Bloor investierte mehr als 80 Millionen Britische Pfund in die Marke, bevor das erste Motorrad vom Band rollte. Der Selfmade-Millionär (seit 2015 sogar Milliardär) hatte den großen Vorteil, dass er nicht Banken um Kredite bitten musste, sondern das meiste aus eigener Tasche zahlte. So konnte er seine Entscheidungen frei treffen und musste sich nicht von irgendwelchen Bankern reinreden lassen.

Das neue Werk in Hinckley zu errichten war für den Bautycoon eine Kleinigkeit. Selbst als ein Großbrand die Fabrik im März 2002 völlig zerstörte, zog Bloor innerhalb eines halben Jahres nebenan ein neues Werk hoch, ab dem 16. September rollten die Bänder wieder. Zum ersten Mal Gewinn warf Triumph übrigens erst Anfang der 2000er Jahre ab, John Bloor hat also viel Durchhaltevermögen bewiesen, gemäß der englischen WW2-Durchhalteparole "Keep calm and carry on".

Bloor war von der kostensparenden Plattformstrategie überzeugt, wie sie in der Autoindustrie verwendet wurde, mit einem Motor für diverse Modelle. Er übernahm die Philosophie der japanischen Hersteller, hohe Qualität bei gleichzeitig niedrigen Produktionskosten zu bieten. Die Strategie qualitativ schlechte Motorräder zu hohen Preisen zu verkaufen, in der Hoffnung, dass der berühmte Markenname als Kaufargument reichen würde, hatte Triumph einst in den Konkurs geführt.

Bloors Ziel war es, vom Start weg sechs verschiedene Motorräder anzubieten, um mehrere Segmente abzudecken. Der erste in der neuen Triumph-Ära entwickelte Motor war ein flüssigkeitsgekühlter 1200er-Reihenvierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, aus dem noch zwei Dreizylinder mit kürzerem Hub abgeleitet wurden. 1987 lief der Motor zum ersten Mal auf dem Prüfstand, ein Jahr später meldete Bloor die Firma "Triumph Motorcycles" offiziell im Handelsregister an. Andere hätten vielleicht zu dem Zeitpunkt begonnen, mächtig die Werbetrommel für die wiederauferstandene Marke zu rühren, doch nicht John Bloor. Zwar wurden einmal ein paar Journalisten durch das frisch errichtete Werk geführt, aber das Wichtigste bekamen sie dort nicht zu sehen: Motorräder. Umso größer war dann der Paukenschlag 1990, als wie aus dem Nichts gleich sechs neue Triumph-Modelle auf der IFMA präsentiert wurden. Natürlich überschlug sich die Fachpresse mit der Berichterstattung: Triumph is back!

Die Produktion startete 1991 und belief sich zunächst auf weniger als zehn Motorräder pro Tag, schließlich mussten erst einmal Händlernetzte und Vertriebsstrukturen aufgebaut und vor allem Kunden gewonnen werden. Einer der ersten Mitarbeiter bei der deutschen Niederlassung von Triumph war damals Uli Bonsels. Er ist bis heute Pressesprecher von Triumph Deutschland und alleine die Tatsache zeigt, wie tief sich die Mitarbeiter der Marke verbunden fühlen.

Das Flaggschiff war beim Neustart von Triumph der vollverkleidete Tourensportler Trophy 1200 und er beeindruckte mit einem 141 PS starken 1179-cm3-Reihenvierzylinder. Für die Trophy 900 wurde der 1200er-Motor um einen Zylinder gekürzt, so dass ein 885-cm3-Reihendreizylinder mit 100 PS entstand. Dazu gesellten sich die beiden Naked Bikes Trident 900 und die Trident 750, bei deren 90-PS starkem 749-cm3-Dreizylinder es sich um den 900er-Motor mit zehn Millimeter kürzerem Hub handelte. Für die Sportfraktion gab es die Daytona 1000 mit einem 121-PS-998-cm3-Vierzylinder und die Daytona 750 mit dem Dreizylinder aus der Trident.

Sie waren die sechs Versuchsballons aus Hinckley, um zu sehen, was die Kunden annehmen würden. So stellte sich die schwere Daytona 1000 mit dem Vierzylinder als nicht wirklich konkurrenzfähig heraus und wurde nach nur drei Jahren von der Daytona 900 mit einem aggressiveren Design und dem weiterentwickelten 885-cm3-Dreizylindermotor abgelöst. Dank 115 PS und deutlich weniger Gewicht gewann die Daytona Super III 900 schließlich die Herzen der anglophilen Sportfahrer.