Motorrad mit Abstandsradar: Ducatis Reise-Enduro Multistrada V4

Ducatis Reise-Enduro Multistrada bekommt einen V4-Motor in einem Alu-Monocoque. Ganz neu im Motorradbau sind ihr Abstandsradar und die Zylinderabschaltung.

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Radar und Zylinderabschaltung: Ducati wird mit seinem SUV-Bike Multistrada V4 zum Technikpionier.

(Bild: Ducati)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
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Ducati hat seine Reise-Enduro Mulitstrada neu aufgelegt. Sie bekam nicht nur einen sehr kräftigen V4-Motor mit Zylinderabschaltung und aktueller Elektronik – sie bietet als erstes Motorrad der Welt ein Abstandsradar. Trotzdem hat Ducati die Fans geschockt: Die neue Multistrada hat keine desmodromische Ventilsteuerung mehr.

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Der Markt für Reise-Enduros ist hart umkämpft und die Konkurrenz tut alles, um die fast unbegreiflich und nachhaltig erfolgreiche BMW R 1250 GS anzugreifen. Ducati versucht es mit einem mächtigen V4 mit 125 kW (170 PS), laut Ducati noch besser fahrbar und sicherer als die Multistrada mit V2.

Das Herzstück, der V4 Granturismo, ist neu konstruiert auf Basis des V4 im Superbike Panigale. Die Multistrada kommt auf 1158 Kubikzentimeter Hubraum durch einen um 0,2 Millimeter auf 53,5 vergrößerten Hub und einer mit 83 Millimeter um zwei mm weiteren Bohrung. Die maximale Leistung von 170 PS liegen bei 10.500/min an. Die für eine Reise-Enduro entscheidende Drehmomentkurve bietet zwischen 4000 und 12.000 Touren permanent über 100 Nm, mit einem Maximum von 125 Nm bei 8750/min. Wie sinnvoll die hohe Leistung in einer Reise-Enduro in Hinblick auf Geländeausflüge ist, sei dahingestellt. Leistungsfetischisten werden auf der Straße ihre Freude haben.

Der neue V4 verzichtet auf eine Zwangssteuerung der Ventile. Das schmerzt bestimmt einige Ducatisti, schließlich war man stolz auf diese Besonderheit, seit der legendäre Ingenieur Fabio Taglioni sie erstmals 1968 in den Ducati Mark-3-Modellen eingebaut hatte. Sämtliche Ducatis mit Ausnahme der Königswellen-Modelle in den 1970er Jahren kamen bis heute in den Genuss der Desmodromik, obwohl sie nur bei den hochdrehenden Rennmotoren wirklich etwas brachte. Doch blieb sie bis heute aufwendig, teuer und wartungsintensiv.

Ducati Multistrada V4 (6 Bilder)

Ducatis Reiseenduro Mulitstrada mit V4-Motor hat mit der alten V2-Multistrada nichts mehr zu tun.

Deshalb setzen die Entwickler für den V4 Granturismo auf konventionelle Federn und Nocken zur Ventilbetätigung. Ducati schreibt nur alle 60.000 Kilometer eine Ventilspielkontrolle vor, was eine Menge Kosten spart. Der neue V4 hat zudem kleinere Drosselklappengehäuse, längere Kanäle und optimierte Brennräume. Die Drosselklappen werden von einem Elektromotor angetrieben und ermöglichen so die Abschaltung einer der beiden Zylinderbänke bei niedrigen Geschwindigkeiten und Ampelstopps.

Obwohl der V4-Motor zwei Zylinder mehr hat, ist er 85 mm kürzer, 95 mm niedriger und 1,2 kg leichter als der 1260-cm3-Testastretta-V2 der noch aktuellen Multistrada. Die kompaktere Form ermöglicht nun einen tieferen Schwerpunkt für eine bessere Massenzentrierung. Da er auch deutlich vibrationsärmer läuft, verzichtet Ducati beim V4 auf eine Ausgleichswelle.

Gewissermaßen als akustische Kosmetik bekam der V4 nun 70 Grad Kurbelzapfenversatz, damit er sich mehr nach Zweizylinder anhört. Das Getriebe verfügt über eine weite Spreizung dank eines kurz übersetzten ersten Gangs, um Fahrten im Gelände zu erleichtern, und eines langen sechsten für schnelle Autobahnetappen.

Einen völlig neuen Weg schlägt Ducati auch beim Rahmen der Multistrada ein. Während die Vorgängerin noch einen Gitterrohrrahmen aus Stahl besaß, erhält die Neue ein Monocoque aus Aluminium, das den Motor als tragendes Element aufnimmt.

Nur der angeschraubte Heckrahmen hat noch das bei Ducati traditionelle Gitterrohr-Design aus Stahl. Während die V2-Multistrada eine massiv wirkende Einarmschwinge besaß, ist die Multistrada V4 mit einer dagegen fast schon filigran wirkenden Zweiarmschwinge ausgestattet.

Das Design bleibt nahe an dem der Vorgängerin und wirkt doch ganz anders. Zwar bleibt der Schnabel über dem Vorderrad, aber die seitlichen Verkleidungsteile sind kleiner und lassen die Multistrada V4 optisch leichter erscheinen.

Die Frontmaske wurde neu gestaltet, sie hat jetzt drei Lufteinlässe und die LED-Scheinwerfer bekamen eine andere Form. Die Entwickler haben viel Zeit mit der Multistrada V4 im Windkanal verbracht, um die Aerodynamik zu optimieren. So sollen etwa die drei "Haifisch-Kiemen" hinter der Kühlerverkleidung die Wärme von den Beinen des Fahrers wegleiten. Die Scheibe steht jetzt steiler, ist mit nur einem Finger verstellbar und soll den Wind noch besser über den Helm leiten.

Die Tank-Sitzbank-Kombination ist komplett neu gestaltet. Das Tankvolumen wuchs von 20 auf 22 Liter und die Sitzbank ist nicht mehr auf den Tank hochgezogen. Dadurch sitzt der Fahrer auch nicht mehr in einer Kuhle, sondern kann bis zum Tank vorrutschen, um das Vorderrad in Kurven zu belasten.

Es bleibt aber bei der zweigeteilten Sitzbank, so dass der Sozius deutlich höher thront. Allerdings wuchs die Höhe der verstellbaren Sitzbank um 15 Millimeter auf 840 bzw. 860 Millimeter. Dafür erweist sich die Bank vorne aber als schmaler geschnitten, so dass die Schrittbogenlänge ungefähr gleich bleibt.