Streit über Rundfunkgebühren eskaliert: Sachsen-Anhalts Innenminister entlassen

Nach einem Interview muss Innenminister Stahlknecht gehen. Die Kenia Koalition droht zu platzen – Bundespolitiker schieben die Verantwortung hin und her.

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(Bild: ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice / Ulrich Schepp)

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  • dpa
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Der Koalitionsstreit in Sachsen-Anhalt um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags stürzt auch die CDU in schwere Turbulenzen: Ministerpräsident Reiner Haseloff entließ am Freitag nach einem umstrittenen Interview Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU). Wesentlicher Grund dafür sei, dass Stahlknecht unabgestimmt während der laufenden Bemühungen zur Stabilisierung der Koalition öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer CDU-Minderheitsregierung in den Raum gestellt habe, teilte die Staatskanzlei in Magdeburg mit.

Das Vertrauensverhältnis zu Stahlknecht sei so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören könne. Der Regierungschef verfolge weiterhin das Ziel, in der Corona-Pandemie eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die über eine verlässliche Mehrheit verfüge, hieß es. SPD und Grüne begrüßten die Entscheidung des Ministerpräsidenten.

Stahlknecht hatte im Gespräch mit der Magdeburger Volksstimme nicht nur ausgeschlossen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem Beitragsplus abrückt, sondern die Kritik unter anderem auch mit dem Bild Ostdeutschlands in den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer Berichterstattung mit dem "erhobenen Zeigefinger der Moralisierung" gerechtfertigt.

Gleichzeitig hatte er angekündigt, im Falle eines Auseinanderbrechens der Magdeburger Koalition mit einer CDU-Minderheitsregierung bis zur regulären Landtagswahl im Juni 2021 weitermachen zu wollen. Ministerpräsident Haseloff hatte eine Minderheitsregierung bisher stets kategorisch ausgeschlossen – ebenso wie eine Abhängigkeit von Stimmen der AfD.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer rief die Koalition auf, für stabile Verhältnisse zu sorgen. "Ich hoffe, dass in Sachsen-Anhalt alle verantwortlichen Kräfte gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten für politische Stabilität sorgen", sagte die Bundesvorsitzende der dpa. "Die CDU steht dafür, dass sich die Menschen auf sie verlassen können gerade in schwierigen Zeiten."

Ursache des Streits ist die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Im Koalitionsvertrag ist dazu Beitragsstabilität vereinbart. SPD und Grüne wollen die Erhöhung aber mittragen, die CDU-Fraktion will sie verhindern. Die AfD ist ebenfalls gegen die Erhöhung. Sollte die CDU ihre Position mithilfe der AfD durchsetzen, wollen SPD und Grüne die Koalition verlassen. Sie sehen in dem Vorhaben eine Zusammenarbeit mit der AfD, die alle drei Koalitionspartner eigentlich ausgeschlossen hatten.

Haseloff hatte Anfang der Woche mit der Staatskanzlei einen Vorschlag ausgearbeitet, mit dem eine Abstimmung im Landtag vermieden werden sollte. Die Erhöhung um 86 Cent könnte durch die Nichtbefassung nicht wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten. Das hatten SPD und Grüne abgelehnt. Kramp-Karrenbauer sieht die Koalitionspartner nach dem Vorschlag dennoch in der Pflicht: "Die Entscheidung liegt jetzt insbesondere bei SPD und Grünen, die sich ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden müssen."

Die Bundes-Grünen sahen das am Freitag anders und forderten die Bundes-CDU auf einzugreifen. "Ich hoffe sehr, dass die CDU im Bund noch irgendeinen ordnenden Einfluss hat, damit die CDU in Sachsen-Anhalt in der Mitte bleibt und nicht nach rechts abdriftet", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner dem "Handelsblatt".

Haseloffs Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, zeigte sich am Freitag sicher, dass Haseloffs Abgrenzung zur AfD gilt. Dieser habe "für seinen Kurs die Solidarität und die Unterstützung der ganzen deutschen CDU", sagte der Kandidat für den CDU-Bundesvorsitz der dpa. "Der Kurs der Mitte war und bleibt richtig." Zuvor hatte sich Laschet entsprechend auch in der Bild geäußert.

Die Union sei "die staatstragende Volkspartei der zweiten deutschen Demokratie", betonte Laschet. "Dazu gehört unsere feste Verankerung in der gesellschaftlichen Mitte mit einem klarem Wertekompass." Es gebe Momente, in denen eine klare Haltung gefragt sei. Haseloff habe "für seinen Kurs die Solidarität und die Unterstützung der ganzen deutschen CDU. Der Kurs der Mitte war und bleibt richtig."

Stahlknecht war seit 2011 Innenminister, ist seit 2018 CDU-Landeschef und galt jahrelang als gesetzt für die Nachfolge von Ministerpräsident Haseloff. Dieser Ambition machte der Amtsinhaber erst vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung und verkündete, für eine dritte Amtszeit als CDU-Spitzenkandidat anzutreten.

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