EU-Parlament: Arbeitnehmer sollen Handy & Co. auch mal abschalten dürfen

Nicht-Erreichbarkeit in der Freizeit muss in der EU ein Grundrecht werden, fordern die EU-Abgeordneten. Negative Konsequenzen dürften nicht drohen.

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(Bild: TheVisualsYouNeed/Shutterstock.com)

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Nach Arbeitsschluss und im Urlaub sollte es Arbeitnehmern ohne negative Konsequenzen möglich sein, ihre Arbeits- und Kommunikationsgeräte wie Smartphones oder Laptops abzuschalten. Dies fordert das EU-Parlament in einem am Donnerstag mit großer Mehrheit angenommenen Bericht. 472 Abgeordnete stimmten für die Initiative, 126 dagegen, 83 enthielten sich.

Insbesondere die Telearbeit im Homeoffice, die während der Corona-Pandemie zum Alltag zahlreicher Europäer geworden ist, hat laut den Volksvertretern die Bedeutung einer gesunden Work-Life-Balance unterstrichen. Sie bemängeln, dass es derzeit keine explizite Rechtsvorschrift der EU zur Nicht-Erreichbarkeit außerhalb regulärer Arbeitszeiten gibt. Die EU-Kommission soll daher einen entsprechenden Gesetzesrahmen zu schaffen, den die Mitgliedstaaten dann umsetzen müssten.

Die EU-Länder sollen dem Beschluss zufolge etwa über Klauseln in Tarifverträgen sicherstellen, dass die Arbeitnehmer ihr Grundrecht auf Abschalten effektiv ausüben können. Dies sei zum Schutz der Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung unerlässlich. Die Kultur des "always on" und die wachsende Erwartung, dass Beschäftigte jederzeit erreichbar seien, könne sich negativ auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, die körperliche und geistige Fitness und das Wohlbefinden auswirken.

Digitale Arbeitswerkzeuge bergen auch erhebliche Nachteile, hebt das Parlament auf Empfehlung seines Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hervor. Durch die ständige "Rufbereitschaft" könnten sich Arbeitszeiten verlängern. Grenzen von Berufs- und Privatleben drohten zu verschwimmen. Allen Beschäftigten müsse daher klar sein, dass sie von arbeitsbezogenen Aufgaben und elektronischer Kommunikation außerhalb der Arbeitszeit Abstand nehmen dürften.

Einen Impuls für die Initiative gab die Zunahme der Telearbeit während des Kampfs gegen die Corona-Krise. Laut einer aktuellen Umfrage der Stiftung für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen Eurofound arbeiten seit dem Ausbruch der Pandemie rund ein Drittel aller Europäer von zu Hause aus. Das Homeoffice auch pünktlich zu "verlassen", fällt vielen aber schwer. 27 Prozent der zu Hause tätigen Teilnehmer gaben an, auch in ihrer Freizeit zu arbeiten, um den Anforderungen ihres Jobs gerecht zu werden. Vor Arbeitsbeginn wird dann schon mal eine E-Mail verschickt oder nach Feierabend noch ein Anruf von Kollegen angenommen.

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Die Kommission muss nun einen entsprechenden Rechtsakt vorlegen oder begründen, warum sie dem Appell des Parlaments nicht nachkommt. Bei der Brüsseler Regierungsinstitution dürften die Abgeordneten aber wohl kaum auf taube Ohren stoßen. Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, betonte Anfang 2020: "Das Recht abzuschalten, ist etwas ganz Normales, denn wir sind keine Roboter." Hierzulande mahnt vor allem die SPD seit Längerem, Beschäftigte müssten "vor einer überbordenden Inanspruchnahme und der Anforderung einer ständigen Erreichbarkeit oder Präsenz durch den Arbeitgeber" geschützt werden.

(mho)