TKG-Novelle: Bundesrat billigt "schnelles" Internet für alle mit Auflagen

Mit einer wackeligen Mehrheit hat der Bundesrat der TKG-Novelle zugestimmt. Eine Auktion von Funkfrequenzen soll es nicht mehr automatisch geben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen

(Bild: Shutterstock/Peshkova)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mit 39 von insgesamt 69 Stimmen hat der Bundesrat am Freitag die lange umstrittene Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) befürwortet. Mit der Initiative sollen Unternehmen mehr Anreize für einen zügigen und flächendeckenden Glasfaserausbau erhalten. Dazu kommt ein Recht auf "schnelles" Internet, das sechs Monate nach Inkrafttreten der Novelle greifen soll. Generelle Anliegen des Gesetzgebers ist es, den EU-Kodex für die elektronische Kommunikation verspätet in nationales Recht umzusetzen.

Fast hätte das "Telekommunikationsmodernisierungsgesetz" noch eine Runde im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat drehen müssen. Der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer hatte empfohlen, dieses Gremium anzurufen. Er bemängelte etwa die zu vage Vorgabe, Funklöcher "möglichst" bis 2026 zu schließen. Zudem monierte der Ausschuss, dass der Beschluss des Bundestags die im bisherigen TKG angelegte Fokussierung auf das Versteigerungsverfahren zur Vergabe von Mobilfunkfrequenzen übernimmt, ohne alternative Vergabemodelle zu berücksichtigen.

Im Plenum fand sich dann aber keine Mehrheit dafür, das mehrere hundert Seiten lange Paket noch einmal aufzuschnüren. Die Bundesregierung gab aber eine Erklärung zu Protokoll, in der sie eine "ergebnisoffene Auswahl" des Vergabeverfahrens für Frequenzen zusagt. Weitere Schritte dazu sollen noch mit dem laufenden parlamentarischen Verfahren zum Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) erfolgen.

Zuvor hatte der Europarechtler Christian König in einem Gutachten für Telefónica festgestellt, dass das bevorzugte Abstellen auf Auktionen nicht mit dem EU-Recht vereinbar sein dürfte. Der Netzbetreiber mahnte daher, dass die Regierung ihr Versprechen in den kommenden Monaten auch einlösen müsse, um "Verlässlichkeit und Planbarkeit" für die Branche sicherzustellen.

Für den Anspruch auf ein flächendeckendes Festnetz muss die Bundesnetzagentur die Anforderungen erst noch festlegen. Sie soll dafür die von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzte Mindestbandbreite sowie die Uploadrate und die etwa für Live-Streams und Online-Games wichtige Zeitverzögerung (Latenz) heranziehen. Der Bundestag legte auch fest, dass unter diesen Universaldienst reguläre Homeoffice-Anwendungen, Anrufe und Videocalls sowie die Nutzungsmöglichkeit sozialer Medien fallen. Diese Leistung dürfte zunächst "durch ein 30-MBit-Produkt erreicht" werden. In den Topf, aus dem das Internet für alle bezahlt wird, müssen auch Messenger-Dienste einzahlen.

Die Möglichkeit für Vermieter, die TV-Kabelgebühren auf den Mieter umzulegen, soll Mitte 2024 wegfallen. Als Ersatz kommt ein auf Hochgeschwindigkeitszugänge ausgerichtetes, gedeckeltes Nebenkostenprivileg: Wenn ein Vermieter einen Provider mit dem Ausbau der Gebäudeinfrastrukturen mit Glasfaser beauftragt, kann er die entstehenden Kosten auf die Nebenkostenabrechnung umlegen. Der Betrag darf dabei monatlich fünf Euro nicht überschreiten und ist in der Regel auf fünf Jahre begrenzt.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung nun hier zu prüfen, ob diese Klausel "unmittelbar oder mittelbar nachteilige Auswirkungen auf die Entwicklung und Bezahlbarkeit der Mieten in Deutschland hat". Die Passage führt laut den Ländern auch "zu einer deutlichen Ungleichbehandlung von mit der Wohnungswirtschaft verbundenen Netzbetreibern und sonstigen Dritten", da ihnen faktisch die Inanspruchnahme eines nach dem TKG grundsätzlich vorgesehenen Finanzierungsmodells verwehrt werde.

Um LTE durchgehend und unterbrechungsfrei an allen Bundes-, Land- und Kreisstraßen sowie an allen Schienenstrecken zu gewährleisten, sollen lokales Roaming oder die gemeinsame Nutzung von passiven oder aktiven Infrastrukturen für Funkfrequenzen dort zum Einsatz kommen, "wo ein äußerst lückenhafter oder gar kein Zugang zu Netzen und Diensten zu verzeichnen ist". Der Bundesrat bringt hier seine Sorge zum Ausdruck, dass diese Vorgabe nicht mit dem EU-Kodex vereinbar sein dürfte. Demnach müssten solche Instrumente auf ein eng umgrenztes Gebiet beschränkt werden.

Die im TKG bereits enthaltenen Überwachungsauflagen erweiterte der Bundestag und übernahm dabei Teile von "Seehofers Liste". Das Parlament fügte zudem die neuen Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft sowie die alten zur Vorratsdatenspeicherung ein. Letzte sind aufgrund von Entscheidungen von Verwaltungsgerichten derzeit ausgesetzt. Der eco-Verband der Internetwirtschaft kritisierte diesen Schritt als "Bankrotterklärung" für die Bürgerrechte. Auch der Bundesrat ignoriere so die ständige Rechtsprechung Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Der Breitbandverband Breko zeigte sich erleichtert, "dass das für den weiteren Glasfaserausbau so wichtige Gesetzgebungsverfahren nach langem Anlauf jetzt erfolgreich zu Ende gebracht wurde". Er begrüßt vor allem den "starken Anreiz für den Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern" mit der neuen Umlagefähigkeit. Im Bereich Genehmigungsverfahren, der Nutzung alternativer Verlegemethoden sowie mit dem erweiterten Universaldienst verpasse der Gesetzgeber aber die große Chance, "die bestehenden Bremsen endlich zu lösen".

Trotz einiger Kritikpunkte erwartet auch der Glasfaserverband Buglas mit dem Gesetz einen Schub für "zukunftsfähige Glasfasernetzen" mit "Fiber to the Building/Home". Die vorgesehene Umsetzungsfrist von Vorgaben zum Verbraucherschutz und zur Dokumentation sei angesichts der dafür nötigen Umstellung von IT-Systeme aber zu kurz bemessen. Exekutive und Legislative müssten zudem wieder zu deutlich mehr Transparenz, einer effektiveren Branchenbeteiligung und längeren Kommentierungs- und Bewertungsfristen zurückzukehren.

Prinzipiell bestätigt sieht der Verbund der Telekommunikations-Endgerätehersteller (VTKE) mit der Novelle die freie Endgerätewahl. Aus Sicht der Hersteller von Routern und Telefonanlagen muss die Bundesnetzagentur diese Bestimmung aber besser umsetzen: "Insbesondere Anbieter von Glasfaseranschlüssen halten sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben und erlauben keine eigenen Endgeräte am passiven Netzabschlusspunkt." Es gebe keine technischen Gründe, von der neu ins Gesetz aufgenommenen Option – Ausnahmen von diesem Prinzip zuzulassen– Gebrauch zu machen. Die Endgerätefreiheit dürfe damit nicht de facto wieder abgeschafft werden.

(bme)