Jungbrunnen: Wie alt sind die Motorradfahrer wirklich?

Jüngeren Aktiven werden Krad und Versicherung oft zu teuer, durch ihre Sparstrategien fallen sie aus der Statistik. So entsteht die Idee der Biker-Überalterung.

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KTM 390 Duke und KTM 125 Duke

KTM 390 Duke (Dauertest) und vorn das Einsteiger-Bike KTM 125 Duke (Test)

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Zu Beginn des Jahres verkündete ein großes deutsches Motorradmagazin: "Der deutsche Durchschnittsmotorradfahrer ist zwischen 50 und 59 Jahre". Die Redaktion bezog sich dabei auf eine Statistik des Kraftfahrtbundesamts (KBA). Das klingt so, als stünden Motorradfahrer in Deutschland kurz vor dem Aussterben.

Zum Glück ist dem nicht so, denn die Statistik besagt nur, dass sich Menschen in der Altersklasse aufgrund ihres hohen Einkommens am häufigsten neue Motorräder leisten. Wahr ist sicher, dass Motorradfahren ein teures Hobby ist, das sich nicht jeder leisten kann. In Wirklichkeit gibt es aber viel mehr junge Motorradfahrer, als gemeinhin behauptet wird.

2020 war ein Rekordverkaufsjahr: 221.994 neue Krafträder wurden in Deutschland zugelassen, so viel wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Darunter waren 132.126 Motorräder über 125 cm3 Hubraum, eine Steigerung um 16,9 Prozent zum Vorjahr.

Die meisten Käufer waren zwischen 50 und 59 Jahre alt: 40.312 (36,5 Prozent) Neuzulassungen gingen auf sie. Dahinter folgten die 40- bis 49-jährigen, die mit 20.768 (18,8 Prozent) Neumotorrädern beim KBA registriert wurden. Wenn die 16.210 (14,7 Prozent) Über-60-jährigen noch dazu addiert werden, besagt die Statistik, dass 2020 satte 70 Prozent der Neumotorräder über 125 cm3 von Menschen gekauft wurden, die älter als 40 Jahre alt waren. Männer stellten dabei die überwiegende Mehrheit, nur 10,6 Prozent der Neuzulassungen entfielen auf Frauen.

Wie alt sind die Motorradfahrer wirklich? (7 Bilder)

Die Faszination des Motorrads wirkt auf junge Menschen immer noch. Aus den Verkaufszahlen der Neumotorräder zu schließen, dass in Deutschland der Motorradfahrernachwuchs ausbleibt, trifft zum Glück nicht zu.

Daraus aber zu folgern, dass es in Deutschland aus Überaltersgründen bald keine Motorradfahrer mehr gibt, wäre voreilig: Der Neumotorradmarkt macht nur einen kleinen Anteil am Gesamtmotorradmarkt aus. Im Jahr 2020 registrierte das KBA auch rund 526.000 Besitzumschreibungen von Krafträdern. Damit war der Gebrauchtmotorradmarkt mehr als doppelt so groß wie der Neumotorradverkauf. Allein im ersten Quartal 2021 gab es in Deutschland 67.540 Besitzumschreibungen von gebrauchten Motorrädern, dagegen wurden im gleichen Zeitraum nur 27.959 neue Krafträder zugelassen.

Der Grund liegt auf der Hand: Viele Motorradführerscheinbesitzer können oder wollen sich keine teuren Neumaschine leisten. Das trifft natürlich ganz besonders auf junge Menschen zu, die stattdessen auf dem in Deutschland erfreulich großen Gebrauchtmarkt nach einem passenden Bike suchen. Für das Jahr 2018 hat das Kraftfahrtbundesamt die Altersstatistik der Besitzumschreibungen sorgfältig ausgewertet und kam zu dem Ergebnis, dass rund 86.000 der Gebrauchtmotorradkäufer jünger als 30 Jahre waren.

Doch es ist gar nicht notwendig, sich ein Motorrad leisten zu können, um in den Genuss der zweirädrigen Freiheit zu kommen. Es gibt viele volljährige Schüler, Studenten und Auszubildende, die noch kein oder zu wenig Geld verdienen, um sich ein eigenes Kraftrad zu kaufen, und trotzdem schon Motorrad fahren. Sie leihen sich gerne die Bikes von ihren Eltern aus, schließlich ist es wesentlich ökonomischer, sich ein Motorrad zu teilen.

Auf 16-jährige mit Klasse A1 trifft das sogar zwangsläufig zu. Zu den 125ern schrieb die erwähnte Motorradzeitschrift: "Rund 62 Prozent der Leichtkraftradkäufer waren zwischen 40 und 60 Jahre alt. Bei den 125er-Rollern entfallen die Neuzulassungen sogar zu fast 83 Prozent auf Halter über 40 Jahre." Doch, die Statistik stimmt schon, nur eben nicht die Schlussfolgerung. Vielmehr entsprechen die 40- bis 60-jährigen der Altersgruppe, die sechzehnjährige Kinder haben. Die Sprösslinge haben gerade den Führerschein A1 bestanden, aber dürfen keine 125er auf sich versichern, da sie noch nicht voll geschäftsfähig sind. Somit bleibt nichts anderes übrig, als die Leichtkrafträder und -roller auf die Eltern zuzulassen. Mit den 125ern fahren aber überwiegend die Jugendlichen, nicht die Alten.

Dann gibt es da noch die jungen Menschen, die zwar gerade so den Kauf einer gebrauchten Maschine finanzieren können, aber für die exorbitanten Summen, die Versicherer von Neukunden unter 25 Jahre verlangen, kein Geld mehr übrig haben. Auch hier springen dann großzügig Papa oder Mama ein und lassen das vom Nachwuchs erworbene Motorrad auf sich zu, um einen deutlich günstigeren Versicherungstarif zu bekommen.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass junge Menschen in Deutschland gar nicht mehr Motorradfahren wollen. Doch ein Blick auf die neu erteilten Fahrerlaubnisse der Klasse A, A1 und A2 spricht eine andere Sprache: Die Zahl der frischgebackenen Motorradfahrer unter 25 Jahren blieb in den letzten Jahren konstant hoch, wie das Kraftfahrtbundesamt bestätigt.

Da es 2020 durch die Maßnahmen gegen Covid-19 zu längeren Schließungen der Fahrschulen kam und auch die Prüfungstermine beim TÜV stark eingeschränkt waren, ziehen wir für ein realistischeres Bild das Jahr 2019 heran: Damals haben 221.203 Menschen (177.177 Männer und 44.006 Frauen) den Motorradführerschein bestanden und 112.766 von ihnen waren unter 25 Jahre, die Altersklasse von 25 bis 44 Jahren war mit nur 73.141 Personen vertreten. Zwar werden wohl nicht alle Unter-25-jährigen ihren Motorradführerschein auch nutzen, aber sicher fahren viele von ihnen ein Kraftrad, das nicht auf sie zugelassen ist. Die hohe Zahl der Führerscheinneulinge beweist, dass der Spaß am Motorrad bei jungen Menschen ungebrochen ist.

2020 gab es mit dem Führerschein B196 eine Neuerung bei den Motorradfahrerlaubnissen, welche die Altersstatistik verzerrt: Autoführerscheinbesitzer, die über 25 Jahre sind, dürfen auch ohne Fahrprüfung Leichtkrafträder bis 125 ccm fahren, wenn sie einige praktische und theoretische Fahrstunden in der Fahrschule genommen haben. 77.823 Autoführerscheinbesitzer haben 2020 den Führerschein B196 erteilt bekommen, leider gibt es keine genauere Aufteilung der Altersstruktur. Die zusätzlichen Motorrad-Fahrerlaubnisse erhöhen zwangsläufig das statistische Durchschnittsalter der Motorradfahrer in Deutschland, ändern aber nichts an der Zahl der jungen Führerscheinneulinge.

Die Jugend rückt bei den Motorradfahrern nach, wie bisher, die Jüngeren können sich lediglich nicht so oft ein neues Bike leisten wie die Ü-50-Generation. Motorradfahren hält also nicht nur jung, sondern fasziniert auch die Jugend immer noch.

(fpi)