RNA kann mehr als nur Impfstoff

Als Impfstoff gegen Covid-19 hat die RNA Karriere gemacht. Aber das kleine Transkript der DNA ist auch gut geeignet, um Krankheiten zu heilen oder zu erkennen.

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Das menschliche Protein ADAR (grün) kommt in fast allen Zellen vor und schreibt einzelne Bausteine der mRNA um. Es soll künftig helfen, Genfehler zu beheben, ohne die DNA verändern zu müssen. Es ist in der Zelle in ein feines Gespinst aus Mikrotubuli (rot) eingewoben, das der Zelle unter anderem ihre Stabilität verleiht.

(Bild: Abbildung: Human Protein Atlas)

Lesezeit: 4 Min.

Mit der Genschere CRISPR/Cas9 waren und sind in der Medizin viele Hoffnungen verbunden: Fehlerhaftes Gen ausschneiden, funktionierendes einsetzen, Krankheit geheilt. Erste CRISPR-Therapien an Patienten mit Sichelzellanämie und Krebs haben es bereits in klinische Studien geschafft. Dabei werden den Kranken Zellen entnommen, mit der Genschere behandelt und die reparierten Zellen zurückgegeben. Das Erbgut von Zellen direkt im Körper zu verändern, scheut sich die Medizin aus vielen guten Gründen noch.

TR 5/2021

„DNA-Editierung ist im Grund wie Chirurgie. Sie verändern das Erbgut und müssen damit leben, was dabei herauskommt“, sagt Thorsten Stafforst, Arbeitsgruppenleiter am Interfakultären Institut für Biochemie der Universität Tübingen. Hier kommt die RNA ins Spiel. Als messenger-RNA, kurz mRNA, transportiert sie die Informationen der DNA als Abschrift aus dem gut abgeschirmten Zellkern in den Teil der Zelle, in dem produziert wird. Dort wird die Abschrift in Proteine übersetzt, die als Enzyme, Botenstoffe, Baumaterialien – oder was auch immer –gerade gebraucht werden. Hat die DNA einen Fehler, hat ihn die mRNA ebenfalls und das führt dann zu fehlerhaften Endprodukten, die ihre Aufgabe im Körper nicht erfüllen können. Die Idee ist nun, nicht an dem gut abgeschirmten und sensiblen Original herumzumanipulieren, sondern die Kopie zu korrigieren.

Über RNA-Editing könnten kleine, aber wirkungsstarke Mutationen vorübergehend korrigiert werden, es könnte die Produktion von Proteinen über einen gewissen Zeitraum gestoppt oder ihre Funktion in einzelnen Organen oder Geweben verändert werden. Da mRNA bei Bedarf produziert wird und die Zelle ungenutzte RNA zügig in ihre Bestandteile zerlegt, um neue bauen zu können, sind Fehler bei der Behandlung nicht lebenslang in die Gene geschrieben. Gentherapie ist es irgendwie dennoch – nur aus der zweiten Reihe.

Aber nicht nur beim Behandeln von Erbkrankheiten könnte RNA künftig eine wichtige Rolle spielen. Forschende wollen veränderte RNA nutzen, um das Immunsystem etwa bei Krebstherapien zu unterstützen oder wirkungsvolle Schmerzmittel ohne Suchtgefahr zu entwickeln.

Wenn es nicht um Heilen, sondern die Diagnose geht, sind CRISPR/Cas und RNA bereits ein erfolgreiches Paar: Das kleine Geschwisterchen von CRISPRS/Cas9, das Cas13-System ist nicht auf DNA, sondern auf RNA spezialisiert und ein elegantes Werkzeug, um RNA nachzuweisen: Sowohl das SARS-Cov-2 als auch beispielsweise Influenza sind RNA-Viren. Ihr Erbgut besteht nicht aus DNA, sondern aus RNA. Beim Testen auf RNA-Viren gibt es derzeit zwei Möglichkeiten: schnell, dafür unsicher mit einem Antigen-Schnelltest oder langsam, aber sehr sicher mit einem PCR-Test. Letzterer weist direkt die Viren-RNA nach; die Schnelltests, die wir für Covid-19 Schnelltests verwenden, erkennen nur die Oberflächenstruktur des Virus.

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir Testsysteme benötigen, die so sicher wie PCR-Tests, aber deutlich schneller sind. Am MIT haben Forschende ein Testsystem entwickelt, dass diese Lücke schließt. Es trägt den Namen „Sherlock“ und der Virusnachweis ist mit bloßem Auge zu erkennen – die Probe leuchtet durch einen Farbmarker auf, der nur freigesetzt wird, wenn das passende Virus in der Probe ist. Auf dem Prinzip basiert etwa der von dem US-amerikanischen Unternehmen IDT angebotene Covid-19-Test.

Mehr über die vielen Möglichkeiten, die RNA für die Medizin eröffnet – und welche Technologien dahinterstecken – erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe 5/2021 von MIT Technology Review (im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich).

(jsc)