Faktenchecks, Löschen, Sperren: Wie Google die Bundestagswahl sicher machen will

Google baut auf Diensten wie Suche und YouTube den Zugang zu "glaubwürdigen und relevanten Informationen" aus, spezielle Trends zur Wahl werden angezeigt.

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Bundestag, Parlament, Reichstag, Bundesregierung, Berlin

(Bild: Jörn Heller, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

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45 Tage vor der Bundestagswahl am 26. September haben Vertreter von Google Deutschland ihren "digitalen Werkzeugkasten" für die demokratische Abstimmung vorgestellt. Es gehe vor allem darum, den "Zugang zu glaubwürdigen und relevanten Informationen" zu verbessern, erläuterte Isabelle Sonnenfeld, Leiterin Google News Lab, am Donnerstag in einer Videokonferenz. Zum allerersten Mal werde es so in der Google-Suche die Funktion "Wie wähle ich?" geben.

Wer diese oder ähnliche Fragen eingibt, wird in den Ergebnissen mit Auskünften etwa zur Briefwahl und zum Besuch der Wahllokale basierend auf dem Angebot des Bundeswahlleiters bedacht. Dies funktioniert auch per Sprachbefehl etwa auf smarten Lautsprechern per Google Assistant. Das Videoportal YouTube ist ebenfalls eingebunden und leitet bei entsprechenden Anfragen auf die neue Funktion in der Suche um.

Auch Faktenprüfungen spielten angesichts der Sorge vor Desinformationskampagnen eine wichtige Rolle rund um die Suchfunktion, erläuterte Sonnenfeld. Mit der dpa habe Google dazu das Programm Faktencheck21 gestartet, in dessen Rahmen bereits rund 800 Journalisten an Trainings teilgenommen hätten. Zudem gebe es dafür eine "aktive Slack-Community". Neu sei eine spezielle Seite zur Wahl bei dem inzwischen 15 Jahre alten Neugierinstrument Google Trends.

Dort lässt sich etwa nachsehen, wie sich das Suchinteresse nach Top-Themen und zu einzelnen Kandidaten, Parteien, Begrifflichkeiten sowie Wahlprogrammen verändert. Für die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, ist dort als zunehmend gefragter Suchbegriff derzeit etwa "grüner mist" gefragt, nachdem sich die Partei seit einigen Tagen mit einer gleichnamigen Schmähkampagne von Rechtsaußen konfrontiert sieht. Eine häufig gestellte Frage sei auch: "Wer gewinnt die Wahl", erklärte Sonnenfeld. Darauf könne aber auch die Trend-Abfrage noch keine genaue Antwort geben.

Der Daten-Designer Moritz Stefaner hat parallel auf der Plattform Suchströme Trends aus Google zur Wahl visualisiert. Dort könne man sehen, wie sich manche Themen "richtig umtänzeln" sowie hoch- und runtergingen, erklärte der Experte. Katastrophenschutz etwa habe im Juli einen "Peak" gehabt, Klimawandel sei demgegenüber "die kleinere Frage", die im Winter besonders gefragt gewesen sei. Bei den Parteien habe es im Januar ein hohes Interesse für die CDU gegeben, im Frühjahr seien die Grünen mehr gefragt gewesen. Mittlerweile befänden sich "beide im mittleren Bereich". Die SPD liege aktuell hinter den Anfragezahlen vor der letzten Bundestagswahl 2016 deutlich zurück.

Auf die Werbe- und Informationsvorgaben für YouTube verwies Sabine Frank, Leiterin Regierungsbeziehungen bei Google. Neu sei hier, dass "zu einzelnen sensiblen Bereichen" in Videos die zentrale Werbeform etwa für Parteien aktuell nicht erlaubt werde. Um die Integrität des Meinungsbildungsprozesses vor der Wahl zu unterstützen, gebe es zudem für politische Werbung schon seit einiger Zeit Einschränkungen. So sei "detailliertes Microtargeting" etwa nicht zulässig.

Frank erinnerte ferner an die Prinzipien "Entfernen, Sichtbarmachen, Reduzieren und Löschen", um zuverlässige Informationen hervorzuheben sowie potenziell schädlicher und "grenzwertiger" Beiträge Herr zu werden. Entfernt würden etwa Inhalte, die den Anschein erweckten, ein Politiker sei verstorben, die einen falschen Wahltermin angäben oder es darauf anlegten, demokratische Prozesse etwa über den Aufruf zum Bilden langer Schlangen vor Wahllokalen zu stören. Kanäle sperre YouTube, wenn sich die Inhaber als andere Personen oder Organe ausgäben oder die Anzahl von Aufrufen durch automatisierte Systeme zu beeinflussen suchten. Diese Richtlinien setze man "konsequent und unparteiisch um".

Hinweise auf Versuche, Suchalgorithmen rund um die Wahl zu manipulieren, lägen momentan keine vor, berichtete Martin Loss, Programm-Manager am Google Safety Engineering Center (GSEC) in München. Für Risikogruppen wie Politiker biete das Zentrum spezielle Trainings an und empfehle etwa einen Kontoschutz mit 2-Faktor-Authentifizierung über einen physischen Sicherheitsschlüssel nach Fido2-Standard.

Zudem gibt es laut Loss Kooperationen etwa mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und "Politker:innen sicher im Netz von DsiN" (PolisiN). Über ausgemachte Cyberangriffe informiere die Threat Analysis Group (TAG) regelmäßig in speziellen Bulletins. Einen detaillierten Überblick über den Instrumentenkoffer gibt Google in einem Blogeintrag.

Bundestagswahl 2021

(Bild: roibu/Shutterstock.com)

Es ist nicht mehr lange hin: Am Sonntag, den 26. September, wird der neue Bundestag gewählt - und damit auch eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler, denn Angela Merkel tritt nicht mehr für die CDU/CSU an. In den nächsten Monaten und Jahren stehen entscheidende Weichenstellungen nicht nur für die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt insgesamt an. Digitalisierung der Berufswelt und des kompletten Alltags beschäftigen die Menschen; und der Klimawandel – der nicht kommt, sondern längst da ist - erfordert einschneidende Maßnahmen, um nur zwei wichtige Themen zu nennen. heise online untersucht in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien anhand der wichtigsten Themenfelder; im Anschluss wird eine Interviewserie mit den für Netzpolitik zuständigen Parteivertretern dies noch vertiefen. Bisher erschienen:

(jk)