Nachhaltiger Beton: Wie der graue Baustoff klimafreundlicher werden kann

Beton ist für bis zu zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Ihn zu senken ist kompliziert. Forscher arbeiten daran – auch an seiner Ästhetik.

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Die 71 Meter hohen „Torres Blancas“ in Madrid zeigten schon 1969, wie vielfältig Betonbauten sein können.

(Bild: Jacinda Lluch Valero)

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Wolfram Schmidt hat viel zu erzählen. Entsprechend rasant ist sein Redetempo. Innerhalb einer knappen Stunde spannt er am Telefon den Bogen von der Maniokwurzel zum Hochhaus, von der Chemie zur Logistik, von der Ausbildung zur Normung. Der graue Werkstoff Beton, das wird spätestens nach einem Gespräch mit Schmidt klar, hat viele bunte Facetten. Von Architekten geliebt und vom Publikum beargwöhnt, drängt sich nun ein neuer Aspekt ins öffentliche Bewusstsein: seine Klimabilanz.

Beton ist nach Wasser der am meisten von Menschen benutzte Stoff überhaupt. Er besteht in erster Linie aus Kies und Sand, die von Zement zusammengehalten werden. Allein dessen Herstellung ist, je nach Quelle, für satte sechs bis zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Tendenz: vermutlich steigend, denn gerade Schwellenländer haben einen großen Aufholbedarf. "80 Prozent der Gebäude, die 2050 in Afrika stehen werden, sind noch gar nicht gebaut", sagt Schmidt. "Afrika könnte ein Pionier werden für grünes Bauen."

Er selbst arbeitet an der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) mit unkonventionellen Ideen daran, Beton klimafreundlicher zu machen. Die schlechte Nachricht ist: Man muss dazu immer an mehreren Stellschrauben gleichzeitig drehen, denn die CO2-Emissionen fallen auf verschiedenen Wegen an. Die gute: Es gibt reichlich Ansätze, die Klimabilanz trotzdem zu verbessern. Sie bringen Farbe in die graue Welt des Betons.

Heute ist mit "Zement" meist grauer "Portland-Zement" gemeint, benannt nach dem gleichfarbigen Kalkstein der gleichnamigen südenglischen Halbinsel. Ob in Säcken abgefüllt oder im Betonmischer angeliefert, ob beim Stahlbeton einer Autobahnbrücke oder beim Mörtel einer Ziegelwand – die grundlegende Rezeptur ist im Wesentlichen immer die Gleiche. Das freut Normungsgremien und Bauingenieure, denn es macht ihre Arbeit einfacher. Aber es ist auch ein Grund für die verheerende Klimabilanz, denn oft passt Portland-Zement nur mittelgut zu einer bestimmten Anforderung. So vielfältig die Anwendungen von Zement, so vielfältig ist auch die Möglichkeit – und Notwendigkeit – ihn für bestimmte Aufgaben maßzuschneidern.

Klassischer Portland-Zement besteht im Wesentlichen aus gemahlenem Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz, die in einem Drehrohrofen bei rund 1450 Grad zu "Klinker" gebrannt werden. Dabei wandelt sich Kalkstein (Calciumcarbonat, CaCO3) zu Calciumoxid (CaO, vulgo "gebrannte" oder "ungelöschter" Kalk). In diesem Prozess wird CO₂ chemisch freigesetzt. Rund 60 Prozent der insgesamt 600 bis 900 Kilo Kohlendioxid, die bei der Herstellung einer Tonne Zement entstehen, gehen aufs Konto dieser Quelle, der Rest auf die Erzeugung der Wärme. Und genau hier liegt das Problem: Den Wärmebedarf kann man durch Abfallstoffe oder klimaneutrale Wärmequellen decken. Doch was ist mit dem Rest?

Beton komplett zu ersetzen, etwa durch Holz, sei jedenfalls keine Lösung, meint Wolfram Schmidt. "Gerade in Schwellenländern wurde oft schon zu viel abgeholzt. Beton ist der einzige Rohstoff, der überall zur Verfügung steht. Die häufigsten Elemente der Erdkruste – Sauerstoff, Silizium, Aluminium, Eisen, Natrium, Kalium und Calcium – sind gerade die Elemente, aus denen Beton hergestellt wird."

Und wie sieht es mit den Möglichkeiten aus, Beton einzusparen? Ein heißes Thema in Architektenkreisen ist derzeit der 3D-Druck von Gebäuden. Da die Drucker nur dort Beton auftragen, wo er aus statischen Gründen wirklich gebraucht wird, kommen sie insgesamt mit weniger Material aus. "Dafür brauchen sie allerdings schnell erhärtende Betonrezepturen, was einen höheren Anteil an klimaschädlichem Zement bedeutet", wendet Schmidt ein. Deshalb sei 3D-Druck, anders als oft dargestellt, nicht von Natur aus nachhaltig.