Internationaler Mobilitätskongress startet in Hamburg

Hamburg will zeigen, wie man bequem von A nach B kommen kann, ohne mit dem Auto im Stau zu stehen. Manche kritisieren den Kongress als immer noch zu autolastig.

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Auto, Verkehr, Stadt, Stau
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Von
  • Thomas Kaufner
  • dpa
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Busse ohne Fahrerin und der autonome Transport von Schiffsladung zum Containerterminal, eine automatisierte S-Bahn, selbstständig parkende Autos im Parkhaus oder eine App, die Radfahren in der Stadt schneller und sicherer machen soll: Hamburg will sich von Montag an für eine Woche als weltweites Schaufenster für intelligente Verkehrssysteme präsentieren.

Im frisch renovierten Kongresszentrum CCH und den Messehallen treffen sich Expertinnen und Experten für Verkehr, Logistik und Digitalisierung und sprechen fünf Tage lang darüber, wie gewerblicher und privater Verkehr unter den Vorzeichen von Klimakrise und steigenden Mobilitätswünschen aussehen könnten.

Der Anspruch der Millionenstadt an der Elbe ist ehrgeizig: "Hamburg wird in den nächsten Jahren Deutschlands Modellstadt für urbane Mobilitäts- und Logistiklösungen", hatte der damalige Bürgermeister und heutige Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) angekündigt, als die Hansestadt 2017 den Zuschlag für den alljährlich an wechselnde Städte vergebenen Kongress bekam. Dazu hatte der Senat bereits 2016 eine "ITS-Strategie" für Hamburg beschlossen, die bis 2030 reicht. Einige Projekte daraus sind bereits abgeschlossen, viele laufen noch. "ITS", so auch der Name des Kongresses, steht für "Intelligent Transport Systems".

"Mobilität soll für alle einfach, schnell nutzbar, gesund, sicher und komfortabel sein – und dazu tragen auch intelligente Verkehrssysteme entscheidend bei", schreibt Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) in der aktuellen Fassung des Strategiepapiers. "Wir entwickeln die ITS-Strategie und unsere Ziele für 2030 weiter und wollen die Chancen der Digitalisierung für den Klimaschutz und die Mobilitätswende nutzen." Erklärtes Ziel unter anderem: "Die vom Senat angestrebte Mobilitätswende sieht vor, den Anteil des Verkehrs in Bussen und Bahnen sowie auf dem Fahrrad und zu Fuß auf 80 Prozent zu steigern."

Unter den mehr als 40 präsentierten "Ankerprojekten" ist eine Premiere: Am Montag wollen Bahnchef Richard Lutz und der neue Siemens-Lenker Roland Busch gemeinsam mit Scholz' Nachfolger Peter Tschentscher erstmals eine hochautomatisierte S-Bahn starten.

Digitalisierung im Nahverkehr gilt als wichtige Voraussetzung, um die Kapazitäten auf der Schiene erhöhen zu können. Und auch hier ist der Anspruch der Hamburger groß: Bis 2030, so das Versprechen des Senats für den sogenannten Hamburg-Takt, soll jede Hamburgerin und jeder Hamburger innerhalb von fünf Minuten ein Nahverkehrsangebot erreichen können.

Neben dem klimapolitischen Argument für mehr Öffentlichen Personen-Nahverkehr hat die stark wachsende Elbmetropole auch aus einem anderen Grund keine Wahl: In den nächsten Jahrzehnten könnte die Einwohnerzahl Prognosen zufolge auf über zwei Millionen steigen.

Bei den jetzt schon vorhandenen 806.000 Pkw in der Stadt ist die bisherige Verkehrsstruktur schon heute an vielen Stellen überfordert. Neue Wohnquartiere, wie Teile der Hafencity oder der neue Stadtteil Oberbillwerder, werden daher schon heute so konzipiert, dass der private Pkw-Besitz dort sinkt.

Die ITS-Veranstalter sehen ihren Kongress als weltweit wichtiges "Leitevent" für innovative Mobilitätslösungen von morgen. Viele der dort präsentierten Projekte sind bereits öffentlich sichtbar, wie zum Beispiel der autonom fahrende Kleinbus "Heat" in der Hafencity.

Andere wirken mehr oder minder im Verborgenen: Zum Beispiel die autonom fahrenden Trucks, mit denen der Logistikkonzern HHLA und der Motorenbauer MAN Container zum Schiffsterminal transportiert. Oder eine automatische Verkehrsmengenerfassung, die mithilfe von Wärmebildkameras ermittelt, wie viele Fußgänger, Radfahrer und Autos wo unterwegs sind.

Kritikern ist das Programm des Mobilitätskongresses indes noch zu autolastig: Automatisiert fahrende Autos, die digitale Vernetzung der Verkehrsarten und die Mobilität als privater Service der Auto- und Digitalkonzerne seien anders als es die Strategie des Hamburger Senats verheiße "das Gegenteil einer menschen- und umweltgerechten Mobilitätswende", rügt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). "Diese Strategien werden zu einer weiteren Verdichtung des Verkehrs führen und dieser Verkehr wird aus noch schwereren Fahrzeugen bestehen." Hamburg und die Mobilitätswende brauchten "keine Autos ohne Menschen, sondern mehr Menschen ohne Autos".

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält den Fokus des Kongresses für falsch gesetzt. "Dass jedoch qualitative Zukunftsperspektiven nur entwickelt werden können, wenn die Bürger*innen und Beschäftigten im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, spielt in der Kongresslogik so gut wie keine Rolle" sagte die stellvertretende Landeschefin Sieglinde Friess. "Wir erwarten deshalb von der Politik eine eindeutige Abkehr von reiner Technikgläubigkeit hin zu einer umfassenden Entwicklungsperspektive, die im Interesse der Menschen und der folgenden Generationen denkt und handelt."

(kbe)