Atomkraft: Der ewige Traum ist nicht tot zu kriegen

Die Atomindustrie verknüpft mit kleinen, modularen Reaktoren die Hoffnung auf eine Renaissance der Atomkraft.

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(Bild: Pavel Ignatov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Als im Juni 1954 im russischen Obninsk das erste Atomkraftwerk der Welt ans Netz ging, war das für die damalige Sowjetunion nicht nur ein Beweis ihrer technischen Überlegenheit. Wie kaum eine andere Technologie verkörperte die Atomkraft damals überall die Zukunft: Unerschöpfliche, saubere, billige Energie, die der Mensch nur dank hoch entwickelter Wissenschaft erzeugen konnte, sollte den Fortschritt auch noch in den letzten Winkel der Erde tragen. Dann kamen Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Doch der Traum von der sauberen Atomkraft ist anscheinend nicht totzukriegen – und er wird durch die Diskussionen über den Klimawandel neu belebt. Was steckt hinter dem wiederentdeckten Interesse an der Atomkraft?

Im Oktober 2020 kündigte das US-Energieministerium (Department of Energy, DOE) an, im Rahmen der "Dekarbonisierung" der US-Wirtschaft den Bau von zwei neuen, experimentellen Atomreaktoren mit je 80 Millionen Dollar zu unterstützen. Die andere Hälfte der Kosten trägt jeweils das geförderte Unternehmen. Gefördert wird die Entwicklung eines natriumgekühlten Reaktors für hochangereichertes Uran und eines heliumgekühlten Kugelhaufenreaktors.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 7/2021

Doch das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die massiven Fördergelder, die im Infrastrukturgesetz der Biden-Regierung für die Entwicklung neuer Atomkraftwerke vorgesehen sind: Nach US-Medienberichten sollen dafür rund sechs Milliarden US-Dollar bereitstehen.

Die neue Generation von Atomkraftwerken soll vor allem zwei Probleme lösen, die die weltweite Verbreitung der Atomkraft erheblich ausgebremst haben: die hohen Investitionskosten und die Betriebssicherheit. Die Kosten wollen Terrapower, Nuscale, Terrestrial Energy und andere Start-ups senken, indem sie die Reaktoren aus kleinen, standardisierten Modulen aufbauen. Die standardisierte Bauweise soll die Kosten senken – die Module ermöglichen eine flexible Anpassung an den Bedarf.

Die Betriebssicherheit soll durch "passive Sicherheitssysteme" erhöht werden. Terrapower setzt auf einen sogenannten Schmelzsalzreaktor. Eine mit Uran angereicherte Natriumsalzlösung, in der eine kontrollierte Kettenreaktion abläuft, ist Brennstoff und Kühlmittel zugleich. In einem Wärmetauscher überträgt es die Energie auf einen zweiten Salzkreislauf, der dann beispielsweise einen Dampferzeuger antreibt. Der heliumgekühlte Kugelhaufenreaktor wird von X-Energy entwickelt. In dem Reaktormodul fallen kugelförmige Brennstoffkapseln langsam nach unten und werden dabei von Helium gekühlt. Auf 750 °C erhitzt soll das Helium dann in einem Sekundärkreislauf Dampf erzeugen, der eine Turbine antreibt.

Die technischen Konzepte, auf denen die modularen Reaktoren beruhen, sind allerdings grundsätzlich nicht neu – viele haben bereits in mehreren Testreaktoren gravierende Probleme gezeigt. Ein prinzipielles Problem mit natriumgekühlten Reaktoren besteht etwa darin, dass Natrium nicht mit Wasser in Kontakt kommen darf – weil es sonst heftig reagiert. In Kugelhaufenreaktoren dagegen gab es Probleme mit beschädigten Kugeln. Die Befürworter der neuen Reaktorkonzepte argumentieren, dass es in den vergangenen 30 Jahren große Fortschritte bei Werkstoffen und der Berechnung der Reaktorkonstruktion im Computer gegeben hat. Das erste der neuen Kraftwerke soll bis 2030 in Ontario entstehen.

Über das Fotoprojekt

Die hier gezeigten Bilder stammen aus dem Bildband "Der nukleare Traum". Das Buch ist eine umfassende fotografische Dokumentation der deutschen Atomgeschichte. Der Biochemiker Bernhard Ludewig besuchte dafür in acht Jahren 60 Orte in sieben Ländern, teils mehrfach. Das Ergebnis ist der rund 400 Seiten umfassende Bildband sowie die Webseite dernuklearetraum.de.

Atomkraft - Der ewige Traum (7 Bilder)

Der Atomkeller in Haigerloch, Ort des letzten deutschen Reaktorversuchs im Zweiten Weltkrieg, wohin Werner Heisenbergs Forschungsgruppe 1945 ausgelagert wurde. Das Bild zeigt den nachgestellten Uranmaschinen-Vorversuch B-VIII: Uranmetallwürfel tauchen in einen graphitumhüllten Schwerwasser-Tank. Etwas mehr Uran und schweres Wasser von einer konkurrierenden Forschungsgruppe, und es hätte mit der Kettenreaktion geklappt. (Bild: Bernhard Ludewig 2012)

(jle)