Zahlen, bitte! 2 Pfund zum abgesicherten Fahren: Die erste Autoversicherung

2 Pfund kostete es 1896, die Kraftkutsche gegen Reifen- und Unfallschäden zu versichern. Kollisionen mit Pferdedroschken deckte die erste Versicherung nicht ab.

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Von
  • Detlef Borchers

Exakt 10 Jahre nach dem Patent für das Automobil wurde in Großbritannien die erste Autoversicherung angeboten. Sie entstand gewissermaßen als Negation: Das noch junge Versicherungsunternehmen General Accident wollte keine Versicherungen für Pferdekutschen anbieten, die in zahlreiche Unfälle und teure Schadens-Abwickelungen verwickelt waren.

Ab dem 2. November 1896, also heute vor 125 Jahren, kostete es erstmals 2 Pfund Sterling im Monat (Heute umgerechnet 272.93 Pfund oder 321,17 Euro), die Kraftkutsche gegen Reifenbruch und Unfallschäden zu versichern. An eine Haftpflicht- oder Diebstahlversicherung dachte damals noch niemand. Die Versicherung war dabei noch eine Wette auf die Zukunft, denn in Großbritannien gab es damals grade einmal 20 Kraftkutschen. Schäden durch Unfälle mit Pferdedroschken wurden dabei durch die Versicherung nicht abgedeckt.

Inspiriert wurde die Versicherung von dem ersten Autounfall mit Todesfolge: Am 17. August 1896 wurde die Arbeiterfrau Bridget Driscoll anlässlich einer Verkaufs-Show von einem Roger-Benz-Mobil mit einer Geschwindigkeit von 6,5 km/h angefahren und verstarb noch an der Unfallstelle. Die danach geführte Gerichtsverhandlung entlastete den Fahrer James Edsall, der erst drei Wochen vorher mit der französisch-deutschen Kraftkutsche geübt hatte: Der Tod war einfach ein zufälliger Unfall. Für solche Dinge war damals keine Versicherung zuständig.

Bridget Driscoll (* 1851 nicht näher bekannt; † 17. August 1896 in London) gilt als erste Person, die bei einem Autounfall zu Tode kam.

Ähnlich entschied ein US-amerikanisches Gericht, das den ersten tödlichen Unfall mit einem Elektromobil bewerten musste: Am 13. September 1899 wurde Henry Hale Bliss von einem e-Taxi überfahren. Auch hier gab es keine Versicherung, die einspringen musste.

Zahlen, bitte!

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Gleiches Einvernehmen erzielte man auch, als sich am 25. Februar 1899 der erste KFZ-Unfall mit dem Tod des Fahrers ereignete. Ein Reifen ging bei einer Ausflugspartie zu Bruch und der Werksfahrer Edwin Sewell und Major James Richer starben. Die Nacherzählung lässt auf Trunkenheit am Steuer schließen.

Das Jahr 1899 ist auch für Deutschland bedeutsam, denn in diesem Jahr bot auch der "Allgemeine Deutsche Versicherungs-Verein" in Stuttgart eine erste Haftpflicht- und Unfallversicherung an, die nach kurzen, schlechten Erfahrungen um eine gesonderte "Karambolage-Versicherung" ergänzt wurde. Der Verein wurde später von einer Firma aufgekauft, die bereits Maschinen- und Fahrradversicherungen im Programm hatte. 1918 entstand aus ihr die "Kraft Versicherungs AG", die heute als Allianz bekannt ist.

Die Allianz agierte vorsichtig am Markt und stieg erst dann ins KFZ-Versicherungsgeschäft ein, als die Kraftfahrzeuge zuverlässiger und damit berechenbarer wurden. Andere waren innovativer: Die erste Haftpflichtversicherung im heutigen Sinn entwickelte im Jahre 1901 die Agrippina-Versicherung.

Solche Unfälle waren und sind typische Versicherungsfälle, wie hier im Jahr 1930 als in Mecklenburg durch einen Reifenplatzer das Fahrzeug ins Schleudern geriet und gegen einen Allee-Baum prallte. Die zeitgenössische Quelle berichtet davon, dass von den fünf Insassen drei Leicht- und zwei schwerverletzt wurden.

(Bild: CC BY-SA 3.0 , Bundesarchiv, Bild 102-10248)

Mit der nach dem I. Weltkrieg rasant ansteigenden Zahlen an Kraftfahrzeugen konnte das Versicherungswesen nicht mithalten. Die allgemeine Haftpflicht für Motorfahrzeuge wurde nicht eingeführt und galt nur für Fahrlehrer und Fernverkehrsfahrer, die dafür eigens regional genossenschaftliche Gesellschaften (SVG) gründeten.

Erst 1939 mit dem "Anschluss" von Österreich ans Deutsche Reich wurde die Haftpflicht für alle KFZ in Deutschland eingeführt. Sie war nämlich seit 1929 in Österreich für alle Fahrzeuge Pflicht. Noch früher war nur der US-Bundesstaat Massachussetts, der sie im Jahre 1927 zur Pflichtversicherung machte – und parallel dazu verfügte, das KFZ Rücklichter haben müssen.

Heute ist die erste Versicherung der Welt General Accident eine reine Online-Versicherung. Längst wird in den Versicherungskonzernen an Policen für das autonome Fahren gebastelt. "Egal, ob der Fahrer oder die Technik fehlerhaft reagiert und ein Unfall passiert, das vorhandene Haftungssystem schützt das unschuldige Verkehrsopfer", erklärte Allianz-Vorstandsvorsitzender Joachim Müller das Problem. Das Thema ist seit den ersten Tesla-Aussetzern ein Dauerbrenner in den Heise-Foren, nicht anders als in der Frühzeit des Verkehrs.

Wie ein Unfall im Jahre 1911 ablief, hat ein Versicherungsspezialist beschrieben. Franz Kafka beobachtete das Geschehen in Paris und beschrieb es als Zusammentreffen der Gesellschaftsschichten.

(mawi)