Nachhaltigkeit: Warum wiederaufbereitete Smartphones boomen

Immer mehr Kunden entscheiden sich für ein wiederaufbereitetes Smartphone vom Händler – das ist günstiger und umweltfreundlicher als der Neukauf.

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Die goldenen Zeiten sind im Smartphonemarkt schon länger vorbei. Nachdem die Verkäufe bis 2016 steil angestiegen waren, ging es danach wieder bergab. Allerdings ist nur der Markt für Neugeräte geschrumpft – der Second-Hand-Markt wuchs stetig weiter.

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2020 war der Kontrast besonders deutlich: Laut der Marktforschungsfirma IDC sank der Absatz von Neugeräten im ersten Coronajahr um 6 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der von gewerblichen Anbietern verkauften Gebrauchtsmartphones um 9 Prozent.

Auch in Europa feiern Second-Hand-Anbieter Rekorde. Rebuy hat 2021 nach eigenen Angaben 180.000 wiederaufbereitete Smartphones verkauft, fast doppelt so viele wie 2016. "Wir könnten noch deutlich mehr verkaufen, der Flaschenhals ist klar der Ankauf", sagt Rebuy-Chef Philipp Gattner im Gespräch mit c’t. Das Unternehmen aus Berlin arbeitet seit 2019 profitabel und beschäftigt heute 550 Mitarbeiter.

"Wir könnten noch deutlich mehr Smartphones verkaufen, der Flaschenhals ist der Ankauf", sagt Rebuy-Chef Philipp Gattner.

Der Konkurrent Swappie ist noch schneller groß geworden: Er wurde erst 2016 gegründet, hat aber schon mehr als 1100 Angestellte. Das Start-up aus Helsinki bereitet ausschließlich iPhones wieder auf und flutet YouTube mit Influencer-Werbespots.

Einen steilen Start hingelegt haben auch Onlinemarktplätze für Second-Hand-Elektronik wie Backmarket aus Paris und Refurbed aus Wien. Backmarket beschäftigt schon 650 Angestellte und ist aus der Sicht seiner Kapitalgeber 5,1 Milliarden Euro wert. Anders als Swappie und Rebuy bereiten Backmarket und Refurbed nicht selbst auf, sondern vermitteln nur zwischen Käufern und kleineren Wiederaufbereitern aus ganz Europa – das skaliert schneller, als wenn man selbst Smartphones testet, reinigt und repariert.

Für den Erfolg der Second-Handy-Branche gibt es zahlreiche Gründe. Eine Rolle spielt zum Beispiel der aktuelle Chipmangel: Manche Neugeräte waren 2021 kaum lieferbar, was Gebrauchtanbietern einen Vorteil verschaffte.

Doch es gibt auch langfristige Trends, die den Gebrauchtmarkt anschieben. Der vielleicht wichtigste ist, dass der technische Fortschritt sich bei Smartphones verlangsamt hat – zumindest aus Sicht der Kunden. Fünf Jahre alte Modelle wie das Samsung Galaxy S8 ruckeln auch bei heutigen Apps kaum und bieten alle Funktionen, die Normalnutzer sich wünschen. Ob zwei, drei oder vier Kameras im Gehäuse stecken, ist vielen Kunden schnuppe.

Gleichzeitig haben die Hersteller ihre Preise aber nach oben geschraubt. Im Schnitt geben Verbraucher in Deutschland heute 500 Euro für ein neues Handy aus, 150 Euro mehr als vor fünf Jahren. High-End-Modelle kosten gut und gern das Doppelte. Doch warum so viel ausgeben, wenn das ähnlich gute Vorvorjahresmodell mit ein paar Kratzern für die Hälfte zu haben ist?

Hinzu kommt, dass hochwertige Android-Smartphones länger mit Updates versorgt werden als noch vor einigen Jahren. Früher war meistens nach zwei Jahren Schluss, heute verspricht zum Beispiel Samsung, teure Modelle mindestens vier Jahre lang zu versorgen. Apple frischt die Software seiner Smartphones traditionell fünf, sechs Jahre lang regelmäßig auf.