Alternativ in Form: Elektroauto Volvo C40 im Fahrbericht

Volvo erweitert seine Elektroflotte um das SUV-Coupé C40. Eine Testfahrt zeigte uns, wie die Schweden ihre Kundschaft vollelektrisch bei Laune halten wollen.

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Volvo C40

(Bild: Volvo)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Sven Hansen
Inhaltsverzeichnis

Den neuen C40 Recharge, genauer gesagt den "C40 Recharge Pure Electric Twin 1st Edition" will Volvo als Crossover verstanden wissen. Allerdings ist das SUV-Coupé dicht am SUV XC40, denn er nutzt dieselbe CAM-Plattform des Konzerns. Von den Dimensionen her steht er daher ähnlich bullig auf der Straße und ist gegenüber dem XC40 lediglich in der Höhe um rund 5 cm geschrumpft.

Volvo C40 Außen (4 Bilder)

Der Volvo C40 ist zunächst mit einem 300-kW-Antriebsstrang zu haben.

Im Innenraum des C40 merkt man davon nicht viel. Er wirkt geräumig, was auch am gläsernen Panoramadach liegt, das im durchwachsenen Wetter mal für Zelt-Feeling, mal für unerwartete Lichtblicke sorgt. In der 1st Edition ist der vollelektrische C40 nur in der 300-kW-Version mit zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren zu haben. Je ein 150-kW-Motor treibt die Hinter- und Vorderachse an.

Den Startknopf hat Volvo auch beim C40 in Rente geschickt. Sobald das Fahrzeug den Fahrer auf dem Vordersitz erkannt hat, kann man den Wählhebel in den Drive-Mode legen. Der Innenraum ist hübsch anzuschauen, die kornblumenblauen Teppiche der Sonderedition haben allerdings schon sichtbar gelitten. Sie sind nur in Kombination mit der neuen tiefblauen Metallic-Farbe "Fjord Blue" zu haben, mit der man auch die Innenverkleidungen aus blauem Filz bekommt. Auf echtes Leder muss man verzichten, dafür sind an vielen Stellen nachhaltige Materialien eingebaut. Besonderes Gimmick: Hinterleuchtete Dekorleisten mit den Höhenlinien einer Landschaft in Schweden. Kostenpunkt des Testfahrzeugs: 60.790 Euro.

Einen Taster für unterschiedliche Fahrmodi sucht man vergeblich, im Einstellungsmenü bietet das Fahrzeug allerdings einen Slider, der das Fahrverhalten radikal verändert: Die Ein-Pedal-Funktion. Ohne diese hat der C40 im Stand eine Kriechneigung, sodass man ihn an der Ampel mit der Bremse etwas halten muss. Der Antrieb des Coupés lässt sich in diesem Modus vergleichsweise gut dosieren, im Alltag werden ihn wahrscheinlich viele bevorzugen.

Volvo C40 Innenraum (5 Bilder)

Typisch Volvo: Alles ist fein ausgekleidet und hervorragend verarbeitet.

Mit aktivierter Ein-Pedal-Funktion geht das Fahrzeug beim Lupfen des Fahrpedals auf maximale Rekuperation und bremst stark, auf Wunsch bis zum kompletten Stillstand ab. Das ist in dieser Form zumindest gewöhnungsbedürftig und glücklicherweise abwählbar. Denn der Fahrer muss schon viel Feingefühl im Fuß haben, um ein ruckhaftes Beschleunigen oder Abbremsen zu vermeiden. Der Antriebsstrang liefert in der Spitze halt 300 kW und 660 Nm, die jederzeit praktisch ohne Verzögerung abgerufen werden können. Ich würde mir einen weniger harschen Modus oder Einflussmöglichkeiten auf die Stärke der Rekuperation wünschen, um auch mal entspannter cruisen zu können.

Mittig prangt ein hochkant verbautes Neun-Zoll-Touch-LCD mit 768 x 1024 Pixeln. Volvo nutzt im C40 Android Automotive von Google als Plattform. Viele Funktionen kommen so erst mit einem verknüpften Google-Konto zum Vorschein. Besonders Kunden mit Apple-Faible und iPhone in der Tasche dürften sich düpiert fühlen. Sie müssen einen Google-Account anlegen, wenn sie das Infotainment voll nutzen wollen.

Mit dem Infotainment kann man gut arbeiten. Als Navi dient bei Android Automotive natürlich Google Maps. Das System hat einen offenen Playstore, in dem – Stand heute – allerdings nur ein knappes Dutzend Apps zu finden sind. Das ist enttäuschend, zumal auch viele Google Standard-Apps fehlen, die man vom Smartphone her kennt. Alle Updates kommen "over the air", so auch das in Kürze anstehende Update auf Android Automotive OS 1.9.

Volvo C40 Infotainment (7 Bilder)

Volvo hat die teure Entwicklung eines eigenen Betriebssystems aufgegeben. Das war richtig, den Android Automotive macht auf Anhieb alles besser. Die Oberfläche erinnert noch an das Volvo-eigene System.

Das Smartphone parkt man im Qi-Lader in der Mittelkonsole. Alternativ lassen sich Geräte auch per USB laden, wobei im Fahrzeug ausschließlich USB-C-Buchsen verbaut sind. Android Auto und Apple CarPlay werden leider nicht unterstützt. Ersteres ist in der Google-Logik nicht mehr nötig, da Android Automotive die Kopplung mit Android Auto hinfällig macht. Letzteres ist einfach nur misslich und dürfte auf internes Gehakel zwischen Google und Apple zurückzuführen sein. Von der Hardware-Ausstattung her dürfte die Umsetzung von CarPlay wie auch Android Auto selbst ohne Strippe kein Problem sein. Ob es ein solches Update geben wird, bleibt ungewiss.

Wie stark Android Automotive an einigen Stellen mit dem Fahrzeug verzahnt ist, zeigt sich darin, dass sich durchaus relevante Funktionen wie der Range-Extender in einer App verpackt sind statt im Einstellungsmenü des Autos. Die unscheinbare App zeigt den Momentanverbrauch, den Anteil von Komfortfunktionen, Fahrverhalten und Motoren und kann den Bereich Klimatisierung auf Wunsch drosseln, um die Reichweite des Fahrzeugs zu erhöhen.

Volvo C40 Laden (3 Bilder)

Die Batterie hat einen Netto-Energiegehalt von 75 kWh.

Der Speicher mit netto 75 kWh Kapazität erlaubt eine Reichweite von 440 km nach WLTP. Der C40 lässt sich laut Spezifikation mit 150-kW-DC laden, am AC-Lader bringt es der interne Gleichrichter dreiphasig auf maximal 11 kW. Eine Ladung von 10 auf 80 Prozent soll am Schnellader in 37 Minuten erledigt sein. Genaueres wird erst der Praxistest zeigen. Ein Mode-2-Ladekabel (Typ2 einphasig) ist im Lieferumfang erhalten, die dreiphasige Mode-3-Variante muss man extra bestellen.

Das Google-Infotainment bringt die Sprachassistenz von Google Home gleich mit ins Fahrzeug. Mit dem entsprechenden Google-Account verknüpft, lassen sich alle Smart-Home-Spielereien damit auch über das Auto auslösen. Auch ein paar Fahrzeugfunktionen lassen sich über den Sprachassistenten steuern. Andersherum soll Google Home daheim auf Anfrage Informationen beispielsweise zum Ladezustand des Fahrzeugs geben können.

Bei den Fahrassistenten liefert der C40 gutes Level-2-Niveau. Heißt: Das Fahrzeug übernimmt Längs- und Querführung in einem spezifischen Anwendungsfall, muss aber vom Fahrer überwacht werden. Für den innerstädtischen Verkehr taugt der Spurassistent mit Abstandstempomat nur bedingt, da er immer mal wieder die Markierung aus dem Blick verliert. Für Fahrten auf ordentlich ausgebauten Landstraßen oder der Autobahn ist er besser geeignet. Gegenüber den Assistenzsystemen früherer Modelle scheint er sich wenig weiterentwickelt zu haben. Vom in der Branche oft propagierten, sanften Übergang vom assistierten zum hochautomatisierten Fahren ist nicht viel zu spüren. Fest zur Volvo-DNA und daher Serie ist der Nothalte-Assistent, Aufmerksamkeitserkennung BLIS, der Warnassistent für kreuzenden Verkehr, eine Heckaufprallabschwächung sowie zahlreiche Sicherheitsassistenten inklusive Fußgänger- und Fahrradfahrer-Erkennung.

XC40 oder C40 – die Entscheidung darf hier rein nach Äußerlichkeiten getroffen werden, denn technisch trennt die beiden nichts. Noch ist das SUV-Coupé nur mit dem 300-kW-Antriebsstrang zu haben, doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Variante mit 170 kW, Frontantrieb und minimal kleinerer Batterie auch im C40 angeboten wird. Damit sinkt dann auch der Einstiegspreis, billig wird der C40 allerdings nie.

Die Entscheidung, die Entwicklung des eigenen Infotainmentsystems zu beenden und sich in die Hände von Google zu begeben, war richtig. Sprachsteuerung und Navigation sind hervorragend. Schade nur, dass sich der komplette Umfang nur mit Google-Account nutzen lässt. Solange im Playstore von Android Automotive gähnende Leere herrscht, werden sich selbst eingefleischte Android-Nutzer nach der Smartphone-Einbindung mit Android Auto sehnen. Ob man die Apple-Kundschaft von Googles Automotive OS überzeugen kann, bleibt abzuwarten. Ihr Ruf nach einer CarPlay-Unterstützung dürfte schon jetzt recht laut sein.

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(mfz)