IP-Carrier stehen vor weiterer Konsolidierung

Level 3 will den traditionsreichen Konkurrenten Genuity zu großen Teilen übernehmen. Einige Carrier hoffen, aus der Krise gestärkt hervorzugehen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Es gibt wohl noch IP-Carrier, denen das Wasser nicht bis zum Hals steht -- und Level 3 scheint zu ihnen zu gehören. Nun möchte die Firma, die ein transatlantisches Glasfasernetz sowie europäische und US-amerikanische Netze betreibt, den angeschlagenen Carrier Genuity zu großen Teilen aufkaufen.

Die meisten Besitztümer von Genuity sollen für mehr als 100 Millionen US-Dollar an Level 3 gehen, schreibt das Wall Street Journal unter Berufung auf den Verhandlungen nahe stehende Kreise. Sind diese Verhandlungen erfolgreich, würde Genuity wohl Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Konkursrechts suchen und daraufhin zu großen Teilen an Level 3 gehen. Allerdings müssen dem Deal nicht nur die Gläubigerbanken von Genuity zustimmen, sondern auch der Telecom-Konzern Verizon, einer der größten Anteilseigner von Genuity. Verizon und die Banken streiten aber bereits seit einiger Zeit darüber, wie mit den Schulden des IP-Carriers umgegangen werden soll, die sich auf mehr als drei Milliarden US-Dollar belaufen.

Genuity entstand aus der Firma BBN, die die allerersten Bestandteile des Netzes baute, das später zum ARPAnet und damit zur Grundlage des Internet werden sollte (siehe dazu auch: "Hätt ich dich heut erwartet ..." -- Das Internet hat Geburtstag, oder nicht?, c't 21/1999, S. 128). Als BBN Planet entstand aus einer Abteilung ein unabhängiger Carrier und Internet-Provider, der nach der Übernahme durch GTE zu GTEi (GTE Internet) wurde. Nach der Fusion von GTE mit Bell Atlantic zu Verizon wurden die IP-Dienste von BBN als Genuity wieder in eine eigene Firma ausgelagert, während BBN selbst als Technologie-Schmiede bei Verizon blieb. Genuity betreibt neben einem Glasfasernetz in den USA unter anderem eine Backbone-Strecke zwischen New York und London sowie mehrere europäische Verbindungen und Netze, etwa Backbones zwischen Madrid und Paris, Paris und Mailand, Paris und London sowie Frankfurt und Amsterdam.

Bereits im zweiten Quartal des Geschäftsjahres gab sich Level 3 -- die Firma kann seit Mitte des Jahres Investment-Guru Warren Buffett zu ihren Investoren zählen -- betont optimistisch, dass die Geschäfte bald wieder anziehen. Obwohl Level 3 bislang nicht wie so viele Konkurrenten mit einer Insolvenz in Verbindung gebracht wurde, litt der Carrier natürlich unter der Krise der Telcos und den Überkapazitäten in den Backbones und bei den Glasfasernetzen. Level-3-Chef Kames Crowe hofft aber, unter anderem mit Hilfe der neuen Investoren, die Krise nicht nur zu überleben, sondern am Ende als einer ihrer Profiteure dazustehen. Denn die Kunden, die durch den Bankrott von Konkurrenten wie Global Crossing, KPNQwest oder auch WorldCom im Regen standen, aber auch die Telcos, die ihren Bandbreitenbedarf reduzierten, werden in naher Zukunft wieder zusätzliche Kapazitäten für Datentransfer benötigen -- so zumindest die Hoffnung von Carriern wie Level 3. Da käme die Übernahme der Netze, die Genuity zu bieten hat, gerade recht.

Einige Unwägbarkeiten -- so müsste bei dem Weg über Chapter 11 erst eine Ausschreibung erfolgen, ob es nicht höhere Gebote für Genuity als das von Level 3 gäbe -- stehen noch vor dem Geschäft; geht es aber über die Bühne, käme Level 3 nicht nur in den Genuss der Genuity-Netze, sondern auch von Verträgen über Datendienstleistungen mit Verizon und AOL Time Warner. Dies käme den Bilanzen von Level 3 sicher zugute. Die Firma legte diese Woche ihre Geschäftszahlen für das dritte Quartal vor: Immerhin fiel bei einem Umsatz von 1,067 Milliarden US-Dollar ein Netto-Verlust von 299 Millionen US-Dollar (73 US-Cent pro Aktie) an -- dies war aber weit weniger, als nach den Prognosen von Level 3 selbst erwartet wurde. Unter Ausschluss von Sondereinnahmen lag der Verlust bei 304 Millionen US-Dollar (74 US-Cent pro Aktie), auch dies noch unter den Erwartungen, die bei einem Verlust von 85 US-Cent pro Aktie lagen. Aus dem operativen Geschäft resultierte ein Gewinn von 110 Millionen US-Dollar.

Zur Situation der IP-Carrier siehe auch: (jk)