Pkw-Absatz in der EU weiter rückläufig

Die Autoindustrie ächzt unter Lieferproblemen und dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht.

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Geringe Umsätze, hohe Margen: Die Autohersteller können die aktuelle Nachfrage vielfach nicht bedienen.

(Bild: kfzgewerbe.de)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Franz
  • mit Material der dpa
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Die Absatzzahlen neuer Autos sind auch im März 2022 in der Europäischen Union rückläufig. Sie sanken im Vergleich zum Vorjahresmonat um ein Fünftel auf 844.187 Fahrzeuge, wie der Branchenverband Acea in Brüssel mitteilte. Auch andere große Märkte waren im vergangenen Monat im rückläufig. In den USA, wo auch leichte Nutzfahrzeuge mitgezählt werden, sank der Absatz um 22 Prozent auf 1,25 Millionen, in China um 1,2 Prozent auf 1,82 Millionen. Die Probleme hätten sich durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine noch verschärft, hieß es von Acea und dem Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA). Innerhalb der großen europäischen Märkte ragen Spanien und Italien mit Rückgängen um je rund 30 Prozent im März heraus.

Auch mit Blick auf das gesamte erste Quartal 2022 sind die internationalen Zahlen schlecht. Die Rückgänge sind zwar nicht ganz so deutlich, was aber teilweise an bereits schwachen Vergleichsmonaten aus dem Vorjahr liegt. Seit Jahresbeginn liegt der Automarkt in der EU um 12,3 Prozent zurück, in den USA um 15,8 Prozent. Nur in China ergibt sich noch ein Plus von 8,6 Prozent.

Bei den meisten Herstellern sei die Lieferfähigkeit "massiv beeinträchtigt", erklärte Peter Fuß von EY die Entwicklung. "Mindestens bis Herbst dieses Jahres wird sich die Situation nicht wesentlich verbessern." Der Ersatz von Lieferanten aus der Ukraine und Russland brauche Zeit und der Chipmangel werde sich bis ins kommende Jahr negativ auswirken. "Für die Kunden heißt das: Die Verfügbarkeit von Neuwagen wird vorläufig beschränkt bleiben, die Lieferzeiten bleiben extrem lang, die Preise gehen weiter in die Höhe, auch auf dem Gebrauchtmarkt."

Mögliche Dellen auf der Nachfrageseite spielen laut Fuß derzeit dagegen noch kaum eine Rolle. "Die Inflation steigt, der Konjunkturaufschwung stockt, die Spritpreise liegen extrem hoch. Diese Faktoren könnten sich mittelfristig auf die Nachfrage auswirken, spielen aktuell aber für die Autobranche noch keine Rolle." Insgesamt sei in der EU auf das Gesamtjahr ein Rückgang von etwa zehn Prozent zum 2021 realistisch, sagte Fuß. "Es spricht viel dafür, dass der EU-Neuwagenmarkt im Jahr 2022 auf einen neuen historischen Tiefstand fallen wird."

Auch der VDA blickt skeptisch in die Zukunft: "Angesichts einer Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren dürfte es auch in den kommenden Monaten zu Auswirkungen auf die internationalen Automobilmärkte kommen", heißt es vom Verband. "Neben Engpässen bei Vorprodukten und angespannten Logistik- und Lieferketten, sind dazu mögliche neue und zusätzliche Corona-Lockdowns in China sowie der weitere Verlauf des Krieges in der Ukraine zu zählen. Daher bleibt der Ausblick mit großen Unsicherheiten behaftet."

Zudem machen sich die Probleme auch immer stärker bei alternativen Antrieben bemerkbar, die zuletzt starke Zuwächse verzeichnet hatten. Vor allem Plug-in-Hybride leiden, und die Aussicht auf ein Vor allem Plug-in-Hybride leiden macht es ihnen nicht leichter. Deren Absatz sank im März in den fünf großen europäischen Märkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien laut EY um 18 Prozent. Bei reinen Elektroautos ging es dagegen noch um 31 Prozent nach oben. "Die Chipkrise hat längst das Elektrosegment erreicht. Der Absatz elektrifizierter Neuwagen könnte deutlich höher sein, wenn die Industrie entsprechend lieferfähig wäre", sagte Fuß.

Darauf baut sich schlussendlich auch die Hoffnung der Industrie. Die Nachfrage ist bei vielen Herstellern höher als das Angebot. Das bedeutet zwar geringere Umsätze insgesamt, pro Auto jedoch höhere Margen. Hinzu kommt: In der Vergangenheit wurden in Krisenzeiten Kaufentscheidungen hinausgeschoben. Es spricht viel dafür, dass der Pkw-Absatz wieder die gewohnten Zahlen erreicht, sofern die Industrie liefern kann und die Konjunktur nicht einbricht. Beschleunigend könnte sich zudem auswirken, dass mit dem Wechsel des Energieträgers der Erneuerungsbedarf erhöht. Denn dass sich ein Elektroauto insgesamt günstiger unterhalten lässt, ist mehr als nur ein kurzfristiger Trend.

(mfz)