Digital Services Act: Wie die EU das Internet künftig regulieren wird

Die EU-Kommission und der Rat überschlagen sich mit Eigenlob für das neue "Plattform-Grundgesetz". Doch was steht eigentlich drin und was könnte daraus folgen?

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(Bild: metamorworks / Shutterstock.com)

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Seit den frühen Morgenstunden am Samstag steht das Grundgerüst für den Digital Services Act (DSA), auf das sich Vertreter des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Brüsseler Kommission nach einem finalen Verhandlungsmarathon verständigt hatten. Wahlweise gilt der DSA seinen Machern als "Goldstandard" für die Internetregulierung, Ende des "Wilden Westens" im Cyberspace, in dem sich die Tech-Giganten Amazon, Facebook, Google & Co. ihre eigenen Regeln schufen, oder gar als "digitales Grundgesetz".

Vor allem die Politik verspricht sich von dem Gesetz für digitale Dienste sehr viel. "Der DSA wird die Grundregeln für alle Online-Dienste in der EU verbessern", betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Bekanntgabe des erzielten Kompromisses. "Er wird dafür sorgen, dass das Online-Umfeld ein sicherer Raum bleibt, der die freie Meinungsäußerung und Möglichkeiten für digitale Unternehmen schützt." Je größer die Plattform sei, desto größer auch die Verantwortung des Betreibers.

Letztlich verleiht die Verordnung laut der EU-Kommissionspräsidentin dem Grundsatz praktische Wirkung, "dass das, was offline illegal ist, auch online illegal sein sollte". Dies hatten zuvor auch die für Digitales zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager und die Berichterstatterin des EU-Parlaments, Christel Schaldemose von den Sozialdemokraten, immer wieder hervorgehoben. Neu ist diese Absage an die "Unabhängigkeitserklärung" für den Cyberspace früher Internetutopisten freilich nicht und eigentlich eine Binse, die schon immer gilt. Schließlich stand der "Cyberraum" nie völlig vogelfrei jenseits der physikalischen Welt.

Zumindest etwas erfrischender und angepasst an die Jahreszeit beschreibt Alexandra Geese, Schattenberichterstatterin der europäischen Grünen-Fraktion, die potenziellen Auswirkungen des Gesetzes hoffnungsvoll als "Beginn eines digitalen Frühlings". Für sie handelt es sich auch um den "ersten, entscheidenden Schritt zu mehr Demokratie und Freiheit im Netz". Es ist nicht bekannt, ob sie damit diverse DSA-Vorläufer wie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) als medioker bis schlecht darstellen wollte.

Doch was hält die Verordnung inhaltlich überhaupt tatsächlich parat und welche Folgen könnten sich daraus entwickeln? Ganz genau lässt sich das noch nicht sagen, da Technik- und Rechtsexperten der EU-Gesetzgebungsgremien den finalen Text erst herbeizaubern müssen. Aus Mitteilungen der Parteien, die bis zuletzt mit am Tisch saßen, sind aber die allgemeinen Linien erkennbar.

Ziel sind verbindliche Verhaltensvorschriften für Online-Plattformen. Vestager verglich den Ansatz des Kommissionsvorschlags im Dezember 2020 mit der ersten Ampel, die in Berlin am Potsdamer Platz Ordnung auf die Straßen gebracht habe. Der DSA verankert so prinzipielle EU-weite Sorgfaltspflichten, die für alle digitalen Dienste gelten, die Verbraucher mit Waren, Dienstleistungen oder Inhalten versorgen. Dazu gehören neue Verfahren zur schnelleren Entfernung illegaler Inhalte sowie – laut der Kommission – "eines umfassenden Schutzes der Online-Grundrechte der Nutzer".

In den Anwendungsbereich des DSA fallen verschiedene Online-Vermittlungsdienste. Ihre Verpflichtungen hängen von ihrer Rolle, ihrer Größe und ihrem Einfluss auf das Online-Ökosystem ab. Vermittler nach dem Gesetz sind etwa Betreiber sozialer Netzwerke wie Meta mit Facebook und Instagram, Twitter und TikTok, andere Services zum Teilen von Inhalten wie YouTube, Suchmaschinen wie Google, Betreiber von App-Stores wie Apple und Online-Marktplätze wie Amazon und eBay.

Erfasst werden ferner Vermittlungsdienste mit Netzinfrastruktur wie Internet-Zugangsanbieter, Domain-Registrierungsstellen und Hosting-Dienste wie Cloud-Anbieter und Webhoster.

Sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen werden strengeren Anforderungen unterworfen. Dabei handelt es sich um Services, die mehr als zehn Prozent der 450 Millionen Verbraucher in der EU zu ihren Nutzern zählen beziehungsweise erreichen.

Um die Entwicklung von neu gegründeten Firmen und Startups im Binnenmarkt zu gewährleisten, werden laut dem Rat "Kleinst- und Kleinunternehmen" mit weniger als 45 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU von bestimmten neuen Vorschriften befreit.