Mächtiger Schub: Fahrbericht zur Triumph Tiger 1200 GT Pro

Triumphs Reiseenduro soll um 25 kg leichter, mit einem feinen Motor und semi-aktivem Fahrwerk Kunden von der BMW R 1250 GS locken. Das könnte funktionieren.

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Auf der ersten Probefahrt zeigte Triumphs Reiseenduro einen gefestigten und zugleich verfeinerten Charakter. Die Gewichtsreduktion tut ihr gut.

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
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  • Ingo Gach
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Die Triumph Tiger 1200 war immer eine sehr gute Reiseenduro, aber Kritiker warfen ihr Fettleibigkeit vor. Triumph konnte das auf Dauer nicht leugnen und unterzog das Krad einer Fitnesskur: weniger Gewicht, mehr Muskeln. Heraus kam ein schon optisch deutlich leichter wirkendes Modell, das sich an das Design der Tiger 900 anlehnt.

Man spürt die tiefgreifenden Maßnahmen beim Fahren auf den ersten Metern, was bei 25 kg weniger Gewicht auch wenig überrascht. Zumindest gilt das für das Basismodell – und schon stecken wir mitten in der etwas komplizierten Modellpolitik von Triumph.

Es gibt fünf Versionen der Tiger 1200, die sich in zwei Gruppen aufspalten: die GT-Baureihe mit Gussrädern im 19-Zoll-Format vorne und 18 Zoll hinten und die Rallye-Baureihe mit Drahtspeichenrädern in 21 Zoll vorne und 18 Zoll hinten. Die 1200 GT startet bei 17.750 Euro und bringt es auf 240 kg Leergewicht, die 1200 GT Pro bietet für 19.950 Euro eine deutlich bessere Ausstattung und die 1200 GT Explorer für 21.450 Euro trumpft mit einem Fast-Komplettpaket und einem riesigen 30-Liter-Tank auf, während die anderen beiden "nur" 20 Liter Fassungsvermögen vorweisen.

Bei der Rallye gibt es keine Basisversion, sondern sie startet mit der 1200 Rallye Pro für 20.950 Euro und entsprechend gibt es auch eine 1200 Rallye Explorer für 22.450 Euro. Dass die jeweiligen besser ausgestatten Versionen auch schwerer sind, ist logisch. Die Top-Version 1200 Rallye Explorer bringt es dann mit 30 Liter Sprit im Tank auf 261 kg Leergewicht.

Das geringere Gewicht im Vergleich zur Vorgängerin erreichten die Ingenieure neben den um 9,6 kg leichteren Motor unter anderem mit einem völlig neu entwickelten Chassis, einem angeschraubten Heckrahmen aus Aluminium und einer dank geänderter Konstruktion 1,5 kg leichteren "Tri-Link"-Schwinge.

Allen Tiger 1200-Modellen gemeinsam ist der fulminante Motor, der aus 1160 cm3 satte 150 PS bei 9000/min und 130 Nm Drehmoment bei 7000/min holt. Der Dreizylinder werkelt mit identischem Hubraum auch in der vergangenes Jahr vorgestellten, 180 PS starken Speed Triple 1200 RS und ist doch ganz anders.

Zum einen hat die Tiger 1200 einen Kardan- und keinen Kettenantrieb zum Hinterrad, zum anderen rotiert in ihr eine T-Plane-Kurbellwelle, die wegen dreimal 90 statt 120 Grad bewusst unregelmäßige Zündabstände (180-270-270 Grad) erzeugt und damit einen eigenständigen Charakter bietet. Mit dieser wegen ihrer dreimal 90 Grad versetzten Hubzapfen "T-Plane" genannten Kurbelwelle fühlt sich der Lauf heiserer an, soll aber zu einer besseren Traktion bei niedrigen Drehzahlen führen. Ein weiterer Grund, die neue Reiseenduro probezufahren.

Triumph Tiger 1200 GT Pro (6 Bilder)

Triumph hebt die Tiger 1200 GT Pro auf ein neues Niveau. Sie ist nicht nur stärker, sondern vor allem auch erheblich leichter als die Vorgängerin.
(Bild: Ingo Gach)

Da Triumph Deutschland uns kurzfristig keine Tiger 1200 GT Pro zur Verfügung stellen konnte, sprang Stephan Baldauf, Chef von Triumph Bonn, ein und überließ uns großzügig seine Vorführmaschine für einige Tage. Dass der Händler bei der Übergabe die neue Tiger 1200 GT Pro in den höchsten Tönen lobte, war keine Überraschung, aber soviel vorweg: Er hatte nicht übertrieben, sie hebt die englische Reiseenduro auf ein neues Niveau. Zum Glück nicht bei der Sitzhöhe, die liegt auf 850 mm, wenn die Bank auf niedrigere Position eingestellt ist, die höhere kommt auf 870 mm. Dabei ist die Sitzbank vorne recht schmal geschnitten, so dass der Bodenkontakt mit den Füßen auch für eher kleine Pilotinnen und Piloten noch möglich ist.

Überhaupt hat sich das Entwicklerteam in Hinckley ganz offensichtlich viele Gedanken über die Sitzposition gemacht. Sie ist sehr komfortabel mit einem entspannten Kniewinkel und einem gut zur Hand liegenden, breiten Lenker. Doch auch wenn der Fahrer im Gelände auf den gezackten Fußrasten steht (die Gummidämpfer können rasch entfernt werden), erweist sich die Position als gut ausbalanciert. Der Lenker liegt hoch genug, dass der Pilot sich nicht zu weit bücken muss und die Taille der Reiseenduro ist schlank genug für einen angenehmen Knieschluss. Die Tiger 1200 GT Pro bringt 245 kg auf die Waage. Das ist in Anbetracht der geballten Power für den Straßeneinsatz nicht viel Masse, aber im Gelände lässt sich so viel Gewicht natürlich nicht wegdiskutieren. Andererseits will die GT Pro mit ihren Gussfelgen auch gar nicht vom Asphalt in den Dreck abbiegen, was zudem die serienmäßigen Metzeler Tourance Next-Reifen unterstreichen.

Schon die Startprozedur fällt im Vergleich zur Vorgängerin völlig neu aus. Es gibt kein Zündschloss. Die Tiger 1200 verfügt über ein Keyless-go-System, das die Zündung in Bereitschaft versetzt, sobald der Fahrer sich mit dem richtigen Transponder in der Tasche nähert. Rechts am Lenker muss ein Wippschalter betätigt werden, um das sieben Zoll große TFT-Display zu wecken. Ein weiterer Druck auf die Taste und der 1200er-Drilling erwacht zum Leben. Der Sound ist kernig, jedoch mit 92 db(A) im Stand nicht zu laut.

Vor der Abfahrt habe ich noch die Qual der Wahl aus fünf Modi: Rain, Road, Sport, Off-Road oder doch der frei konfigurierbare Modus? Ich entscheide mich am Anfang für den Road-Modus, ziehe den Kupplungshebel mit minimalem Kraftaufwand und lege mit dezentem Krachen den ersten Gang ein. Es ist bis zur nächsten roten Ampel das letzte Mal, dass ich die Kupplung betätigen muss, denn die Tiger 1200 GT Pro verfügt über einen hervorragend funktionierenden Quickshifter, der Gangwechsel in beide Richtungen zulässt.