Mächtiger Schub: Fahrbericht zur Triumph Tiger 1200 GT Pro

Seite 2: Mächtiger Schub

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Die Leistungsentfaltung des großen Dreizylinders fühlt sich fast linear an, mächtig Schub gibt es bei jeder Drehzahl. Allerdings fällt auf, dass der Motor bei niedrigen Touren aufgrund der T-Plane-Kurbelwelle nicht ganz so geschmeidig läuft, wie in der Speed Triple 1200 RS.

Das ist von Triumph so gewollt und stört nicht wirklich, fällt aber im direkten Vergleich auf. Für ihre Größe ist die Tiger 1200 GT Pro durchaus handlich, was ich bei einem Radstand von 1560 mm und einem Nachlauf von 120 mm nicht unbedingt erwartet hätte. Die Triumph lässt sich in der Stadt locker dirigieren, biegt willig ab und zeigt sich kein bisschen störrisch. Die Gasannahme ist im Road-Modus sanft und geschmeidig, es geht ruckfrei vorwärts.

Auf der Landstraße ändert sich ihr Charakter von lammfromm in ambitioniert, erst recht, wenn ich in den Sport-Modus wechsele. Auf einmal erwacht der Tiger und er will jagen. Die Triumph hängt noch direkter am Gas stürmt mit Macht aus der Kurve und sprintet die Gerade herunter. Dabei bleibt die Tiger 1200 absolut stabil. Nervosität ist für sie ein Fremdwort, denn das semi-aktive Fahrwerk mit Federn und Dämpfern von Showa bietet, je nach vorgewähltem Modus, eine situationsgerechte Dämpfung von Gabel und Federbein. Wer damit nicht zufrieden ist, kann die Dämpfung über das Menü noch neunfach in Richtung Sport oder Komfort feinjustieren.

Triumph Tiger 1200 GT Pro Details (9 Bilder)

Der 1160-cm3-Dreizylinder stammt aus der 180PS starken SpeedTriple1200RS und ist doch ganz anders. Die Tiger 1200 hat einen Kardan- und keinen Kettenantrieb und in ihr rotiert eine T-Plane-Kurbelwelle, die einen eigenständigen Charakter bietet.
(Bild: Ingo Gach)

Im schnellen Kurvengeschlängel erweist sich die große Reiseenduro als agil, auch kleine Kurskorrekturen in Schräglage vollführt sie willig, wobei der Hinterreifen im 150er-Dimension gewiss seinen Teil dazu beiträgt – es muss eben nicht immer ein 180er-Pneu auf der Hinterhand sein. Nicht einmal Wellen und Flicken im Asphalt interessieren die Triumph, sie bleibt absolut neutral und schluckt mit 200 mm Federweg vorne und hinten alles weg. Eingefangen wird die Fuhre von zwei Brembo-Stylema-Bremszangen und 320-mm-Bremsscheiben am Vorderrad, die über eine einstellbare Magura HC1-Radialpumpe bedient werden, geregelt über ein optimiertes Kurven-ABS. Über die Bremswege oder ein Überbremsen in der Kurve brauche ich mir keine Sorgen zu machen.

Wer es eilig hat und die Autobahn entert, erlebt die Triumph als Expresszug. Mit bis zu 130 Nm schiebt der Dreizylinder heftig an und lässt eine sehr entspannte Fahrweise zu. Wem es dabei zu zugig wird, kann das Windschild mit einer Hand hochschieben. Zumindest die Brust wird dann vom Druck entlastet, den Helm trifft der Sturm aber weiterhin. Triumph regelt die Tiger 1200 bei 202 km/h elektronisch ab. Das wird viele überraschen, denn die Konkurrenz überbietet sich mit ihren Reiseenduros in der Höchstgeschwindigkeit. Offensichtlich will die englische Marke ein Zeichen setzen, dass sie das in dieser Hinsicht unsinnige Wettrüsten nicht mitmacht.

Viel mehr Wert legt Triumph auf eine umfangreiche Ausstattung an elektronischen Assistenzsystemen. So sind neben dem Kurven-ABS und der schräglagenabhängigen Schlupfregelung auch Kurvenlicht, Quickshifter, Berganfahrhilfe, Tempomat und Griffheizung serienmäßig. Lobenswert ist das narrensicher aufgebaute Menü im großen TFT-Display, das sich mit einem gelungenen Fünf-Wege-Joystick steuern und per Bluetooth mit dem Smartphone verbinden lässt. Für die Schnellwahl des Fahrmodus gibt es praktischerweise einen eigenen Knopf.

Die Tiger 1200 ist rundum mit LED-Licht bestückt, inklusive eines schmalen Tagfahrlichtstreifens. Handprotektoren hat die GT Pro serienmäßig, an unserem Testexemplar waren zudem Sturzbügel und ein Motorschutz aus der Aufpreisliste montiert. Selbst bei einem Umfaller im Stehen kann das dem Besitzer viel Geld sparen. Der Kunde hat bei der Tiger 1200 GT Pro die Wahl zwischen "Snowdonia White" als Standard, "Sapphire Black" und "Lucerne Blue" kosten je 200 Euro Aufpreis.

Für die Befestigung von Alukoffern wurde der Auspuff auffallend schmal gestaltet, damit sie möglichst wenig weit vom Motorrad abstehen. Auch ein Topcase wird im hauseigenen Zubehör angeboten, ein Tankrucksack erstaunlicherweise nicht. Dabei verträgt die Tiger 1200 GT Pro ordentliche 222 kg Zuladung, der Urlaub zu zweit mit Gepäck ist also gesichert.

Faszinierend an der neuen Triumph ist ihr sänftenartiger Komfort, selbst nach langen Etappen steige ich entspannt von der Tiger 1200 GT Pro. Dabei begnügt sie sich mit 5,5 Litern auf 100 Kilometern, was ihr eine theoretische Reichweite von 364 Kilometern ermöglicht.

Der Hersteller beweist großes Vertrauen in die Zuverlässigkeit seines Produkts und schreibt nur alle 16.000 km einen Service vor und gewährt vier Jahre Garantie.

Natürlich hat Triumph mit seiner neuen Reiseenduro die BMW R 1250 GS im Visier, der Bestseller aus Deutschland ist nunmal die Benchmark. Deshalb wird seitens Triumph ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Enduro leichter ist und mehr PS besitzt. Ob die neue Britin ihre bewährte Konkurrentin übertrumpft, möchte ich an dieser Stelle ohne eine GS zum Vergleich zur Hand zu haben, nicht erörtern. Sicher ist aber, dass die Tiger 1200 GT Pro ihr auf Augenhöhe begegnet.