Mit Anti-Aging-Medikamenten gegen COVID-19

Therapeutika, die das Immunsystem erneuern sollen, könnten auch gegen das Coronavirus wirken – zumindest, um die Krankheit abzumildern, meinen Forscher.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Paramedic,Wearing,Personal,Protective,Equipment,Ppe,Holding,Folder,Standing,In

(Bild: SViktoria/Shutterstock.com)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
Inhaltsverzeichnis

Die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu sterben, wächst üblicherweise mit dem Alter. Ein Grund dafür ist, dass das Immunsystem älterer Menschen Schwierigkeiten bekommt, mit Infektionen fertig zu werden. Und wenn es gelingt, sind die Erholungsphasen länger. Wissenschaftler stellen sich daher eine einfache Frage: Warum also nicht Medikamente ausprobieren, die den Körper verjüngen sollen?

Das ist die kühne Idee, die derzeit in klinischen Studien auf der ganzen Welt erforscht wird. Dabei werden Wirkstoffe getestet, die die Auswirkungen der Alterung auf den Körper rückgängig machen sollen, das Immunsystem verjüngen könnten und auch defekte Zellen abtransportieren und durch neue ersetzen sollen.

Einige Wissenschaftler meiden dabei den Begriff "Anti-Aging", weil er mit Fake-Medizin gleichgesetzt wird. Doch tatsächlich blockieren diese Medikamente gezielt die Biologie des Alterns. Es macht also intuitiv Sinn, sie einzusetzen, um älteren Menschen zu helfen, Infektionen abzuwehren. Diese Medikamente könnten potenziell jedem helfen, dessen Immunsystem geschwächt ist – sei es aufgrund des Alters, einer Krankheit aus der Vergangenheit oder eines chronischen Leidens.

Neue Behandlungsmethoden gegen SARS-CoV-2 sind dringend notwendig, denn die davon ausgelöste COVID-19-Erkrankung wird vielleicht nie verschwinden. Selbst in Ländern mit hoher Immunität werden immer noch Menschen ins Krankenhaus eingeliefert und sterben. Bisher gibt es nur eine Handvoll wirksamer Behandlungsmethoden, darunter antivirale Medikamente, Antikörper und Steroide – und diese könnten bei künftigen Corona-Varianten nicht mehr so gut wirken.

Mit zunehmendem Alter steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ernsthaft an COVID-19 erkrankt, sondern auch das Risiko, Long COVID zu entwickeln. Wenn Anti-Aging-Medikamente wirken, besteht die Hoffnung, dass sie möglicherweise auch bei der Behandlung dieser Krankheit helfen können.

Das Altern schwächt das Immunsystem in vielerlei Hinsicht. Ältere Menschen sterben eher an Infektionen wie der Grippe und ein älteres Immunsystem neigt dazu, nicht mehr so stark auf Impfstoffe zu reagieren. Einige Immunzellen scheinen schwächer zu werden und weniger in der Lage zu sein, Viren oder Bakterien abzutöten. Andere wiederum scheinen leichter in Aktion zu treten und ein höheres Maß an problematischen Entzündungen aufrechtzuerhalten auch wenn keine Infektion vorliegt. Es kommt dann möglicherweise zu Schädigungen.

Corona-Pandemie: Neue Varianten - Erkrankung - Impfung

Man geht davon aus, dass dieser Abbau des Immunsystems auch bei jüngeren Menschen auftritt, die "biologisch alt" sind, d. h. deren Körpersysteme eher wie die von älteren Menschen funktionieren als die von Gleichaltrigen. Erkrankungen, die eine Person anfälliger für das Coronavirus machen – wie Diabetes, Lungen- oder Herzkrankheiten –, scheinen mit einem höheren biologischen Alter einherzugehen. Menschen, die 10 Jahre vor Beginn der Pandemie ein höheres biologisches Alter hatten als erwartet, hatten ein höheres Risiko, an der Infektion zu sterben.

Janet Lord, die an der Universität von Birmingham die Auswirkungen des Alterns auf das Immunsystem untersucht, hat sich auf eine Art von Immunzellen konzentriert, die bei älteren Menschen anscheinend nicht mehr richtig funktionieren: die neutrophilen Granulozyten. Diese Zellen schwimmen in unserem Blut mit, bis eine Infektion auftritt; dann machen sie sich auf den Weg zum Infektionsherd. Bei älteren Menschen scheinen die Zellen in eine falsche Richtung zu geraten und können erheblichen Schaden anrichten, indem sie sich durch Gewebe bewegen "wie ein Wurm durch den Boden", sagt Lord. "Deshalb glauben wir, dass ältere Menschen, wenn sie eine Infektion bekommen, auch kränker werden."

Lords Team hat deshalb an einer Möglichkeit gearbeitet, dies zu korrigieren und die neutrophilen Granulozyten bei der Bekämpfung von Infektionen effizienter zu machen. Das Team hat herausgefunden, dass die Blockierung der Aktivität eines Enzyms, das die Funktionsweise des Immunsystems beeinflusst, diese im Labor anscheinend wieder in einen jüngeren Zustand versetzt. Interessanterweise hat Lord herausgefunden, dass Statine – Medikamente, die üblicherweise zur Senkung des Cholesterinspiegels verschrieben werden – eine ähnliche Wirkung haben können.