Europaparlament stimmt für Verbot von Verbrenner-Autos ab 2035

Wenn es nach dem EU-Parlament geht, dürfen ab 2035 in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Nun hat der EU-Rat das Wort.

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(Bild: Shutterstock.com/ThePowerPlant)

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Das Europäische Parlament hat einer Vorlage für CO₂-Emissionsnormen zugestimmt, nach der ab 2035 nur noch Pkw und leichte Nutzfahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, die kein CO₂ ausstoßen. Zu den emissionsfreien Fahrzeugen zählen der Entschließung zufolge Elektrofahrzeuge sowie Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Wasserstoffantrieb. De facto dürften damit nach heutigem Stand neue Pkw und Kleintransporter mit Verbrennungsmotor ab 2035 nicht mehr zugelassen werden.

Die Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs machen laut der Vorlage (PDF) fast 20 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU aus und sind seit 1990 deutlich gestiegen. Dabei sei der Straßenverkehr der einzige Sektor mit steigenden Treibhausgasemissionen, heißt es zur Begründung.

Das Parlament begibt sich damit vor den Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat, die voraussichtlich im Herbst beginnen, größtenteils auf die Linie der EU-Kommission. Diese hatte Mitte Juli 2021 überarbeitete CO₂-Emissionsleistungsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vorgelegt, laut denen deren Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 fallen sollen, bis 2035 um 100 Prozent.

Zwar haben bereits einige Autohersteller in der EU angekündigt, zwischen 2028 und 2035 auf emissionsfreie Produktion umzusteigen; EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will aber einen zeitlichen Rahmen vorgeben, um eine sichere Planung zu gewährleisten. Neben Vorteilen für das Klima erwartet die Kommission von dem Verbrennerverbot bessere Luftqualität, Energieeinsparungen, niedrigere Fahrzeug-Unterhaltungskosten und mehr Innovationen auf dem Gebiet der emissionsfreien Antriebe.

Der niederländische EU-Abgeordnete Jan Huitema (Renew), als Berichterstatter für das Thema zuständig, hatte im Umweltausschuss des EU-Parlaments erläutert, mit CO₂-Standards würden "Klarheit für die Automobilindustrie und stimulierende Innovationen und Investitionen für Automobilhersteller" geschaffen. Auch werde der Kauf und das Fahren emissionsfreier Autos für die Verbraucher günstiger. Dies sei besonders wichtig, da die Preise für Diesel und Benzin weiter steigen.

Der Abgeordnete Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher von CDU und CSU im EU-Parlament, hatte eingewandt, der Vorschlag der Kommission würde ein faktisches Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 bedeuten. Doch sei nicht die Motortechnik, sondern der verwendete Kraftstoff problematisch. In den kommenden Jahren könne sich auf diesem Gebiet noch einiges ändern. Auch sei nicht klar, ob bis 2035 die für die Elektromobilität notwendige Infrastruktur vorhanden sei. Gieseke war knapp mit seinem Vorschlag im Umweltausschuss und auch nun im Plenum gescheitert, das CO₂-Einsparziel für 2035 von 100 auf 90 Prozent zu mildern.

Gut 300 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der "Internationalen Vereinigung zur Erforschung nachhaltiger Antriebs- und Fahrzeugtechnik" (IASTEC) hatten vor Kurzem das EU-Parlament in einem offenen Brief gewarnt, die CO₂-Bilanz von batterieelektrisch betriebenen Autos (BEV) sei wesentlich schlechter als oft angegeben sei, unter anderem da der zusätzliche Strombedarf zunächst hauptsächlich durch fossile Energieträger gedeckt werden müsste. Zudem könne die einseitige Ausrichtung auf diese Mobilitätsform zu einer größeren Abhängigkeit von China führen. Die Elektromobilität solle weiterentwickelt, aber gleichzeitig auf Bio- und synthetische Kraftstoffe, sogenannte reFuels, gesetzt werden. Die Forschung an und der Einsatz dieser Kraftstoffe würde aber durch ein Verbrennerverbot unterbunden.

Christian Rehtanz, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund, der die IASTEC vor einem Jahr scharf kritisiert hatte, erläuterte gegenüber heise online, Elektromobilität sei der beste Weg in eine CO₂-neutrale Zukunft. "Synthetische Kraftstoffe sind weit weniger effizient und benötigen deutlich mehr erneuerbare Energie." Für Verbrennungsmotoren seien durchaus Einsatzfälle denkbar, in denen diese sich nicht so einfach durch batterieelektrische Fahrzeuge ersetzen ließen. "In entlegenen Gebieten findet sich wahrscheinlich keine Ladesäule, wohingegen synthetischer Kraftstoff dorthin transportabel wäre. Dieses gilt sicherlich auch in Krisenszenarien unterschiedlicher Art", erläuterte Rehtanz.

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Das FDP-geführte deutsche Bundesverkehrsministerium verwies gegenüber heise online auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP, laut sich die Regierungsparteien dafür einsetzen wollen, "dass außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden". Die Mobilität müsse sich auch in Zukunft technologieoffen weiterentwickeln, teilte das Ministerium weiter mit. "Wir wissen heute nicht, welche technologischen Chancen uns die Zukunft bietet." Die verfügbaren Technologien zu nutzen dürfe deshalb nie mit einem Verbot neuer Technologien einhergehen.

Das von den Grünen geführte deutsche Wirtschaftsministerium erläuterte gegenüber heise online, die Bundesregierung unterstütze "den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Fortschreibung der CO₂-Flottenregulierung mit allen vorgelegten Ausgestaltungselementen". Eine Anrechnungsmöglichkeit für erneuerbare Kraftstoffe sehe die CO₂-Flottenregulierung im Novellierungsvorschlag der Kommission für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge nicht vor. "Zudem ist gemäß Novellierungsvorschlag vorgesehen, ab dem Jahr 2035 nur noch im Betrieb CO₂-emissionsfreie neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zuzulassen."

(anw)