Verbraucherschutzminister: Datensparsamkeit soll digitale Nachhaltigkeit stärken

Die Verbraucherschutzministerkonferenz macht sich für bessere Reparierbarkeit, einen universellen Kündigungsbutton und gegen Dark Patterns stark.

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(Bild: Jirsak/Shutterstock)

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Die Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern haben auf ihrer 18. Konferenz, die am Freitag in Weimar zu Ende gegangen ist, eine Fülle an Beschlüssen unter anderem in den Bereichen Digitalpolitik sowie Klimaschutz und Energiewende gefasst. In einer Resolution zur "digitalen Nachhaltigkeit" bitten die Ressortchefs der Länder etwa den Bund, dieses Prinzip im Bereich von Online-Angeboten "mehr zu beachten".

Die Konferenz der Verbraucherschutzminister (VSMK) betont darin auch, dass der etwa in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verankerte Grundsatz der Datensparsamkeit bei Gesetzesvorhaben auf europäischer wie nationaler Ebene berücksichtigt werden sollte, "um einen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit Energieressourcen zu gewährleisten". Sprich: Weniger Datenverkehr etwa durch Verzicht auf Streaming-Dienste müsse als Mittel zum Klimaschutz stärker in den Vordergrund gerückt werden.

Ferner weist das Gremium darauf hin, dass auch der Betrieb digitaler Infrastrukturen sowie insbesondere die Produktion der entsprechenden Geräte nachhaltiger gestaltet werden sollte. Dabei haben sie klimaschädliche Rebound-Effekte im Blick: Durch die ständige Weiterentwicklung in der digitalen Welt würden Dienste, Gadgets und Anwendungen geschaffen, "die einen enormen Ressourcenverbrauch in Hinblick auf Rohstoffe und Energie auch in der Peripherie auslösen". Ebenso sollte die Nachhaltigkeit der Lieferketten betrachtet werden.

Die Minister bitten den Bund, die Reparierbarkeit und längere Nutzbarkeit der entsprechenden Geräte sowie die Erhöhung der Energieeffizienz der Produktions- und Nutzungsketten durch gezielte Maßnahmen zu stärken. Sie heben hervor, "dass auch die Softwareprodukte nachhaltig und auf Energiesparsamkeit sowie Langlebigkeit ausgelegt sein sollten". Den Verbrauchern müssten daher langfristig Programm-Updates für ihre Geräte wie Smartphones zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Sinne begrüßt die VSMK das Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesetz für eine – zeitlich aber nicht näher spezifizierte – "Aktualisierungspflicht für Software-Produkte". Der Bund soll hier prüfen, ob neben den Verkäufern "auch die Hersteller" einschlägiger Waren und Programme in Anspruch genommen werden können. Nötig sei zudem die Entwicklung einer Informationskampagne, "die das Thema digitale Nachhaltigkeit mit den unterschiedlichen Bereichen beinhaltet" und Verbraucher umfassend aufklärt, sodass sie "bewusste Kauf- und Konsumentscheidungen treffen können".

Mit einem weiteren Beschluss drängen die Ressortchefs darauf, Elektroschrott etwa rund um Haushaltselektrogeräte oder Mobiltelefone stringenter zu vermeiden. Sie plädieren für eine "Verlängerung der Nutzungsdauer" solcher Produkte. "Mit großem Interesse" verfolgen sie daher den 2021 aufgelegten und jüngst erneuerten "Thüringer Reparaturbonus" sowie das in Österreich eingeführte vergleichbare Modell. Solche Programme könnten "grundsätzlich als eine Möglichkeit gesehen werden, flankierend zur effektiven Durchsetzung der Herstellerverantwortung die längere Nutzung von Produkten zu fördern und so zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise beizutragen".

Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) fordern die Landesminister auf, verschiedene einschlägige Maßnahmen zu prüfen. Laut Plänen des Bundeskabinetts wollte die Regierung eigentlich längst ein Aktionsprogramm mit einem Recht auf Reparatur beschließen, was sich aber über Monate hinweg verzögerte. Der VSMK zufolge sollte ein solcher Anspruch möglichst mit einem "aussagekräftigen Reparaturindex" verknüpft werden. Ein solcher könnte etwa Ersatzteilpreise als Bewertungskriterium beinhalten.

Laut Neuerungen im Verbraucherrecht müssen Anbieter von Lieferverträgen vom 1. Juli an für dauernde Schuldverhältnisse einen verpflichtenden Kündigungsbutton im Online-Bereich einführen. Die VSMK lobt dies genauso wie den Vorschlag der EU-Kommission, eine solche Button-Lösung für elektronisch geschlossene Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen einzuführen. Sektorspezifische Ansätze seien aber unzureichend. Die Minister appellieren daher an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene und nach dem Vorbild für Dauerschuldverhältnisse "für die verpflichtende Einführung eines sektorenübergreifenden elektronischen Widerrufsbuttons einzusetzen".

Weiter moniert die VSMK mit ihrem Paket, dass "die selbstbestimmte Nutzung von Kaufangeboten" durch Verbraucher innerhalb einer Internetanwendung bei In-App-Käufen trotz Nachbesserungen beim Jugendschutz insbesondere im Bereich des Online-Gamings nach wie vor nicht ausreichend sichergestellt sei. Sie befürworten daher auf die Einführung eines sogenannten Redirect-Verfahrens mit 2-Faktoren-Authentifizierung bei Bezahlvorgängen jeglicher Art. Dabei könnten auf einer neutralen Seite neben den Informationen über die Kosten des Kaufes auch die aufsummierten Beträge der Order der vergangenen 30 Tage sowie während der gesamten Nutzungszeit aufgeführt werden.

Mit einer weiteren Novelle des Jugendschutzgesetzes soll den Ministern zufolge für Kinder und Jugendliche ein Verbot glücksspielähnlicher Inhalte wie "digitaler Wundertüten" (Lootboxen) sowie temporärer Boni und die Ausgaben verdeckenden "Ingame-Währungen" wie Diamanten oder Goldmünzen eingeführt werden. Möglichkeiten zur Deckelung der Kaufsumme seien ebenfalls angebracht.

Mit dem Beschlusspaket bringt die VSMK ferner etwa strengere Regeln bei der Online-Werbung für Finanzdienstleistungen ins Spiel. Sie haben dabei vor allem Kryptohandelsplattformen für Bitcoin & Co. im Blick, die genehmigungspflichtige Einlage- oder Wertpapierhandelsgeschäfte betreiben. Online-Plattformen sollen hier verpflichtet werden, vor der Schaltung von Anzeigen mindestens deren Kernaussagen, die Einhaltung von Genehmigungspflichten der Werbenden, das Vorhalten eines Impressums, die Identität und die Befolgung weiterer einschlägiger Vorschriften für Kapitalmarktakteure überprüfen.

Die Minister werben zudem für ein stärkeres Vorgehen gegen Design-Tricks von Entwickeln wie Dark Patterns und ein strafrechtliches Verbot des Handels mit gefälschten Kundenbewertungen auf Online-Marktplätzen wie Amazon. Im Bereich Energiewende macht sich die VSMK etwa für die leichtere Teilhabe privater Haushalte ohne Wohneigentum "durch Lockerungen der räumlichen Begrenzung und Vereinfachungen beim Mieterstrom" sowie dessen erleichterte Nutzung durch Dritte für die E-Mobilität stark. Der Einsatz von Stecker-Solargeräten durch Mieter sei zu fördern. Für nötig hält das Gremium auch verbesserte Informationen über Antriebsbatterien von E-Fahrzeugen vor allem "zu den Fragen der Leistungsfähigkeit, Haltbarkeit, CO2-Bilanz, Sicherheit" und zur Entsorgung sowie Recyclingfähigkeit.

(bme)